05.09.2016 — Volker Hartmann. Quelle: Verlag Dashöfer GmbH.
Wenn die streitigen Parteien sich nicht einig werden und keine Lösung herbeiführen können, kommt das Verfahrensrecht ins Spiel. In diesem Zusammenhang bleibt das eigentliche Rechtsproblem ungelöst. Stattdessen stehen formale Aspekte im Vordergrund. Das Verfahrensrecht, welches im Wesentlichen in der Abgabenordnung geregelt ist, wird in der steuerlichen Praxis häufig vernachlässigt, so dass es im Zweifelsfall zu eher unangenehmen Überraschungen kommen kann.
Um zu vermeiden, dass Steuerbescheide unbegrenzt lange geändert werden können und um Rechtsfrieden eintreten zu lassen, gibt es im Steuerrecht den Tatbestand der Verjährung. Die sog. Festsetzungsverjährung, nach deren Eintritt Steuerbescheide nicht mehr geändert werden können, kann durch eine steuerliche Betriebsprüfung, Umsatzsteuer-Sonderprüfung bzw. Lohnsteueraußenprüfung unterbrochen werden. Soweit diese Festsetzungsverjährung noch nicht eingetreten ist, können aufgrund der Prüfung vom Finanzamt Steuerbescheide geändert werden. Hierbei sind jedoch einige Besonderheiten zu beachten. So tritt entgegen vorstehender Ausführungen Festsetzungsverjährung ein, wenn die Prüfung unmittelbar nach ihrem Beginn für die Dauer von mehr als sechs Monaten aus Gründen unterbrochen wird, die das Finanzamt zu vertreten hat und innerhalb dieses Zeitraums keine geänderten Steuerbescheide erlassen werden.
Im Anschluss an eine Betriebsprüfung, Umsatzsteuer-Sonderprüfung oder Lohnsteueraußenprüfung hat das geprüfte Unternehmen Anspruch auf eine Schlussbesprechung, in der die streitigen Sachverhalte ausführlich erläutert werden. Das Unternehmen kann jedoch auf die Durchführung einer Schlussbesprechung verzichten. Streitig ist, welche Rechtsfolgen der Verzicht auf eine Schlussbesprechung mit sich bringt.
Im streitigen Sachverhalt wurde in 1980 mit einer Betriebsprüfung begonnen. Diese wurde 1989 unterbrochen und nach einer längeren Unterbrechung erst in 1995 fortgesetzt. Nachdem 1996 eine Schlussbesprechung durchgeführt wurde, erließ das Finanzamt 1997 geänderte Steuerbescheide. Das Unternehmen legte Einspruch ein. Nach Auffassung des Unternehmens hätten aufgrund der eingetretenen Festsetzungsverjährung keine geänderten Steuerbescheide erteilt werden dürfen.
Mit Urteil vom 20.10.15, IV B 80/14 (NV) stellte der Bundesfinanzhof klar, dass entgegen der Auffassung der Gesellschaft keine Festsetzungsverjährung eingetreten sei. Die Ablaufhemmung nach Maßgabe von § 171 Absatz 4 Satz 3 AO richtet sich nicht nach dem Zeitpunkt der letzten Ermittlungshandlung im Jahr 1989, sondern nach dem Zeitpunkt der Schlussbesprechung im Jahr 1996.
Laut dieser Rechtsnorm endet die Festsetzungsfrist spätestens, wenn seit Ablauf des Kalenderjahrs, in dem die Schlussbesprechung stattgefunden hat, oder, wenn sie unterblieben ist, seit Ablauf des Kalenderjahrs, in dem die letzten Ermittlungen im Rahmen der Außenprüfung stattgefunden haben, die in § 169 Absatz 2 genannten Fristen verstrichen sind. Wenn das Finanzamt innerhalb dieser Frist keine korrigierten Steuerbescheide erlässt, tritt Festsetzungsverjährung ein. Soweit innerhalb der Frist korrigierte Steuerbescheide erlassen werden, läuft die Festsetzungsfrist erst dann ab, wenn die ergangenen Bescheide unanfechtbar geworden sind.
Das Bundesverfassungsgericht hat mit Beschluss vom 21.07.16, 1 BvR 3092/15 klargestellt, dass die vom Bundesfinanzhof vertretene Auslegung von § 171 Absatz 4 Satz 3 Abgabenordnung wonach sich bei Außenprüfungen der Lauf der Festsetzungsfrist nur bei Unterbleiben der Schlussbesprechung nach dem Zeitpunkt der letzten Ermittlungshandlung richte, verfassungsrechtlich nicht zu beanstanden ist. Die Rechtsauslegung des Bundesfinanzhofs führt zu keiner mit den Grundsätzen der Rechtssicherheit und des Vertrauensschutzes unvereinbaren Handhabung der Regeln über die Festsetzungsverjährung bei Außenprüfungen.
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