Wertberichtigungen auf die durch das Gesellschaftsverhältnis veranlassten Darlehensforderungen als vGA
- Eine vGA an eine dem Gesellschafter nahe stehende Kapitalgesellschaft setzt nicht voraus, dass der Gesellschafter in der vorteilsgewährenden oder der empfangenden Kapitalgesellschaft eine beherrschende Stellung innehat.
- Wurde eine durch das Gesellschaftsverhältnis veranlasste, nicht vollwertige Darlehensforderung im Jahr der Darlehensgewährung fehlerhaft nicht wertberichtigt und wird die Wertberichtigung aufgrund des Grundsatzes des formellen Bilanzzusammenhangs in einem nachfolgenden Veranlagungszeitraum nachgeholt, so kann die Nachholung in dem nachfolgenden Veranlagungszeitraum zu einer vGA führen.
- Reicht der Steuerpflichtige mit der Steuererklärung zunächst einen formnichtigen Jahresabschluss ein und ersetzt er diesen später durch einen wirksamen Jahresabschluss, ist für die Übereinstimmung der steuerlichen mit der handelsrechtlichen Wahlrechtsausübung nach § 5 Abs. 1 Satz 2 EStG auf den wirksamen Jahresabschluss abzustellen.
Die Klägerin, eine GmbH, ist seit August 2003 Rechtsnachfolgerin der 1990 gegründeten X-GmbH, die in den Streitjahren (1995 bis 1999) im Bereich der Entsorgung von Bau- und Industrieabfällen tätig war. Gesellschafter der X-GmbH waren zunächst A mit einem Anteil von 30 %, B mit 35 %, C mit 25 % und D mit 10 %. Nachdem der Gesellschaftsanteil des C im Jahr 1996 eingezogen worden war, änderte sich die Beteiligungsquote des A auf 40 %, die des B auf 46,7 % und die des D auf 13,3 %. Geschäftsführer der X-GmbH waren in den Streitjahren A und B. A, B und C waren außerdem mit Beteiligungsquoten von jeweils 25 % Gesellschafter der 1991 gegründeten Y-GmbH; A und B waren bis April 1998 Geschäftsführer auch der Y-GmbH.
Die X-GmbH gewährte der Y-GmbH seit 1992 fortlaufend Kredite, für die teilweise weder Laufzeiten noch Rückzahlungsmodalitäten vereinbart waren; von 1995 bis 1997 übernahm die X-GmbH auch laufende Verbindlichkeiten der Y-GmbH. An Kreditzinsen berechnete die X-GmbH der Y-GmbH 8 % p.a., auch soweit ein Zinssatz von 10 % p.a. vereinbart war. Ein im September 1998 gestellter Antrag auf Eröffnung des Gesamtvollstreckungsverfahrens über das Vermögen der Y-GmbH wurde im April 1999 mangels Masse abgelehnt. In ihren Bilanzen auf den 31. Dezember 1995 und auf den 31. Dezember 1998 nahm die X-GmbH in Höhe der zu diesen Zeitpunkten offenen Darlehensforderungen Teilwertabschreibungen (1995: 280.000 DM; 1998: 198.767 DM) vor.
Im Rahmen einer Außenprüfung reichte die X-GmbH Ende 2000/Anfang 2001 beim FA neue Jahresabschlüsse betreffend die Streitjahre 1995 bis 1998 ein, weil die ursprünglich mit den Steuererklärungen vorgelegten Jahresabschlüsse mangels nach § 316 des Handelsgesetzbuchs (HGB) erforderlicher Abschlussprüfungen nichtig gewesen seien. In den neu vorgelegten Bilanzen machte sie Sonderabschreibungen nach dem FördG, die in den ursprünglichen Bilanzen berücksichtigt waren, nicht mehr geltend. Das FA legte der ertragsteuerlichen Behandlung der Streitjahre die ursprünglich eingereichten Bilanzen zu Grunde; außerdem rechnete es dem Gewinn der Klägerin für 1995 und 1998 die abgeschriebenen Darlehensforderungen gegen die Y-GmbH als vGA hinzu. Die hiergegen gerichtete Klage hat das Sächsische Finanzgericht (FG) mit Urteil vom 19. Dezember 2006 2 K 1763/03 abgewiesen.
Die Revision hat teilweise Erfolg (BFH Urteil vom 08.10.2008 - I R 61/07, BStBl II 2011, 62) und führt insoweit zur Zurückverweisung der Sache; im Hinblick auf die angefochtenen Bescheide für das Streitjahr 1999 ist die Revision unbegründet und deshalb zurückzuweisen, da der gegebenenfalls zu erlassende Feststellungsbescheid über den verbleibenden Verlustabzug zum 31. Dezember 1998 Grundlagenbescheid für die Festsetzung von Körperschaftsteuer und Solidaritätszuschlag 1999 wäre, würde sein Erlass bzw. seine Änderung dazu führen, dass das FA die Folgebescheide von Amts wegen zu ändern hätte.
