10.06.2014 — Online-Redaktion Verlag Dashöfer. Quelle: Verwaltungsgericht Darmstadt.
Eine junge Darmstädterin hatte sich um die Zulassung zur Ausbildung für den gehobenen Polizeivollzugsdienst bei der Bundespolizei beworben. Nachdem bekannt geworden war, dass die Bewerberin am rechten Unterarm eine großflächige Tätowierung trägt, war ihr seitens der Bundespolizeiakademie die Zulassung zu dem der Einstellung vorgeschalteten Eignungsauswahlverfahren versagt worden. Zur Begründung war darauf hingewiesen worden, dass nach den einschlägigen Richtlinien jedwede Tätowierung, die beim Tragen der Uniform – wozu auch das kurzärmelige Sommerhemd gehöre – sichtbar sei, einer Einstellung in den Dienst der Bundespolizei entgegenstehe.
Nach Auffassung des Dienstherrn, der Bundesrepublik Deutschland, sei die Uniform Ausdruck der Legitimation und der Neutralität des Polizeibeamten. Diese könnten durch eine Tätowierung beeinträchtigt werden. Bei Einsätzen mit Gefährdungs- und Konfliktpotenzialen gehe es darum, möglichst keine Ansätze für Provokationen zu bieten. Sichtbare Tätowierungen könnten das Misstrauen des Bürgers schüren, weil sie als Zeichen eines gesteigerten Erlebnisdrangs verstanden werden könnten. Solche Tätowierungen würden eine überzogene Individualität zum Ausdruck bringen, die die Toleranz anderer übermäßig beanspruche.
Gegen diese Entscheidung wandte sich die abgelehnte Bewerberin und beantragte bei Gericht im Wege des einstweiligen Rechtsschutzverfahrens, ihr die Teilnahme am Eignungsauswahlverfahren zu ermöglichen. Ihrer Auffassung nach verletze die behördliche Entscheidung ihre verfassungsmäßigen Rechte, nämlich das Recht auf freie Entfaltung ihrer Persönlichkeit (Art. 2 Abs. 1 Grundgesetz), das Recht auf Berufsfreiheit (Art. 12 Abs. 1 Grundgesetz) und das Recht auf Zugang zu jedem öffentlichen Amt nach Maßgabe von Eignung, Befähigung und fachlicher Leistung (Art. 33 Abs. 2 Grundgesetz). Die Ansicht der Behörde lasse außer Acht, dass sich in jüngerer Zeit sowohl in der Bevölkerung als auch im Polizeidienst die Vorstellungen über Tätowierungen als „Körperschmuck“ entscheidend geändert haben dürften. Immer mehr jüngere und auch ältere Menschen ließen sich – für alle sichtbar – tätowieren, dies sei Ausdruck des allgemeinen Persönlichkeitsrechts und Zeichen eines gesellschaftlichen Wandels.
Das Gericht ist dieser Argumentation der Antragstellerin im Ergebnis nicht gefolgt. Zwar sei es richtig, dass Tätowierungen heutzutage nicht mehr nur in Seefahrer- und Sträflingskreisen anzutreffen seien, sondern in den verschiedensten Gesellschaftsschichten, insbesondere auch in Kreisen der Sportler, bei Künstlern und anderen Prominenten. Hieraus könne jedoch nicht abgeleitet werden, dass in der Gesellschaft in ihrer Gesamtheit ein Wechsel der entsprechenden Anschauungen stattgefunden habe mit der Folge, dass auch bei einem Polizisten als Repräsentant des Staates eine großflächige Tätowierung allgemein toleriert werde.
Besondere Bedeutung gewinne in diesem Zusammenhang die Aufgabenstellung der Bundespolizei. Diese sei unter anderem zuständig für den grenzpolizeilichen Schutz des Bundesgebietes und die polizeiliche Kontrolle des grenzüberschreitenden Verkehrs, ihr oblägen die Aufgaben der Bahnpolizei, sie sei zuständig für Sicherheitsmaßnahmen an Bord von Flugzeugen und sie unterstütze das Auswärtige Amt beim Schutz deutscher diplomatischer Vertretungen im Ausland. Häufig seien demnach die Beamtinnen und Beamten der Bundespolizei die ersten Vertreter des deutschen Staates, die einreisende Ausländer wahrnehmen würden. Vor diesem Hintergrund sei es nach Auffassung des Gerichts nachvollziehbar, wenn der Dienstherr Regelungen erlasse, die dazu dienen sollten, die Neutralitätsfunktion der Polizeiuniform sicherzustellen und einem zu befürchtenden Verlust von Autorität wegen großflächiger Tätowierungen vorzubeugen.
Auch die weitere Erwägung des Dienstherrn, derartige Tätowierungen könnten Anlass zu Provokationen bieten und seien geeignet, die Toleranz anderer übermäßig zu beanspruchen, halte sich nach Ansicht des Gerichts im Rahmen der dem Dienstherrn vorbehaltenen Eignungsprognose, denn fraglos böten solche Tätowierungen eines Polizeibeamten Ansatzpunkte für Diskussionen, die letztendlich dazu führen könnten, dass der Uniformträger wegen seines äußeren Erscheinungsbildes abgelehnt werde.
Dies bedeute allerdings nicht, dass heutzutage jedwede Tätowierung ungeachtet ihres Inhalts und ihrer äußeren Erscheinungsform einem Bewerber für den Dienst bei der Bundespolizei entgegengehalten werden könne. Absolute Einstellungshindernisse seien demnach Tätowierungen mit einem nicht akzeptablen Inhalt, also beispielsweise solche gewaltverherrlichender, sexistischer oder allgemein die Menschenwürde verletzender Art, aber auch solche, die Symbole aufwiesen, die einen Bezug zu extremen politischen Auffassungen herstellten. Andererseits könne nicht mehr davon ausgegangen werden, dass dezente Tätowierungen von geringer Größe und ohne besondere Symbolik auch heute noch als Eignungsmangel angesehen werden könnten. Ein generelles Verbot jeglicher sichtbaren Tätowierung bei einem Bewerber für den Dienst bei der Bundespolizei lasse sich daher nicht mehr rechtfertigen.
Da es sich im Falle der Antragstellerin um eine großflächige Tätowierung des Unterarms gehandelt habe, habe das Gericht ihrem einstweiligen Rechtsschutzbegehren nicht entsprechen können. Alleine deren Größe berechtige den Dienstherrn im Rahmen der Interessenabwägung, die Antragstellerin nicht zur Ausbildung für den Polizeidienst zuzulassen.
Gegen den Beschluss des Verwaltungsgerichts kann binnen zwei Wochen nach Zustellung Beschwerde bei dem Hessischen Verwaltungsgerichtshof in Kassel eingelegt werden.
Die Entscheidung trägt das Aktenzeichen 1 L 528/14.DA.
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