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Steuerabzugsverfahren und Erstattungsanspruch

28.06.2011  — Udo Cremer.  Quelle: Verlag Dashöfer GmbH.

Ihr Steuer-Experte Udo-Cremer erläutert dieses Mal einen kniffeligen Fall zum Thema Steuerabzugsverfahren.

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Strittig ist, ob einem ausländischen (beschränkt steuerpflichtigen) Vergütungsgläubiger, dessen Vergütung dem inländischen Steuerabzugsverfahren unterworfen wurde, unter Hinweis auf beim Abzugsverfahren nicht berücksichtigte Betriebsausgaben ein eigenständiger Anspruch auf Freistellung und Erstattung der Abzugsteuer gegenüber dem Finanzamt zusteht

Die Klägerin, eine GmbH, betreibt ein Theaterunternehmen mit Sitz in Österreich. In der Zeit vom 24. November 2007 bis 18. Januar 2008 führte sie eine Theaterproduktion als Wiederholungstournee an verschiedenen Orten im Bundesgebiet auf, u.a. in der Zeit vom 6. Januar bis 14. Januar 2008 in X. Die beiden dortigen Vertragspartner der Klägerin haben den Steuerabzug nach § 50a Abs. 4 EStG 2002 i.d.F. bis zur Änderung durch das Jahressteuergesetz 2009 in Höhe von 15 % der Einnahmen der Klägerin vorgenommen, die einbehaltenen Körperschaftsteuern (3.259 € bzw. 6.519 €) beim FA angemeldet und entrichtet. Parallel dazu meldete die Klägerin für das erste Quartal 2008 als Vergütungsschuldnerin auf der sog. zweiten Ebene den Steuerabzug i.S. des § 50a Abs. 4 EStG 2002 a.F., für die von ihr an die beschränkt steuerpflichtigen Schauspieler als Vergütungsgläubiger gezahlten Vergütungen, in Höhe von 1.890 € Einkommensteuer (zzgl. 103 € Solidaritätszuschlag) an. Später beantragte die Klägerin beim FA unter Vorlage entsprechender Nachweise die Berücksichtigung von Aufwendungen (Honorare und Reisekosten der Schauspieler), die unmittelbar mit den Veranstaltungen zusammenhingen, durch Verrechnung dieser Aufwendungen mit den von ihren Vertragspartnern angemeldeten und entrichteten Steuerabzugsbeträgen.

Das FA wies die Klägerin darauf hin, dass Aufwendungen der ersten Ebene, die im Abzugsverfahren nicht angesetzt wurden, nur im Rahmen eines Freistellungs- und Erstattungsverfahrens nach § 50 Abs. 5 EStG 2002 a.F. beim Bundeszentralamt für Steuern berücksichtigungsfähig seien (für eine Vortournee hatte die Klägerin ein entsprechendes Erstattungsverfahren durchgeführt). Der beim FA gestellte Antrag wurde abgelehnt. Die Klage blieb erfolglos (Hessisches Finanzgericht --FG--, Urteil vom 17. Dezember 2009 4 K 2970/08, Entscheidungen der Finanzgerichte 2010, 1323). Die Klägerin beantragte die Zulassung zur Revision. Die Beschwerde wurde vom BFH als unbegründet zurückgewiesen (BFH-Beschluss vom 9.12.2010, I B 28/10).

Die Zulassung einer Revision erfordert, dass das FG bei gleichem oder vergleichbarem Sachverhalt in einer entscheidungserheblichen Rechtsfrage eine andere Rechtsauffassung vertritt als der BFH, der Gemeinsame Senat der obersten Gerichtshöfe des Bundes, der Gerichtshof der Europäischen Union, ein anderes oberstes Bundesgericht oder ein anderes FG. Daran fehlt es im vorliegenden Fall. So hat der EuGH mit Urteil vom 3. Oktober 2006 C-290/04 "Scorpio" (Slg. 2006, I-9461) entschieden, dass das Steuerabzugsverfahren bei beschränkt Steuerpflichtigen (und die damit einhergehende Haftung des Vergütungsschuldners) grundsätzlich mit EU-Recht, insbesondere der Dienstleistungsfreiheit gemäß Art. 49, Art. 50 des Vertrags zur Gründung der Europäischen Gemeinschaft, jetzt Art. 56, Art. 57 des Vertrags über die Arbeitsweise der Europäischen Union i.d.F. des Vertrags von Lissabon zur Änderung des Vertrags über die Europäische Union und des Vertrags zur Gründung der Europäischen Gemeinschaft (Amtsblatt der Europäischen Union 2007 Nr. C 306/01), vereinbar sind, sofern im Steuerabzugsverfahren die im unmittelbaren Zusammenhang mit der inländischen Tätigkeit stehenden Betriebsausgaben des beschränkt steuerpflichtigen EU/EWR-Vergütungsgläubigers, die er dem Vergütungsschuldner mitgeteilt hat, geltend gemacht werden können.

