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Wirksames Druckmittel oder stumpfes Schwert – Vertragsstrafenklauseln

16.09.2016  — Online-Redaktion Verlag Dashöfer.  Quelle: Taylor Wessing Deutschland.

In einer aktuellen Entscheidung beschäftigte sich das Bundesarbeitsgericht (BAG) mit einer durchaus gebräuchlichen Vertragsstrafenklausel und es zeigt sich wieder einmal, dass bei der Formulierung dieser Klauseln besondere Vorsicht geboten ist.

I. Einleitung

Vor allem in Arbeitsverträgen von Führungskräften werden sehr häufig Vertragsstrafenklauseln vereinbart, nach denen der Mitarbeiter in dem Fall, dass er die Arbeit unentschuldigt nicht aufnimmt, der Arbeit unentschuldigt fernbleibt oder ohne Einhaltung der anwendbaren Kündigungsfrist nicht mehr zur Arbeit erscheint, eine Vertragsstrafe zu zahlen hat. Hintergrund für diese Vertragsstrafenregelungen ist, dass die Arbeitspflicht nicht vollstreckbar ist. Arbeitgeber haben zwar die Möglichkeit, gegen den Mitarbeiter zu klagen und einen Titel zu erwirken, dass der Mitarbeiter zur Arbeit verpflichtet ist. Ein solcher Titel lässt sich jedoch nicht vollstrecken, der Mitarbeiter kann nicht zur Arbeit gezwungen werden. Um zu verhindern, dass der Mitarbeiter von einem auf den anderen Tag der Arbeit fern bleibt und dadurch der Betriebsablauf gestört wird und dem Unternehmen Kosten entstehen, wird versucht, dieses Verhalten mit einer pauschalen Strafe zu sanktionieren.

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Häufiger Anwendungsfall der Vertragsstrafenklauseln ist der Fall der rechtswidrigen Lossagung des Mitarbeiters von dem Arbeitsvertrag, mithin also die faktische Beendigung ohne Einhaltung der Kündigungsfrist. Für diese Klauseln hat das BAG bereits in der Vergangenheit strenge Maßstäbe festgestellt. So hat es etwa eine Klausel für unwirksam gehalten, nach der die „Beendigung des Arbeitsvertrags ohne Einhaltung der Kündigungsfrist“ mit einer Vertragsstrafe sanktioniert wurde (BAG, Urt. v. 23. Januar 2016 – 8 AZR 130/13). Diese Entscheidung beruhte darauf, dass das BAG zu dem Ergebnis kam, dass die schlichte Einstellung der vertraglich geschuldeten Arbeit keine „Beendigung“ sei. Wenn der Mitarbeiter nicht mehr zur Arbeit erscheint, beendigt er das Arbeitsverhältnis nicht im arbeitsrechtlichen Sinne, sondern löst sich vielmehr von diesem. Eine Beendigung setzt eine Kündigung bzw. einvernehmliche Aufhebung des Arbeitsverhältnisses voraus. Bereits diese Entscheidung hat also gezeigt, dass die Formulierung dieser Klauseln sehr exakt sein muss.

II. Sachverhalt

Die beklagte Mitarbeiterin war bei der Klägerin, einem Einzelhandelsunternehmen, vom 1. Juni 2013 bis zum 27. Juni 2013 beschäftigt. Die ersten 6 Monate des Arbeitsverhältnisses waren als Probezeit vereinbart, in der das Arbeitsverhältnis mit einer Frist von zwei Wochen gekündigt werden konnte. Der Arbeitsvertrag enthielt eine Vertragsstrafenklausel, die folgenden Inhalt hatte:

„Nimmt der Mitarbeiter die Arbeit nicht oder verspätet auf, löst er das Arbeitsverhältnis ohne Einhaltung der maßgeblichen Kündigungsfrist auf, verweigert er vorrübergehend die Arbeit oder wird das Unternehmen durch vertragswidriges Verhalten des Mitarbeiters zur außerordentlichen Kündigung veranlasst, so hat der Mitarbeiter an das Unternehmen eine Vertragsstrafe zu bezahlen. Als Vertragsstrafe wird für den Fall der verspäteten Arbeitsaufnahme sowie der vorrübergehenden Arbeitsverweigerung ein Bruttotagesgeld für jeden Tag der Zuwiderhandlung vereinbart, insgesamt jedoch nicht mehr als das in der gesetzlichen Mindestkündigungsfrist ansonsten erhaltene Arbeitsentgelt. Im Übrigen beträgt die Vertragsstrafe ein Bruttomonatsgehalt.“

Mit Schreiben vom 27. Juni 2013 kündigte die Mitarbeiterin das Arbeitsverhältnis fristlos, offenbar ohne dass hierfür ein entsprechender Kündigungsgrund vorlag. Die Arbeitgeberin klagte daraufhin auf Zahlung einer Vertragsstrafe entsprechend der Vergütung für zwei Wochen. Dies stützte die Arbeitgeberin darauf, dass die Mitarbeiterin keinen Kündigungsgrund gehabt habe. Für diesen Fall sehe die Vertragsstrafenklausel eine Vertragsstrafe in Höhe des Bruttoentgelts vor, das bis zum Ablauf der an sich maßgeblichen Kündigungsfrist zu zahlen gewesen wäre. Die Mitarbeiterin war der Auffassung, dass die Vertragsstrafe sie unangemessen benachteilige, da die Arbeitgeberin durch diese Klausel übersichert sei. Nach dem Wortlaut der Klausel schulde sie nicht nur das Bruttoentgelt, das noch bei Einhaltung der Kündigungsfrist gezahlt worden wäre, sondern ein Bruttomonatsentgelt. Im Wesentlichen war also streitig, ob der vorletzte oder der letzte Satz der Klausel maßgeblich ist.

