Online-Weiterbildung
Präsenz-Weiterbildung
Produkte
Themen
Dashöfer

Recht des Betriebsrates auf Auskunft über erteilte Abmahnungen

22.06.2012  — Online-Redaktion Verlag Dashöfer.  Quelle: Landesarbeitsgericht Hamm.

Dem Betriebsrat kann bei entsprechendem Bezug zu Mitbestimmungsrechten ein Anspruch auf Auskunft über erteilte Abmahnungen gem. § 80 Abs. 2 BetrVG zustehen, auch wenn er bei der Erteilung von Abmahnungen selbst kein Mitbestimmungsrecht hat. Datenschutzrechtliche Bestimmungen stehen dem Auskunftsanspruch nicht entgegen.

Tatbestand

Die Arbeitgeberin ist ein Unternehmen der metallverarbeitenden Industrie im Bereich der Lager- und Abfalltechnik. In ihrem Betrieb ist ein Betriebsrat, der Antragsteller des vorliegenden Verfahrens, gewählt.

Mit Schreiben vom 26.08.2010 und vom 07.09.2010 verlangte der Betriebsrat von der Arbeitgeberin die Vorlage von in der Vergangenheit erteilten Abmahnungen, die die Arbeitgeberin bei ihr beschäftigten Arbeitnehmern erteilt hatte. Grundlage des Auskunftsbegehrens waren Abmahnungen vom 06.12.2004, 23.08.2006, 07.06.2006, 24.09.2007, 09.10.2007 und 31.08.2010. Diese Abmahnungen betrafen Verstöße von Arbeitnehmern gegen das Ableisten von Mehrarbeit, gegen Radiohören im Betrieb, das Aufsuchen bestimmter Toiletten, gegen ein Rauchverbot sowie gegen Meldepflichten bei Arbeitsunfähigkeit.

Die Arbeitgeberin lehnte das Auskunftsbegehren des Betriebsrats jeweils ab.

In der Sitzung vom 23.08.2010 beschloss der Betriebsrat daraufhin, die Arbeitgeberin gerichtlich in Anspruch zu nehmen und beauftragte insoweit gemäß Beschluss vom 23.08.2010 seinen jetzigen Verfahrensbevollmächtigten mit der Interessenwahrnehmung im gerichtlichen Verfahren.

Am 12.10.2020 leitete der Betriebsrat sodann das vorliegende Beschlussverfahren beim Arbeitsgericht ein, mit dem er sein Auskunftsbegehren weiterverfolgt.

Der Betriebsrat hat die Auffassung vertreten, ihm stehe ein Auskunftsanspruch nach § 80 Abs. 2 BetrVG zu. Da die Abmahnung eine Vorstufe zur Kündigung darstelle und vor dem Ausspruch einer jeden Kündigung der Betriebsrat nach § 102 BetrVG zu beteiligen sei, könne er bei Kenntnis der Abmahnungen bereits im Vorfeld regulierend und arbeitsplatzerhaltend eingreifen und einwirken. Zwar sei richtig, dass ihm als Betriebsrat ein Mitbestimmungsrecht bei Erteilung und Ausspruch von Abmahnungen selbst nicht zustehe. Ein solches reklamiere er mit dem vorliegenden Verfahren aber auch nicht. Es gehe lediglich um die Erteilung der entsprechenden Auskünfte. Auf diese Auskünfte und eine entsprechende Unterrichtung durch die Arbeitgeberin sei er, der Betriebsrat, angewiesen, um einem etwaigen mitbestimmungswidrigem Verhalten der Arbeitgeberin entgegensteuern zu können, wenn diese darauf Abmahnungen stütze und das Verhalten der Arbeitnehmer rüge. Die von der Arbeitgeberin in der Vergangenheit erteilten Abmahnungen enthielten jeweils Verstöße gegen Verhaltensweisen, die dem Grundsatz nach mitbestimmungspflichtig seien.

(…)

Zu Recht ist das Arbeitsgericht in dem angefochtenen Beschluss davon ausgegangen, dass der Betriebsrat einen Anspruch auf Auskunft über die ab dem 01.09.2010 erteilten Abmahnungen nach näherer Maßgabe des arbeitsgerichtlichen Tenors zusteht. Dieser Anspruch folgt aus § 80 Abs. 2 Satz 1 BetrVG. Der Betriebsrat benötigt die erbetenen Informationen zur Erfüllung seiner gesetzlichen Aufgaben.

