16.11.2011 — Online-Redaktion Verlag Dashöfer. Quelle: Bundesarbeitsgericht.
Die Zustimmung des Arbeitnehmers zur Beendigung des Arbeitsverhältnisses steht in der Regel im Gegenseitigkeitsverhältnis zu der Abfindungszusage des Arbeitgebers. Der Arbeitnehmer kann deshalb nach § 323 Abs. 1 BGB grundsätzlich vom Aufhebungsvertrag zurücktreten, wenn der Arbeitgeber die Abfindung nicht zahlt, das Rücktrittsrecht nicht ausdrücklich oder konkludent abbedungen ist und dem Arbeitgeber ohne Erfolg eine angemessene Frist zur Zahlung der Abfindung gesetzt wurde. Das Rücktrittsrecht aus § 323 Abs. 1 BGB setzt allerdings die Durchsetzbarkeit der Forderung voraus. Daran fehlt es, wenn der Schuldner nicht leisten muss oder nicht leisten darf.
Der im August 1950 geborene Kläger war seit Oktober 1973 bei der Schuldnerin bzw. ihrer Rechtsvorgängerin beschäftigt. Der am 1. Oktober 2007 geschlossene Aufhebungsvertrag sah zum einen die Beendigung des Arbeitsverhältnisses zum 31. Dezember 2008 und zum anderen eine Abfindung iHv. 110.500,00 Euro für den Verlust des Arbeitsplatzes vor, die mit der Vergütung für Dezember 2008 zu zahlen war. Am 5. Dezember 2008 beantragte die Schuldnerin die Eröffnung des Insolvenzverfahrens über ihr Vermögen. Das Insolvenzgericht bestellte mit Beschluss vom 8. Dezember 2008 den Beklagten zu 1. zum vorläufigen Insolvenzverwalter und ordnete zugleich an, dass Verfügungen der Schuldnerin über Gegenstände ihres Vermögens nur noch mit Zustimmung des Beklagten zu 1. wirksam sind. Am 16. Dezember 2008 forderte der Kläger die Schuldnerin erfolglos schriftlich zur fristgerechten Zahlung der Abfindung auf und übersandte dem Beklagten zu 1. eine Kopie des Schreibens. Nachdem er von der Schuldnerin nochmals ohne Erfolg die Zahlung der Abfindung bis spätestens 16. Januar 2009 verlangt hatte, erklärte der Kläger am 19. Januar 2009 schriftlich seinen Rücktritt vom Aufhebungsvertrag. Am 1. März 2009 wurde das Insolvenzverfahren eröffnet und der Beklagte zu 1. zum Insolvenzverwalter bestellt.
Mit seiner Klage hat der Kläger die Feststellungen beantragt, dass das Arbeitsverhältnis durch die Aufhebungsvereinbarung vom 1. Oktober 2007 nicht zum 31. Dezember 2008 beendet worden ist und die Beklagte zu 2. aufgrund eines Betriebsübergangs zum 22. April 2009 in die Rechte und Pflichten aus dem Arbeitsverhältnis eingetreten ist. Die Vorinstanzen haben der Klage stattgegeben.
Die Revision des Beklagten zu 1. und der Beklagten zu 2. hatte vor dem Sechsten Senat des Bundesarbeitsgerichts Erfolg. Die Klage ist unbegründet. Das Arbeitsverhältnis hat mit Ablauf des 31. Dezember 2008 geendet. Der Kläger ist nicht wirksam vom Aufhebungsvertrag zurückgetreten. Die Rücktrittsvoraussetzungen des § 323 Abs. 1 BGB lagen am 16. Januar 2009 nicht vor. Der Abfindungsanspruch war nicht durchsetzbar. Die Schuldnerin durfte die Abfindungssumme aufgrund der Anordnung des Insolvenzgerichts nicht ohne Zustimmung des Beklagten zu 1. an den Kläger zahlen. Darüber hinaus stand der Durchsetzbarkeit des Abfindungsanspruchs die „dolo-petit-Einrede“ entgegen. Der Kläger forderte mit der Abfindung eine Leistung, die er alsbald nach § 143 Abs. 1 InsO wegen Anfechtbarkeit der Abfindungszahlung zur Insolvenzmasse hätte zurückgewähren müssen. Gemäß § 130 Abs. 1 Nr. 2 InsO ist ua. eine Rechtshandlung anfechtbar, die einem Insolvenzgläubiger eine Befriedigung gewährt hat, wenn sie nach dem Eröffnungsantrag vorgenommen worden ist und wenn der Gläubiger zur Zeit der Handlung den Eröffnungsantrag kannte. Diese Voraussetzungen hätten bei einer Zahlung der Abfindung mit der Vergütung für Dezember 2008 vorgelegen. Die Beklagte zu 2. ist aufgrund der Beendigung des Arbeitsverhältnisses mit Ablauf des 31. Dezember 2008 nicht gemäß § 613a Abs. 1 Satz 1 BGB zum 22. April 2009 infolge Betriebsübergangs in die Rechte und Pflichten aus dem Arbeitsverhältnis eingetreten.
Quelle: Bundesarbeitsgericht, Urteil vom 10. November 2011 - 6 AZR 357/10 -
Vorinstanz: LAG Düsseldorf, Urteil vom 20. Januar 2010 - 12 Sa 962/09 -
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