27.05.2019 — Tobias Weilandt. Quelle: Verlag Dashöfer GmbH.
Mit Worten können wir nicht nur etwas tun - z.B. uns entschuldigen, bedanken oder eine Person als Ehepartner*in nehmen - sondern auch etwas antun. Sprache kann also selbst ein Medium der Gewaltausübung sein. Dank der Philosophen John L. Austin und John R. Searle und deren Begriff des “performativen Sprechakts” wissen wir, Worte sind eben nicht nur Schall und Rauch, wie es uns ein Sprichwort weiß machen will. Wir sagen etwas und vollziehen damit eben jene Handlung, die mit der Äußerung beschrieben wurde. Bestes Beispiel ist das Ja-Wort vor dem Traualtar. Mit dem traditionellem “Ja, ich will!” wird schlussendlich eine (kirchliche) Ehe geschlossen mit allen anschließenden ehelichen Tugenden, wie Treue, Liebe, gegenseitige Wertschätzung und Freiwilligkeit.
Allerdings können uns Worte keine Schnittwunden zufügen, den Arm brechen oder einen Finger verdrehen. Worte lassen den Körper nicht bluten - zumindest nicht im physischen Sinne. Dennoch wissen wir: Worte können uns treffen. Soziale Konflikte werden alltäglich mit Sprache ausgetragen, gerade weil sprachliche Gewalt in gewissem Sinne “unsichtbar” bleibt. Insbesondere sprachliche Mittel, wie Ironie oder Anspielungen, treten dabei “kostümiert” auf. Eine Aussage, wie: “Du bist ist echt schlau, dafür dass Du nicht einmal ein Abitur hast.”, mag erst einmal wie ein Lob klingen. Dennoch spielt sie mit einem Stereotypen, nach dem Schulabgänger*innen nach der zehnten Klasse über weniger Bildung und daran anknüpfend auch weniger Intelligenz verfügen. Die Missachtung wird dadurch nicht so offensichtlich, wie bei der direkten Beleidigung, wie “Du bist einfach dumm!”. Für die Urteilenden bietet sich bei der scheinbar nicht eindeutigen Aussage der Vorteil, sich nur für das “Lob” verantworten zu müssen und behaupten zu können, sie hätten es “allein positiv gemeint”.
Wird dann noch der Effekt der Aussage den Verletzten untergeschoben - “Was bist Du denn jetzt so beleidigt?” oder “Ich habe es doch nur gut gemeint!” - wird die Macht der Sprache als Werkzeug der Gewalt von den Angreifenden geleugnet.
Eine Antwort auf diese Frage liefert die Philosophin Petra Gehring, die behauptet: “Im Moment der sprachlichen Verletzung wirkt nicht die Sprache verletzend, sondern in einem solchen Moment fungiert die Sprache als Ding.” Wer kennt sie nicht, die blinde Wut oder die bloße Gemeinheit, jemand anderem weh zu tun? Was dabei gesagt wird, ist beinahe zweitrangig. Denn nun geht es nur noch darum, verbal auszuteilen. Statt zu bluten, wird die Angegriffenen rot, senken den Kopf. Der Blutdruck steigt und ähnliche Körperreaktionen sind zu beobachten. Die Sprache wirkt hier wie ein echter Gegenstand, dessen Wirkung sich an unterschiedlichsten physiologischen Merkmalen zeigt.
Behalten Sie das also im Hinterkopf, wenn Sie mit Mitmenschen, Kolleg*innen und Mitarbeiter*innen sprechen. Worte können verletzen und sollten deshalb stets gut gewählt sein. Die schlimmste Form der Mißachtung bleibt allerdings das Schweigen. Reden Sie miteinander!
Bild: Free-Photos (Pixabay, Pixabay License)
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