Das Arbeitsgericht Freiburg hat die Klage abgewiesen. Das LAG Baden-Württemberg hat die Berufung der Arbeitgeberin zurückgewiesen.

III. Entscheidung

Auch das BAG sah den Anspruch der Arbeitgeberin als nicht gegeben an.

Der Arbeitsvertrag ist nach dem Recht der Allgemeinen Geschäftsbedingungen (AGB) zu beurteilen, da der Wortlaut von der Arbeitgeberin vorgegeben wurde und für eine Vielzahl an Fällen bestimmt ist. Eine der zentralen Regelungen des Rechts der AGB ist § 307 Abs. 1 S. 1 BGB. Hiernach sind Bestimmungen in AGB unwirksam, wenn sie den Vertragspartner (Mitarbeiterin) des Verwenders (Arbeitgeberin) entgegen den Geboten von Treu und Glauben unangemessen benachteiligen. Dies wird u.a. dann angenommen, wenn der Verwender der AGB übersichert wird, diesem also Rechte eingeräumt werden, die nicht interessengerecht sind. Dies hat das BAG vorliegend so gesehen.

Das BAG hat die hier maßgebliche Klausel so verstanden, dass die Mitarbeiterin im Falle einer durch sie ausgesprochenen fristlosen Kündigung zur Zahlung einer Vertragsstrafe in Höhe eines Bruttomonatsgehalts verpflichtet gewesen wäre (letzter Satz der Klausel). Nur für die Fälle der verspäteten Arbeitsaufnahme und der vorübergehenden Arbeitsverweigerung sei die Vertragsstrafe auf das Arbeitsentgelt beschränkt, dass bei Einhaltung der gesetzlichen Mindestkündigungsfrist zu zahlen gewesen wäre. Eine fristlose Kündigung sei aber keine vorübergehende Arbeitsverweigerung, sondern endgültig. Dementsprechend wäre die Mitarbeiterin also zur Zahlung eines Bruttomonatsgehalts als Vertragsstrafe verpflichtet gewesen, obwohl sie selbst bei Einhaltung der maßgeblichen Kündigungsfrist nur noch Gehalt für 14 Tage erhalten hätte. Die Vertragsstrafe betrug das Doppelte des Entgelts für die Kündigungsfrist. In so einem Fall erachtet die Rechtsprechung die Vertragsstrafe regelmäßig als unangemessene Benachteiligung.

Dies wurde auch nicht dadurch geändert, dass die Arbeitgeberin die Klausel selber so verstand, dass sie lediglich das Gehalt für zwei Wochen als Vertragsstrafe fordern kann und den entsprechenden Betrag eingeklagt hat.

Das BAG deutete zudem noch an, dass es weitere Zweifel an der Wirksamkeit der Klausel hat, da nicht eindeutig festgelegt sei, dass die Vertragsstrafe nur dann verwirkt ist, wenn der Mitarbeiter fristlos kündigt, ohne dass hierfür ein wichtiger Grund vorgelegen hat. Wenn die Vertragsstrafenklausel so zu verstehen ist, dass der Mitarbeiter auch dann eine Vertragsstrafe zu zahlen hat, wenn er fristlos kündigt und hierfür einen wichtigen Grunde i.S.d. § 626 BGB hatte, spricht nach Ansicht des BAG Einiges dafür, dass diese Klausel auch aus diesem Grund unwirksam ist. Wenn ein Arbeitgeber die Vertragspflichten so erheblich verletzt, dass der Mitarbeiter fristlos kündigen kann, soll der Mitarbeiter nicht zur Zahlung einer Vertragsstrafe verpflichtet sein.

IV. Praxishinweis

Die Entscheidung des BAG ist nicht sehr überraschend, verdeutlicht jedoch noch einmal, dass bei der Formulierung von Vertragsstrafenklauseln höchste Vorsicht geboten ist. Die Arbeitgeberin versuchte sich auch mit dem Argument zu verteidigen, dass die verwendete Klausel in Formularhandbüchern gebräuchlich sei. Auch dies hat jedoch auch nicht dazu geführt, dass das BAG die Klausel als wirksam erachtete. Wenn die Auslegung der Klausel ergibt, dass die Interessen des Mitarbeiters nicht hinreichend berücksichtigt sind, liegt eine unangemessene Benachteiligung und damit Unwirksamkeit der Klausel nahe. In diesem Fall stellt die Vertragsstrafenklausel nicht länger das erhoffte Druckmittel dahingehend dar, dass der Mitarbeiter sich an seine vertraglichen Verpflichtungen hält, sondern ist nur noch ein ausgesprochen stumpfes Schwert.

Bundesarbeitsgericht (BAG), Urteil vom 17. März 2016 (8 AZR 665/14)


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