01.11.2011 — Udo Cremer. Quelle: Verlag Dashöfer GmbH.
Die Eltern des Klägers verfügten über ein größtenteils unversteuertes Kapitalvermögen, das auf Konten in der Schweiz angelegt war. Im Juli 1993 übertrugen die Eltern des Klägers die ihnen gemeinsam zustehenden Konten zunächst auf Frau R, die Schwester des Klägers. Im Dezember 1993 wurden die Konten infolge familiärer Zwistigkeiten teilweise auf die Mutter des Klägers zurück übertragen, die dem Kläger unbeschränkte Vollmachten einräumte; im Übrigen wurde das Vermögen auf Konten übertragen, die auf den Kläger lauteten. Ausweislich einer notariell beurkundeten Vereinbarung zwischen dem Kläger und seiner Mutter vom 19. Februar 2001 geschah dies alles im Wege einer Schenkung. Der Kläger ging davon aus, dass das gesamte elterliche Vermögen endgültig auf ihn habe übergehen sollen. In den von ihm für die Streitjahre 1996 bis 2003 eingereichten Einkommensteuererklärungen gab er lediglich geringfügige Einkünfte aus Kapitalvermögen an.
Mit notariellem Kaufvertrag vom 23. Mai 1996 erwarb der Kläger gemeinsam mit seiner Ehefrau eine Eigentumswohnung in dem Anwesen S-Straße zu einem Kaufpreis von 250.000 DM, der zum 30. Juni 1996 fällig wurde. Auf den Antrag des Klägers und seiner Ehefrau hin setzte das FA mit Bescheid vom 23. Februar 1998 die Eigenheimzulage für die Jahre 1996 bis 2003 auf jährlich 5.500 DM fest. Nachdem der Vater des Klägers im Jahr 1998 verstorben war, brachte der Kläger im Jahr 1999 das gesamte auf den Schweizer Konten angelegte Vermögen in mehrere liechtensteinische Stiftungen ein. In der Folge entstand zwischen dem Kläger und seinen Schwestern, Frau R und Frau K, Streit darüber, ob das schweizerische Vermögen in das Erbe nach dem Vater falle oder nicht. Mit gemeinschaftlichem Erbschein vom 12. Januar 2000 stellte das Amtsgericht fest, dass der Nachlass nach dem Verstorbenen zur Hälfte der Mutter des Klägers und zu je einem Sechstel dem Kläger und seinen Schwestern zustehe. Nachdem der Kläger sich geweigert hatte, die gegen ihn gerichteten Zahlungsansprüche seiner Schwestern zu befriedigen, erhoben diese vor dem Landgericht Klage, mit der sie die Offenlegung des Nachlasses durch den Kläger verlangten.
In diesem Verfahren verteidigte sich der Kläger mit dem Vorbringen, das Vermögen sei ihm schenkweise übertragen worden. Bereits am 6. Juni 2000 hatte das Finanzamt für Fahndung und Strafsachen ein strafrechtliches Ermittlungsverfahren wegen des Verdachts der Hinterziehung der Erbschaftsteuer eingeleitet. Nach Auswertung der verfügbaren Kontobelege stellte es zusammenfassend u.a. fest, dass dem Kläger in den Jahren 1995 und 1996 folgende, nicht erklärte Einnahmen aus Kapitalvermögen zugeflossen seien: 1995: 550.656 DM, 1996: 595.135 DM. Eine inhaltliche Stellungnahme gab der Kläger hierzu nicht ab. Mit Bescheid vom 24. Mai 2002 hob das FA die Festsetzung der Eigenheimzulage ab 1996 auf, weil der Gesamtbetrag der Einkünfte im Jahr der Antragstellung sowie des Vorjahres die maßgebliche Einkunftsgrenze nach § 5 EigZulG überstiegen habe. Einspruch und Klage blieben erfolglos.
