09.08.2016 — Udo Cremer. Quelle: Verlag Dashöfer GmbH.
Die Mutter der Klägerin, Frau A, war Eigentümerin eines bebauten Grundstücks (Grundstück). In dem Gebäude, das aus einem straßenseitigen Gebäudetrakt und einem Anbau besteht, befanden sich ein Pensionsbetrieb, vermietete Ladenräume und Wohnungen sowie privat genutzte Wohnräume. A führte bis zum 30.4.1970 den Pensionsbetrieb selbst. Anschließend verpachtete sie ihn und nur diesen durchgehend an verschiedene Pächter, zuletzt im Zeitraum April 1980 bis 1.5.2001 an den Ehemann der Klägerin. A erklärte die Einkünfte aus dem Pensionsbetrieb sowie der Vermietung der Ladenräume und Wohnungen unter der Bezeichnung "Fremdenheim-Verpachtung" als Einkünfte aus Gewerbebetrieb.
Mit notariellem Vertrag vom 4.12.1985 übertrug A das Grundstück mit Wirkung zum 1.1.1986 auf die Klägerin. Die Vertragsparteien gingen von einem Wert des übertragenen Grundbesitzes von 2,2 Mio. DM aus. Der Vertrag enthält in III. unter der Überschrift "Gegenleistungen" folgende Regelung: "Die vom Erwerber für die heutige Überlassung zu erbringenden Gegenleistungen und sonstigen Leistungen, wie auch die Schuldübernahme, sind in Abschnitt VIII bis XI dieser Urkunde niedergelegt sowie in Abschnitt XII. Soweit der Wert des übertragenen Grundbesitzes die Gegenleistungen übersteigt, wird der Mehrwert im Weg der vorweggenommenen Erbfolge übertragen."
Im Einzelnen handelte es sich bei den (Gegen-)Leistungen um ein dingliches Wohnrecht für A und deren Ehemann im Rückgebäude, die Übernahme der Instandhaltungskosten und der laufenden Kosten für diese Räume, Pflege im Alter und bei Krankheit, Übernahme der Krankheits- und Sterbefallkosten, eine monatliche Versorgungsrente, ein bedingtes und befristetes Wohnrecht für einen Bruder der Klägerin und das Vorhalten eines Gästezimmers für etwaigen Besuch. Ferner übernahm die Klägerin die auf dem Grundstück lastenden Grundpfandrechte und die ihnen wirtschaftlich zugrunde liegenden Forderungen sowie etwaige Steuerrückstände der A aus dem Gewerbebetrieb für die Jahre 1984 und 1985 und verpflichtete sich, die (fünf) Geschwister in einer dem Pflichtteil entsprechenden Höhe abzufinden. Inwieweit die Klägerin tatsächlich Zahlungen an die Geschwister geleistet hat, ist bislang nicht geklärt. Am 11.4.1986 ließen A und die Klägerin einen Nachtrag beurkunden, in dem sie das dingliche Wohnrecht der A aufhoben und stattdessen ein rein schuldrechtliches Wohnrecht vereinbarten. Der Ehemann der A war mittlerweile verstorben. Ferner erließ die Klägerin als "zusätzliche Gegenleistung" der A im Hinblick auf die Übergabe des Grundstücks eine Darlehensschuld in Höhe von 245.000 DM.
Nach eigener Darstellung hatten die Klägerin und ihr Ehemann in den Jahren zuvor auf eigene Kosten und ohne Entschädigung "darlehensweise" Renovierungs- und Erneuerungsarbeiten in der Pension vorgenommen. Die Klägerin erklärte die Einkünfte aus der Verpachtung des Pensionsbetriebs ebenso wie die Vermietungseinkünfte zunächst weiterhin als Einkünfte aus Gewerbebetrieb und führte die Buchwerte der A fort. Den betrieblich genutzten Anteil des Gebäudes gab sie entsprechend dem Verhältnis der Nutzflächen mit 76,65 % an. Erstmals im Rahmen der Einkommensteuererklärung 2000, die am 21.5.2002 beim FA einging, erklärte sie diese Einkünfte als solche aus Vermietung und Verpachtung. Mit notariellem Kaufvertrag vom 20.11.2001 veräußerte sie das Grundstück einschließlich des betrieblichen Inventars zu einem Gesamtkaufpreis von 1.800.000 DM an einen fremden Dritten. Nutzen und Lasten gingen für den Pensionsbetrieb sofort, im Übrigen mit Kaufpreiszahlung (im Folgejahr) über.