Nach § 80 Abs. 2 Satz 1 BetrVG hat der Arbeitgeber den Betriebsrat zur Durchführung seiner gesetzlichen Aufgaben rechtzeitig und umfassend zu unterrichten. Der Verpflichtung des Arbeitgebers korrespondiert ein entsprechender Auskunftsanspruch des Betriebsrats.

Der Unterrichtungsanspruch besteht nicht nur dann, wenn allgemeine Aufgaben oder Beteiligungsrechte des Betriebsrats bereits feststehen. Die Unterrichtung soll es dem Betriebsrat vielmehr auch ermöglichen, in eigener Verantwortung zu prüfen, ob sich Aufgaben im Sinne des Betriebsverfassungsgesetzes ergeben und er zu ihrer Wahrnehmung tätig werden muss. Dabei genügt eine gewisse Wahrscheinlichkeit für das Bestehen von Aufgaben. Die Grenzen des Unterrichtungsanspruchs liegen dort, wo ein Beteiligungsrecht offensichtlich nicht in Betracht kommt. Der Betriebsrat kann nicht losgelöst von dem Bestehen einer gesetzlichen Aufgabe verlangen, dass er vom Arbeitgeber über betriebliche Vorgänge informiert oder über dessen Kenntnisstand unterrichtet wird. Daraus folgt eine zweistufige Prüfung darauf hin, ob überhaupt eine Aufgabe des Betriebsrats gegeben und ob im Einzelfall die begehrte Information zu ihrer Wahrnehmung erforderlich ist.

Diese Voraussetzungen des § 80 Abs. 2 Satz 1 BetrVG sind im vorliegenden Fall erfüllt. Zur Erfüllung der Aufgaben des Betriebsrats ist die Erteilung der begehrten Auskünfte durch die Arbeitgeberin erforderlich.

(…)

Zutreffend weist die Arbeitgeberin zwar darauf hin, dass dem Betriebsrat bei der Erteilung von Abmahnungen kein Mitbestimmungsrecht zusteht. Darum geht es aber im vorliegenden Fall dem antragstellenden Betriebsrat nicht. Der Betriebsrat hat sowohl erstinstanzlich wie in der Beschwerdeinstanz ausdrücklich darauf hingewiesen, dass er kein Mitbestimmungsrecht bei der Erteilung von Abmahnungen durch die Arbeitgeberin gegenüber ihren Mitarbeitern geltend machen will. Dem Betriebsrat geht es vielmehr darum, Abmahnungen, die auf ein etwaiges mitbestimmungswidriges Verhalten der Arbeitgeberin gestützt werden, entgegenzusteuern. Denkbar ist auch, dass der Betriebsrat überprüfen will, ob er angesichts eines gerügten Fehlverhalten eines Arbeitnehmers mitbestimmungsrechtlich tätig werden und sein Initiativrecht ausüben will. Zu Recht hat das Arbeitsgericht in dem angefochtenen Urteil darauf hingewiesen, dass insoweit eine gewisse Wahrscheinlichkeit für das Bestehen von Aufgaben des Betriebsrats besteht. Dies ergibt sich aus daraus, dass die Arbeitgeberin für keinen einzigen Fall einer gerügten Abmahnung vorgetragen hat, dass die Mitbestimmungsrechte des Betriebsrats im Hinblick auf die beispielhaft vorgelegten Abmahnungen und die in ihnen gerügten Verstöße gewahrt worden sind. Insoweit liegt der vorliegende Fall auch anders als die von der Arbeitgeberin in Bezug genommene Entscheidung des Landesarbeitsgerichts Köln. Nach dem der Entscheidung des Landesarbeitsgerichts Köln zugrunde liegenden Sachverhalt stand nämlich die Kontrollaufgabe des Betriebsrats in hinreichend konkreter Form vor der begehrten Einsichtnahme und Vorlage sämtlicher Abmahnungen noch gar nicht fest. Der dortige Betriebsrat wollte sich Abmahnungen vorlegen lassen, um ergründen zu können, ob und welche betriebsverfassungsrechtlichen Aufgaben überhaupt betroffen sein können. Insoweit liegt der vorliegende Fall anders. Der Betriebsrat hat im vorliegenden Verfahren hinreichend konkret vorgetragen, dass Abmahnungen von der Arbeitgeberin erteilt worden sind, die Verstöße rügen, die einen Bezug zu Mitbestimmungstatbeständen des § 87 Abs. 1 BetrVG aufweisen. Damit besteht eine gewisse Wahrscheinlichkeit für das Bestehen von Aufgaben des antragstellenden Betriebsrats. Eine derartige Wahrscheinlichkeit des Aufgabenbezugs hat der Betriebsrat im vorliegenden Beschlussverfahren jedenfalls schlüssig dargelegt. Dies ist nach der Rechtsprechung des Bundesarbeitsgerichts ausreichend, um den korrespondierenden Informationsanspruch auszulösen. Eines konkreten Anlasses für den Informationsanspruch nach § 80 Abs. 2 Satz 1 BetrVG bedarf es nicht.