Im Hinblick auf die übrigen Bescheide ist die Revision begründet und führt zur Aufhebung des angefochtenen Urteils und zur Zurückverweisung der Sache an das FG zur anderweitigen Verhandlung und Ent-scheidung. Zwar hat das FG die Teilwertabschreibungen auf die der Y-GmbH gewährten Darlehen ohne Rechtsfehler als vGA gewertet. Jedoch hat die Vorinstanz die Bindung der X-GmbH an die ursprüngliche Ausübung der Wahlrechte nach dem Fördergebietsgesetz mit unzutreffender Begründung bejaht; ob und inwieweit die Klage insoweit erfolgreich ist, bedarf indes noch weiterer tatrichterlicher Feststellungen. Die Annahme des FG, die in den Streitjahren 1995 und 1998 von der X-GmbH vorgenommenen Teilwertabschreibungen auf die gegen die Y-GmbH gerichteten Darlehensforderungen seien vGA, hält den Revisionsangriffen stand.
Eine vGA kann auch dann in Betracht kommen, wenn die Zuwendung nicht unmittelbar an den Gesellschafter, sondern an eine ihm nahe stehende Person bewirkt wird. Entscheidend ist in diesem Fall, ob die Kapitalgesellschaft dem Dritten einen Vermögensvorteil zugewendet hat, den sie bei Anwendung der Sorgfalt eines ordentlichen und gewissenhaften Geschäftsleiters einer Person, die dem betreffenden Gesellschafter nicht nahe steht, nicht gewährt hätte.
Da das "Nahestehen" lediglich ein Indiz für eine Veranlassung durch das Gesellschaftsverhältnis ist, reicht zu dessen Begründung jede Beziehung zwischen einem Gesellschafter und dem Dritten aus, die den Schluss zulässt, sie habe die Vorteilszuwendung der Kapitalgesellschaft an den Dritten beeinflusst. Derartige Beziehungen können familienrechtlicher, gesellschaftsrechtlicher, schuldrechtlicher oder auch rein tatsächlicher Art sein.
Bei der Y-GmbH als Darlehensempfängerin hat es sich auf der Grundlage der vom FG getroffenen Feststellungen um eine den Gesellschaftern A und B nahe stehende Person gehandelt. Als solche kommen auch Kapitalgesellschaften in Betracht, an denen ein oder mehrere Gesellschafter der vorteilsgewährenden Kapitalgesellschaft beteiligt sind. Das war hier im Hinblick auf A und B der Fall, die sowohl Gesellschafter der X-GmbH als auch Gesellschafter der Y-GmbH gewesen sind.
Nach den Darlegungen im angefochtenen Urteil hätte ein ordentlicher und gewissenhafter Geschäftsleiter der X-GmbH die später wertberichtigten, unzureichend abgesicherten Darlehen an eine nicht mit den Gesellschaftern verbundene fremde Kapitalgesellschaft in der prekären wirtschaftlichen Lage der Y-GmbH nicht ausgereicht. An diese Feststellungen, die nicht gegen Denkgesetze oder allgemeine Erfahrungssätze verstoßen, ist der Senat gemäß § 118 Abs. 2 FGO gebunden.
Die Schlussfolgerung des FG, die Wertberichtigungen auf die sonach durch das Gesellschaftsverhältnis veranlassten Darlehensforderungen führten zu vGA, steht im Einklang mit der Senatsrechtsprechung; danach kann eine vGA vorliegen, wenn eine Kapitalgesellschaft ihrem Gesellschafter oder einer diesem nahe stehenden Person aus im Gesellschaftsverhältnis liegenden Gründen ein ungesichertes Darlehen gegeben hat und sie die Darlehensforderung in der Folge auf einen niedrigeren Teilwert abschreiben muss.
Begründet ist die Revision indes, soweit das FG angenommen hat, die X-GmbH sei an die in den ursprünglich mit den Steuererklärungen eingereichten Bilanzen ausgeübten Wahlrechte nach dem Fördergebietsgesetz gebunden. Die vom FG hierfür gegebene Begründung hält der rechtlichen Prüfung nicht stand.
Quelle: Udo Cremer
Der Autor:
Udo Cremer ist geprüfter Bilanzbuchhalter (IHK) und hat die Steuerberaterprüfung mit Erfolg abgelegt. Er ist als Dozent für Steuer- und Wirtschaftsrecht tätig und veröffentlicht seit mehreren Jahren praxisorientierte Fachbücher zu den Themen Buchführung, Kostenrechnung, Preiskalkulation, Kennzahlen, Jahresabschluss und Steuerrecht. Daneben wirkt er als Autor an zahlreichen Fachzeitschriften und Loseblattsammlungen im Bereich der Buchhaltung und des Steuerrechts mit.