Das FG entschied, dass das FA den Bescheid über Eigenheimzulage ab 1996 zu Recht aufgehoben habe. Der Kläger habe 1995 und 1996 von ihm nicht erklärte Einnahmen aus Kapitalvermögen in Höhe von 550.656 DM (1995) und 595.135 DM (1996) erzielt und damit jedenfalls die Einkunftsgrenze von 480.000 DM überschritten. Denn das Guthaben, das sich seit Dezember 1993 auf den streitbefangenen, auf den Kläger sowie die Mutter des Klägers lautenden Konten befunden habe, sei dem Kläger zuzurechnen, da dieser insoweit als Eigenbesitzer wirtschaftliches Eigentum i.S. von § 39 Abs. 2 Nr. 1 Satz 2 AO gehabt habe. Die objektive Sachherrschaft des Klägers folge daraus, dass die fraglichen Konten entweder auf seinen Namen gelautet hätten oder, soweit dies nicht der Fall gewesen sei, ihm von der Berechtigten eine unbeschränkte Vollmacht eingeräumt worden sei. Es stehe auch zur Überzeugung des Senats fest, dass der Kläger in den Streitjahren einen entsprechenden Herrschaftswillen gehabt habe. Insbesondere habe er das Anlagevermögen als ihm geschenkt angesehen.
Hiergegen richtet sich die Revision des Klägers, mit der er eine unzureichende Sachaufklärung sowie die Verletzung materiellen Rechts rügt. Insbesondere sei der Kläger bis zum 16./17. Dezember 1993 weder Inhaber der fraglichen Konten gewesen noch seien ihm Einkünfte zugeflossen. Forderungen seien dem Forderungsinhaber zuzurechnen. Soweit aber der Kläger nur Vollmacht gehabt habe, sei er nicht Forderungsinhaber gewesen. Eine Kontovollmacht vermittle auch keine objektive Sachherrschaft über ein Konto. Die Ablehnung eines Treuhandverhältnisses beruhe auf einer nicht hinreichenden Tatsachenwürdigung. Im Übrigen sei in den Streitjahren ein eigener Herrschaftswille des Klägers gerade nicht festzustellen.
Die Revision ist begründet, sie führt zur Aufhebung des finanzgerichtlichen Urteils und zur Zurückverweisung der Sache zur anderweitigen Verhandlung und Entscheidung (BFH-Urteil vom 7.7.2011, IX R 11/10).
Einnahmen i.S. von § 20 EStG erzielt derjenige, der im Entstehungszeitpunkt der Erträge Gläubiger der Forderung auf Kapitalrückzahlung ist. Insgesamt maßgeblich ist die rechtliche oder wirtschaftliche Dispositionsbefugnis. Eine vom Zivilrecht abweichende Zurechnung kommt dabei nur in Betracht, wenn ein anderer als der zivilrechtliche Darlehensgläubiger wirtschaftlicher Inhaber der fraglichen Darlehensforderung ist. Insoweit gilt § 39 Abs. 2 Nr. 1 Satz 1 AO auch für die persönliche Zurechnung von Einkünften aus Kapitalvermögen, wobei jeweils auf die Art des den Kapitalerträgen zugrunde liegenden Rechtsverhältnisses abzustellen ist. Geht es um bloße Kapitalforderungen, so ist der Vorschrift auch in der Alternative des Eigenbesitzes keine andere Art der Zurechnung zu entnehmen, als sie mit der Dispositionsbefugnis beschrieben wird.
Nach diesen Grundsätzen sind die streitbefangenen Einnahmen aus Kapitalvermögen der Jahre 1995 und 1996 dem Kläger nur zuzurechnen, wenn er in diesen Jahren bei Zufluss der Kapitalerträge über die zugrunde liegenden Rechtsverhältnisse tatsächlich dispositionsbefugt war, er sie also insbesondere nicht für seine Eltern verwaltet hat. Diese Dispositionsbefugnis kann sich aus der Gläubigerstellung des Klägers hinsichtlich der auf den fraglichen Konten verzeichneten Forderungen ergeben oder daraus, dass der Kläger wirtschaftlicher Inhaber der Kapitalforderungen war und die mit dieser Inhaberstellung verbundene Verfügungsmacht zugunsten des Klägers so umfassend war, dass die rechtliche Inhaberstellung als leere Hülle erscheint.
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