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40. Jubiläum des Mitbestimmungsgesetzes

11.07.2016  — Online-Redaktion Verlag Dashöfer.  Quelle: Hans-Böckler-Stiftung.

Gerade in Zeiten wirtschaftlicher und gesellschaftlicher Umbrüche brauchen Deutschland und Europa mehr Mitbestimmung der Arbeitnehmerinnen und Arbeitnehmer.

Das hat Reiner Hoffmann betont, Vorsitzender des Deutschen Gewerkschaftsbundes und des Vorstands der Hans-Böckler-Stiftung. „Mehr Mitbestimmung ist eine Forderung, die in die Zeit passt, so Hoffmann. „Einseitige, finanzmarktgetriebene Entscheidungen von Managern auf Basis von Bank- und Marktanalysen sind das Risiko für jedes Land und jede Gesellschaft“, sagte Hoffmann am Donnerstagabend in Berlin. Auf einer Fest­ver­an­stal­tung der Hans-Böckler-Stiftung in Kooperation mit dem DGB leuchteten unter anderem Bundespräsident Joachim Gauck, Hoffmann und Arbeitgeberpräsident Ingo Kramer die Zukunft der Mitbestimmung aus. Anlass ist das 40-jährige Jubiläum des Mitbestimmungsgesetzes, das am 1. Juli 1976 in Kraft getreten ist. Es garantiert den Beschäftigten und ihren Gewerkschaften die Hälfte der Sitze in den Aufsichtsräten großer Unternehmen. Allerdings verfügt die Seite der Kapitaleigner im Aufsichtsrat über eine Zusatzstimme.

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Hoffmann bezeichnete die Mitbestimmung als „gelebte Demokratie im Unternehmen“. Sie lasse die Menschen „demokratische Beteiligung direkt am Arbeitsplatz und damit ganz nah an der Lebensrealität praktizieren und erleben.“ Gleichzeitig wirke sich die Mitbestimmung wirtschaftlich positiv aus: „Die Vertreter der Beschäftigten sind die besten Anwälte für eine nachhaltige Unternehmenspolitik.“ Hoffmann verwies auf aktuelle Unter­suchungen, die zeigen, dass mitbestimmte Unternehmen stärker ausbilden und produktiver arbeiten und dass unter den zehn innovativsten Ländern der Welt vier mit Unternehmensmitbestimmung sind. Bei Gesprächen mit amerikanischen Regierungsmitgliedern und Wirtschaftsvertretern habe er den Eindruck gewonnen, dass die deutsche Mitbestimmung auch in den USA durchaus als „positiver Standortfaktor“ wahrgenommen werde: „Die Unternehmer dort haben sehr wohl registriert, wie die Deutschen ziemlich glimpflich durch die Finanz- und Wirtschaftskrise gesteuert sind.“

Allerdings riskiere Deutschland, den Standortvorteil Mitbestimmung zu verspielen, warnte Hoffmann auf der Veranstaltung der Hans-Böckler-Stiftung. Beschäftigte, die einen Betriebsrat gründen wollten, würden allzu oft „gemobbt und behindert, ihnen wird mit Verlust des Arbeitsplatzes gedroht.“ Und junge, wachsende Unternehmen nutzten zunehmend Schlupflöcher im deutschen und europäischen Recht aus, um Arbeitnehmer­mitbestimmung im Aufsichtsrat zu vermeiden. Das sei ein Grund dafür, dass die Zahl der mitbestimmten Unternehmen seit 2002 um gut 17 Prozent gesunken ist. Hoffmann verwies auf Untersuchungen der Hans-Böckler-Stiftung mit dem Ergebnis, dass über verschiedene Vermeidungsstrategien von Unternehmen rund 800.000 Beschäftigte in Deutschland um ihre Interessenvertretung durch einen mitbestimmten Aufsichtsrat gebracht werden.

Eines von mehreren problematischen Schlupflöchern stelle die Gesetzeslage zur Europäischen Aktien­gesellschaft (SE) dar. Die Mitbestimmung in der SE soll zwischen Arbeitnehmer- und Arbeitgeberseite verhandelt werden, wobei eine Auffangregelung das bestehende Mitbestimmungsniveau schützen soll. Wenn sich Unternehmen allerdings in eine SE umwandeln, bevor sie so viele Beschäftigte haben, dass die deutschen Mitbestimmungsgesetze greifen, wird der Zustand ohne Mitbestimmung zementiert, unabhängig davon, wie groß das Unternehmen später wird. „Da wo vorher keine Mitbestimmung war, kann die Auffanglösung sie auch nicht sichern“, sagte Hoffmann. Dabei sei der „Webfehler“ im SE-Gesetz leicht zu bereinigen. „Wie einfach man das korrigieren kann, zeigen die Österreicher“ – in der Alpenrepublik muss bei SEs nachverhandelt werden, wenn sie später die Schwellenwerte bei den Beschäftigten überschreiten.

Hoffmann forderte die Bundesregierung auf, diese und andere Lücken im Mitbestimmungsgesetz zu schließen: „Was wir in Zeiten des Umbruchs brauchen, ist nicht weniger, sondern mehr Mitbestimmung in Deutschland und Europa“, sagte der DGB-Vorsitzende. Daher seien neben nationalen auch Gesetzesinitiativen auf europäischer Ebene notwendig. Sie könnten aufbauen auf den Regelungen zur Mitbestimmung in Führungsgremien von Unternehmen, die neben Deutschland auch 17 weitere EU-Staaten haben. Zusammen mit dem Europäischen Gewerkschaftsbund sprächen sich die deutschen Gewerkschaften für eine europäische Rahmenrichtlinie über die Beteiligung der Arbeitnehmer durch Unterrichtung, Anhörung und Mitbestimmung in Aufsichts- und Verwaltungsräten aus. Dazu gehöre auch ein Standard für die Mitbestimmung in Unternehmen europäischen Rechts, mit festen Schwellenwerten für die Mitbestimmung. Dieser solle für Unternehmen mit mehr als 1.000 Beschäftigten in Europa eine paritätische Mitbestimmung vorsehen, so Hoffmann.

Weitere Informationen:
Die komplette Rede (pdf)


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