12.11.2013 — Online-Redaktion Verlag Dashöfer. Quelle: PwC.
Dies geht aus der Studie „Wirtschaftskriminalität und Unternehmenskultur 2013“ der Wirtschaftsprüfungs- und Beratungsgesellschaft PwC und der Martin-Luther-Universität Halle-Wittenberg hervor, für die deutschlandweit 603 Unternehmen mit mindestens 500 Beschäftigten befragt wurden. Werden neben den nachgewiesenen Delikten auch die konkreten Verdachtsfälle der vergangenen zwei Jahre berücksichtigt, ergibt sich ausgehend von den Ergebnissen der Studie aus 2011 ein Rückgang der Kriminalitätsbelastung von 73 Prozent auf aktuell 53 Prozent.
„Der starke Rückgang der Kriminalitätsbelastung ist insbesondere auf die wachsende Verbreitung von Compliance-Programmen zurückzuführen. Mittlerweile setzen etwa drei von vier Unternehmen auf systematische Kontrollen und Kriminalitäts-prävention. 2009 berichtete nicht einmal jeder zweite Betrieb von derartigen Maßnahmen“, betont Steffen Salvenmoser, Partner bei PwC im Bereich Forensic Services. Von den rund 25 Prozent der Unternehmen, die kein Compliance-Programm implementiert haben, verweist etwa jedes zweite auf zu hohe Kosten und zu viel bürokratischen Aufwand. Knapp die Hälfte der Befragten ohne Compliance-Programm ist der Ansicht, dass der Nutzen von Compliance-Maßnahmen den damit verbundenen Aufwand nicht rechtfertigt. Diese Auffassung ist insbesondere bei kleineren Unternehmen mit weniger als 1.000 Mitarbeitern sehr verbreitet (72 Prozent).
Aus aktuellem Anlass wurde unsere Studie um ein Kapitel zu den Auswirkungen der NSA-Affäre ergänzt. Wie eine Zusatzbefragung von 250 Unternehmen im September 2013 ergab, schätzt jeder vierte Betrieb das Risiko von Industriespionage aktuell höher ein als vor den Enthüllungen von Edward Snowden. Jedes dritte Unternehmen will die Sicherheit seiner IT- und Kommunikationssysteme überprüfen. 15 Prozent erwägen sogar eine Umstellung auf europäische IT-Dienstleister, um ihre Daten vor dem Zugriff US-amerikanischer und britischer Geheimdienste zu schützen.
Dabei ist zu berücksichtigen, dass die Ungewissheit über das tatsächliche Ausmaß dieser Deliktarten vergleichsweise hoch ist. So gab es in den Jahren 2012 und 2013 nur bei fünf Prozent der Betriebe mindestens einen nachgewiesenen Fall von Datendiebstahl, aber immerhin bei 15 Prozent der Befragten mindestens einen (weiteren) konkreten Verdacht. Bei der Industrie- und Wirtschaftsspionage ist die Diskrepanz zwischen Schadensfällen (zwei Prozent der Unternehmen) und Verdachtsfällen (zehn Prozent der Unternehmen) ebenfalls besonders groß.
Bezogen auf die in den vergangenen zwei Jahren entdeckten kriminellen Handlungen, entfallen 34 Prozent auf Vermögensdelikte wie Betrug, Unterschlagung oder Diebstahl, 10 Prozent der Delikte sind Verstöße gegen Patent- und Markenrechte und jeweils 6 Prozent der Delikte sind Korruptions- und Kartellfälle.
„Allerdings dürfte das ‚Dunkelfeld’ der nicht entdeckten Straftaten gerade im Bereich von Korruption und Kartellabsprachen relativ groß sein. So ist immerhin jedes vierte Unternehmen der Ansicht, in den vergangenen zwei Jahren mindestens einen Auftrag auf Grund von Korruption durch Wettbewerber verloren zu haben“, erläutert Prof. Dr. jur. Kai-D. Bussmann von der Martin-Luther-Universität Halle-Wittenberg. Auch wettbewerbswidrige Vereinbarungen sind nach Einschätzung vieler Befragter verbreitet. Knapp jedes fünfte Unternehmen geht davon aus, dass in seiner Branche mindestens 20 Prozent des Marktvolumens von Preis- oder Marktabsprachen betroffen sind.
Im Durchschnitt entstanden den Unternehmen in den vergangenen zwei Jahren durch Wirtschaftskriminalität unmittelbare finanzielle Schäden von knapp 3,2 Millionen Euro. Mit Abstand die höchsten Schäden verursachen Wettbewerbsdelikte mit durchschnittlich rund 20 Millionen Euro je betroffenes Unternehmen. Die finanzielle Belastung durch Korruptionsfälle ist mit rund 530.000 Euro je Schadensfall zwar deutlich geringer. Allerdings sind sowohl Korruptions- als auch Wettbewerbsdelikte typischerweise mit erheblichen indirekten Schäden wie etwa ein gravierender Reputationsverlust (jeweils 24 Prozent) verbunden. Bei 40 Prozent beeinträchtigen aufgedeckte Korruptionsfälle zudem die Beziehungen zu Geschäftspartnern erheblich, während die juristische Aufarbeitung von Kartellverstößen bei zwei von drei Unternehmen (65 Prozent) einen hohen Zeit- und Kostenaufwand verursachen und bei jedem zweiten Befragten (52 Prozent) erhebliche Managementkapazitäten binden.
Angesichts der erheblichen Schäden durch Kartellabsprachen und Korruption sind spezifische Präventionsmaßnahmen überraschend schwach ausgeprägt. Über ein Antikorruptionsprogramm verfügen nur gut 52 Prozent der Befragten. Selbst von den Unternehmen, die zumindest potenziell von der strengen Gesetzgebung in den USA (Foreign Corrupt Practices Act) und im Vereinigten Königreich (UK Bribery Act) betroffen sind, haben nur 63 Prozent ein Antikorruptionsprogramm. Eine spezifische kartellrechtliche Compliance gibt es lediglich bei 29 Prozent der Unternehmen.
„Mindestens genauso bedenklich wie die Lücken bei der Compliance sind allerdings Defizite bei der Integritätskultur. Noch immer herrscht in vielen Unternehmen ein einseitig ergebnisorientiertes Klima, das dem erfolgreichen Abschluss im Zweifel den Vorrang vor der Einhaltung von Regeln und Grundsätzen guter Unternehmens-führung gibt. Compliance funktioniert aber nur dann, wenn sie Teil der Unternehmens-DNA wird“, betont Salvenmoser. Nach Einschätzung der Befragten (84 Prozent) kritisieren zwar die meisten Vorgesetzten einen Richtlinienverstoß ihrer Mitarbeiter. Doch in fast jedem vierten Unternehmen (22 Prozent) folgen Führungskräfte zumindest nicht immer den Grundsätzen, die sie von anderen einfordern. Fazit der Studie: Integrität kann man nicht anordnen, man muss sie im Unternehmen leben.
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