11.01.2012 — Online-Redaktion Verlag Dashöfer. Quelle: Taylor Wessing Deutschland.
Bis zur Entscheidung des Bundesarbeitsgerichts im März 2009 war die Rechtslage hinsichtlich des Verfalls des Urlaubsanspruchs klar. Nach § 7 Abs. 3 Bundesurlaubsgesetz (BUrlG) geht der Urlaubsanspruch am Ende des ersten Quartals des Folgejahres unter, dies galt auch für Langzeiterkrankte. In Umsetzung der Schultz-Hoff-Entscheidung des Europäischen Gerichtshofs (EuGH, 20.01.2009 – C-350/06 und C-520/06) hat das BAG allerdings entschieden, dass die Urlaubsansprüche dann nicht mehr verfallen, wenn der Arbeitnehmer infolge Krankheit daran gehindert war, den Urlaub auch tatsächlich zu nehmen (BAG, Urteil vom 24.03.2009 – Az.: 9 AZR 983/07). Das BAG wendet § 7 Abs. 3 BUrlG auf Urlaubsansprüche langzeiterkrankter Mitarbeiter nicht mehr an. Dies betrifft den gesetzlichen Mindesturlaub; ist aber im Arbeitsvertrag keine Differenzierung zwischen gesetzlichem und vertraglichem Urlaub vorgesehen, wie bei älteren Verträgen praktisch immer, auch den zusätzlich vertraglich eingeräumten Urlaub.
Im November 2011 hat der EuGH seine Rechtsprechung allerdings präzisiert. Im Hinblick darauf, dass bei einem jahrelangen, unbegrenzten Ansammeln von Urlaubsansprüchen der Erholungszweck des Urlaubs nicht mehr erreicht werde, hat der EuGH entschieden, dass durch eine nationale Regelung die Möglichkeit der Ansammlung des Urlaubs während eines Zeitraums der Arbeitsunfähigkeit zeitlich begrenzt werden kann. Eine derartige Frist müsse aber die Dauer des Bezugszeitraums, an den sie anknüpfe, deutlich überschreiten. Im entschiedenen Fall hatte der EuGH eine Verfallfrist von 15 Monaten in einem auf das Arbeitsverhältnis anwendbaren Tarifvertrag gebilligt.
Diskutiert wird nun, ob im Hinblick auf dieses Urteil schon durch Auslegung oder Rechtsfortbildung des § 7 Abs. 3 BUrlG, und ohne eine entsprechende Regelung, eine Verfallfrist von 15 Monaten angenommen werden kann.
Der Kläger war seit 2006 bis zur Beendigung seines Arbeitsverhältnisses am 30. November 2010 arbeitsunfähig erkrankt. Er verlangt Abgeltung von Urlaubsansprüchen der Jahre 2007 bis 2009.
Das LAG Baden-Württemberg hat dem Kläger lediglich den Urlaubsabgeltungsanspruch für das Jahr 2009 zugesprochen. Die Urlaubsansprüche aus den Jahren 2007 und 2008 seien hingegen zum Zeitpunkt des Ausscheidens bereits verfallen gewesen.
Nach der Entscheidung des EuGH vom 22. November 2011 sei eine Ansammlung von Urlaubsansprüchen nicht geboten und eine nationale Regelung mit einer Begrenzung des Übertragungszeitraums von 15 Monaten europarechtlich nicht zu beanstanden. Eine Abweichung von der Regelung in § 7 Abs. 3 BUrlG im Wege unionsrechtlicher Rechtsfortbildung durch die nationale Rechtsprechung sei nur legitimiert, soweit dies das Unionsrecht gebiete. Urlaubsansprüche gingen daher bei durchgängiger Arbeitsunfähigkeit spätestens 15 Monate nach Ende des Urlaubsjahres unter und seien bei einer späteren Beendigung des Arbeitsverhältnisses nicht abzugelten.
Zum Zeitpunkt der Erstellung des Newsletters liegt zu dem besprochenen Urteil lediglich die kurze Pressemitteilung vor. Ob Revision gegen das Urteil eingelegt wird, bleibt abzuwarten. Der Ansatz des LAG Baden-Württemberg, soweit er aus der Pressemitteilung ersichtlich ist, würde für Arbeitgeber Erleichterung bringen und die Probleme, die sich derzeit in der Praxis hinsichtlich des Ansammelns der Urlaubsansprüche Langzeiterkrankter vielfach ergeben, deutlich entschärfen. Zu berücksichtigen ist aber, dass bereits vor dem Urteil des LAG Baden-Württemberg Zweifel geäußert wurden, ob die neue Konkretisierung des EuGH durch die deutsche Rechtsprechung dergestalt umgesetzt werden kann, dass die in § 7 Abs. 3 BUrlG genannten drei Monate nunmehr einfach als fünfzehn Monate gelesen werden.
Quelle: Taylor Wessing
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