Das Arbeitsgericht ist in der angefochtenen Entscheidung auch zu Recht davon ausgegangen, dass die vom Betriebsrat begehrten Auskünfte zu seiner ordnungsgemäßen Aufgabenwahrnehmung erforderlich sind. Es kann nicht ohne Weiteres angenommen werden, dass der Betriebsrat auf eine andere Art und Weise jederzeit von mitbestimmungswidrigen Anordnungen der Arbeitgeberin Kenntnis erlangt. Mit einer Abmahnung rügt der Arbeitgeber eine aus seiner Sicht arbeitsvertragswidrige Pflichtverletzung des Arbeitnehmers. Die vom Betriebsrat im vorliegenden Verfahren beispielhaft vorgelegten Abmahnungen dokumentieren aber, dass entsprechende Pflichtverletzungen häufig auf die Missachtung kollektivrechtlicher Regelungen bzw. Anordnungen zurückzuführen sind. Ohne die begehrte Information wäre der Betriebsrat nicht in der Lage, auf Beachtung seiner Mitbestimmungsrechte gegenüber der Arbeitgeberin hinzuwirken.

Der Arbeitgeberin ist es auch ohne Weiteres möglich, dem Betriebsrat jeweils Abschriften der erteilten Abmahnungen zukommen zu lassen. Nach eigenem Bekunden der Arbeitgeberin werden mündliche Abmahnungen nicht erteilt. Die Arbeitgeberin ist danach nicht gezwungen, über mündlich erteilte Abmahnungen erst eine entsprechende Unterlage herzustellen.

Ob sich aus den dem Betriebsrat zur Verfügung gestellten Abmahnungen tatsächlich entsprechende Mitbestimmungsrechte und Initiativrechte ergeben, kann der Betriebsrat erst nach Vorlage der entsprechenden Abmahnungen in eigener Verantwortung prüfen.

Auch datenschutzrechtliche Bestimmungen stehen dem Auskunftsverlangen des Betriebsrats nicht entgegen. Die Unterrichtungspflicht des Arbeitgebers gegenüber dem Betriebsrat nach § 80 Abs. 2 BetrVG wird durch die Vorschriften des Bundesdatenschutzgesetzes nicht beschränkt. Die Unterrichtung des Betriebsrats als Betriebsverfassungsorgan ist keine Datenübermittlung im Sinne des § 3 Abs. 4 Nr. 3, Abs. 8 S. 2 BDSG an Dritte. Organe der Betriebs- oder Personalvertretung sind insoweit nur unselbständiger Teil der verantwortlichen Stelle. Solange Betriebsräten personenbezogene Daten im Hinblick auf ihre gesetzlichen Aufgaben nach den Bestimmungen des Betriebsverfassungsgesetzes zugänglich gemacht werden, greifen die Übermittlungsregeln des BDSG nicht ein; maßgebend sind insoweit allein die Vorschriften des Betriebsverfassungs- und des Personalvertretungsrechts. Im Gegenzug hat der Betriebsrat die Verpflichtung, da-rüber zu wachen, dass die datenschutzrechtlichen Bestimmungen eingehalten werden. Er unterliegt im Hinblick auf die Persönlichkeitsrechte anderer Arbeitnehmer und Mitarbeiter auch einer besonderen Verschwiegenheitspflicht, §§ 75 Abs. 2, 79 Abs. 1, 82 Abs. 2, 83 Abs. 1, 99 Abs. 1, 102 Abs. 2 BetrVG. Hinzu kommt im vorliegenden Fall, dass die Arbeitgeberin lediglich zur Auskunft in anonymisierter Form verpflichtet worden ist. Selbst einer namentlichen Benennung hätten datenschutzrechtliche Gründe nicht entgegengestanden.

Landesarbeitsgericht Hamm, 10 TaBV 63/11 (in Auszügen)


PS: Weitere Informationen über die Rechte des Betriebsrats »

nach oben
FAQ