Das FA vertrat die Auffassung, es habe sich bei dem verpachteten Pensionsbetrieb bis 2001 um einen fortgeführten Gewerbebetrieb gehandelt. Das FA erließ für die Streitjahre 2001 und 2002 im Wege der Schätzung Bescheide über die gesonderte Feststellung des Gewinns, die einen Veräußerungsgewinn erfassten und diesen wegen des zeitlich versetzten Übergangs von Nutzen und Lasten im Verhältnis 80 : 20 auf die Streitjahre verteilte. Dem Einspruch der Klägerin gab das FA lediglich insoweit statt, als es aufgrund des Übergabevertrags und der Nachtragsvereinbarung die bei Ermittlung des Veräußerungsgewinns anzusetzenden Buchwerte des Grund und Bodens sowie verschiedener Gebäudeteile aufstockte und dadurch die Veräußerungsgewinne reduzierte.
Mit der Klage wandte sich die Klägerin gegen die Berücksichtigung eines Veräußerungsgewinns dem Grunde nach. Bereits A habe das Verpächterwahlrecht nicht zugestanden, da die Ladengeschäfte und Wohnungen als Bestandteile des Gewerbebetriebs nicht mitverpachtet gewesen seien. Spätestens die Übertragung des Grundstücks an die Klägerin habe es beendet. Das FG hat in seinem in Entscheidungen der Finanzgerichte 2014, 334 veröffentlichten Urteil der Klage stattgegeben. Das Verpächterwahlrecht habe zwar A noch zugestanden, aber nicht mehr der Klägerin.
Auf die Revision des FA ist das FG-Urteil aufzuheben (BFH Urteil vom 6.4.2016, X R 52/13). Durch die mit Kaufvertrag vom 20.11.2001 bewirkte Veräußerung eines verpachteten Gewerbebetriebs ist bei der Klägerin ein Veräußerungsgewinn entstanden, der nach § 16 Abs. 1 Satz 1 Nr. 1 i.V.m. Abs. 2 Satz 1, 2 EStG dem Grunde nach zu versteuern ist. Der Senat vermag anhand der Feststellungen des FG jedoch nicht zu beurteilen, in welcher Höhe und in welchem Jahr mit welchem Anteil dieser Gewinn zu erfassen ist.
Nach ständiger höchstrichterlicher Rechtsprechung hat die Verpachtung eines Betriebs regelmäßig noch nicht dessen Aufgabe und damit auch nicht die Versteuerung der stillen Reserven zur Folge. Die Verpachtung des Gewerbebetriebs ohne Überführung der Wirtschaftsgüter in das Privatvermögen stellt für den Verpächter grundsätzlich die Fortführung des Gewerbebetriebs in anderer Form dar und bewirkt einkommensteuerlich keine Änderung der Einkunftsart. Geht ein bereits verpachteter Betrieb auf einen Rechtsnachfolger über, hängt die Frage, ob das Verpächterwahlrecht auf diesen übergeht, von der (Un-)Entgeltlichkeit des Vorgangs ab. Klarstellend weist der Senat indes darauf hin, dass die im Streitfall maßgebende Frage, welche Regeln bei dem Übergang eines verpachteten Betriebs gelten, von der im Streitfall nicht maßgebenden Frage zu unterscheiden ist, ob dem entgeltlichen oder unentgeltlichen Erwerber eines nicht verpachteten Betriebs sogleich nach Erwerb das Verpächterwahlrecht zusteht. Wird ein Betrieb teilentgeltlich übertragen, setzt der Erwerber das Verpächterwahlrecht fort. Die Beendigung des Verpächterwahlrechts im Falle teilentgeltlicher Übertragung widerspräche auch der in wirtschaftlicher Hinsicht mit der Betriebsverpachtung im Ganzen verfolgten Zielstellung, im Falle der möglichen Wiederaufnahme des Betriebs die Aufdeckung der nicht realisierten stillen Reserven zu vermeiden, sofern diese steuerverhaftet bleiben.
Nach diesen Maßstäben hatten sowohl A als auch die Klägerin in Ausübung des ihnen zustehenden Verpächterwahlrechts die Pension sowie die vermieteten Ladengeschäfte und Wohnräume als Verpachtungsbetrieb geführt. Damit befand sich der Verpachtungsbetrieb im Betriebsvermögen der Klägerin, so dass der durch die Veräußerung 2001 entstandene Veräußerungsgewinn nach § 16 Abs. 2 EStG zu versteuern ist.
Der Autor:
Udo Cremer ist geprüfter Bilanzbuchhalter (IHK) und hat die Steuerberaterprüfung mit Erfolg abgelegt. Er ist als Dozent für Steuer- und Wirtschaftsrecht tätig und veröffentlicht seit mehreren Jahren praxisorientierte Fachbücher zu den Themen Buchführung, Kostenrechnung, Preiskalkulation, Kennzahlen, Jahresabschluss und Steuerrecht. Daneben wirkt er als Autor an zahlreichen Fachzeitschriften und Loseblattsammlungen im Bereich der Buchhaltung und des Steuerrechts mit.
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