In diesem Zusammenhang hat der EuGH in Slg. 2006, I-9461, dort Tz. 51 ausgeführt: "Wenn die Betriebsausgaben, die der Dienstleister seinem Schuldner mitgeteilt hat, im Steuerabzugsverfahren steuermindernd berücksichtigt werden müssen, stehen die Artikel 59 und 60 EWG-Vertrag einer etwaigen Berücksichtigung weiterer Betriebsausgaben, die nicht unmittelbar ... mit der wirtschaftlichen Tätigkeit zusammenhängen, aus der die zu versteuernden Einkünfte erzielt worden sind, in einem anschließenden Erstattungsverfahren nicht entgegen."

Im Senatsurteil in BFHE 218, 89, BStBl II 2008, 95 heißt es dazu: "Hatte der beschränkt Steuerpflichtige allerdings Ausgaben, welche unmittelbar mit der wirtschaftlichen Tätigkeit zusammenhängen, aus der die zu versteuernden Einkünfte erzielt worden sind ..., so sind diese Ausgaben regelmäßig bereits im Rahmen des Abzugs- sowie des Haftungsverfahrens zu berücksichtigen, vorausgesetzt, sie wurden dem Vergütungsschuldner mitgeteilt. Weitere, nur mittelbar mit jener Tätigkeit zusammenhängende, Betriebsausgaben sind hingegen gegebenenfalls in einem anschließenden Erstattungsverfahren zu berücksichtigen."

Den Senatsurteilen in BFH/NV 2010, 1814 und in BFH/NV 2010, 2043 ist dazu zu entnehmen, dass es einer ausdrücklichen Mitteilung der Betriebsausgaben durch die Vergütungsgläubiger für eine Berücksichtigung als Ausdruck des sog. objektiven Nettoprinzips bei der Ermittlung der Abzugsteuer oder des Haftungsbetrags nicht bedarf, wenn der Vergütungsschuldner sichere Kenntnis des Betrags hat.

Wenn die Klägerin nun vorträgt, der EuGH habe als "klare Hierarchie" herausgearbeitet, dass unmittelbare Betriebsausgaben zwingend im Steuerabzugsverfahren zu berücksichtigen und zugleich dem Erstattungsverfahren entzogen seien, so dass die Erstattung einer Abzugsteuer bezogen auf unmittelbare Betriebsausgaben beim für das Abzugsverfahren zuständigen Finanzamt vollzogen werden müsste, ist dies kein entscheidungserheblicher Rechtssatz des EuGH-Urteils.

Nach der Rechtsprechung des EuGH ist es zur Herstellung der Gemeinschaftsrechtskonformität notwendig, aber auch ausreichend, wenn im Abzugsverfahren die im unmittelbaren Zusammenhang mit der steuerpflichtigen Tätigkeit stehenden, vom Vergütungsgläubiger "mitgeteilten" Betriebsausgaben berücksichtigt werden und im Übrigen in einem Erstattungsverfahren ein (weiterer) Ausgleich für den ausländischen Dienstleister zur Verfügung steht. Diesem (zweiten) Erfordernis wurde im Streitjahr einfachgesetzlich durch das (bisherige) Erstattungsverfahren des § 50 Abs. 5 Satz 2 Nr. 3 EStG 2002 a.F. Rechnung getragen. Hinzu kommt, dass es sich hierbei zwischenzeitlich um sog. ausgelaufenes Recht handelt. Denn für ab 2009 gezahlte Vergütungen (vgl. § 52 Abs. 58 Satz 3 EStG 2002 und § 84 Abs. 3h Satz 4 EStDV 2000, jeweils i.d.F. des Begleitgesetzes zur zweiten Föderalismusreform vom 10. August 2009, BGBl I 2009, 2702) ist an die Stelle des seinerzeitigen Erstattungsverfahrens das nunmehrige Antrags-Veranlagungsverfahren gemäß § 50 Abs. 2 Satz 2 Nr. 5 EStG 2002 sowie § 31 Abs. 1 Satz 1, § 32 Abs. 2 Nr. 2 i.V.m. Abs. 4 KStG 2002, jeweils i.d.F. des Jahressteuergesetzes 2009, getreten. Eine grundsätzliche Bedeutung der aufgeworfenen Rechtsfrage ist auch von daher nicht mehr gegeben.

Das (bisherige) Erstattungsverfahren ist im Übrigen in seiner Grundkonzeption nicht lückenhaft und konnte nach den Feststellungen des FG ungeachtet der einschränkenden Tatbestandsvoraussetzungen auch von der Klägerin in Anspruch genommen werden.

Quelle: Udo Cremer

Foto Udo Cremer Der Autor:

Udo Cremer ist geprüfter Bilanzbuchhalter (IHK) und hat die Steuerberaterprüfung mit Erfolg abgelegt. Er ist als Dozent für Steuer- und Wirtschaftsrecht tätig und veröffentlicht seit mehreren Jahren praxisorientierte Fachbücher zu den Themen Buchführung, Kostenrechnung, Preiskalkulation, Kennzahlen, Jahresabschluss und Steuerrecht. Daneben wirkt er als Autor an zahlreichen Fachzeitschriften und Loseblattsammlungen im Bereich der Buchhaltung und des Steuerrechts mit.
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