11.10.2011 — Udo Cremer. Quelle: Verlag Dashöfer GmbH.
Eine GmbH (Klägerin) nahm zur Finanzierung eines Möbelhauses im Jahr 2001 über ihre Hausbank (H-Bank) drei öffentlich geförderte Darlehen auf. Bei zwei der Darlehen musste sie ein nicht laufzeitabhängiges Bearbeitungsentgelt von 4% der Darlehensvaluta zahlen. Die Klägerin behandelte diese Entgelte als sofort abziehbare Betriebsausgaben. Das FA war der Auffassung, die Bearbeitungsentgelte seien auf der Basis von Gesamtlaufzeiten von 120 bzw. 114 Monaten abzugrenzen und legte den ertragsteuerlichen Änderungsbescheiden für die Streitjahre (2001 und 2002) entsprechende aktive RAP zugrunde. Das FG wies die Klage ab (FG Köln, Urteil vom 12. 11. 2009, EFG 2010 S. 810).
Die Revision ist begründet (BFH-Urteil vom 22.6.2011 – IR 7/10). Anhand der im FG-Urteil getroffenen Feststellungen lässt sich nicht abschließend beurteilen, ob die Klägerin aktive RAP für die gezahlten Bearbeitungsentgelte zu bilden hat.
In den Bilanzen der Klägerin sind für Ausgaben vor dem Abschlussstichtag auf der Aktivseite RAP anzusetzen, soweit sie Ausgaben für eine bestimmte Zeit nach dem Abschlussstichtag darstellen. Für die Entscheidung der Frage, ob die Bearbeitungsgebühren bei wirtschaftlicher Betrachtung Teil des Entgelts für die Darlehensgewährungen durch die H-Bank sind und deshalb Aufwand der Klägerin "für eine bestimmte Zeit nach dem Abschlussstichtag" darstellen, bedarf es indes noch weiterer tatsächlicher Feststellungen. Aufwand für eine bestimmte Zeit nach dem Abschlussstichtag liegt vor, wenn einer Vorleistung eine noch nicht erbrachte zeitraumbezogene Gegenleistung gegenübersteht. Für eine Rechnungsabgrenzung reicht es aus, wenn mit der Vorleistung ein zeitraumbezogenes Verhalten erwartet wird, das wirtschaftlich als Gegenleistung für die Vorleistung aufgefasst werden kann. Das FG hat angenommen, dass die von der Klägerin übernommenen Verpflichtungen zur Zahlung der Bearbeitungsentgelte als Gegenleistung zu den Geldüberlassungspflichten der H-Bank gestanden haben. Dabei hat sich die Vorinstanz im Wesentlichen auf die Rechtsprechung des BFH gestützt, nach der es sich bei Leistungen, die Kreditinstitute bei der Gewährung von Darlehen neben den Zinsen vom Darlehensnehmer verlangen, wirtschaftlich betrachtet regelmäßig um Vergütungen für die Überlassung des Darlehenskapitals handelt; denn Darlehensgeschäfte sind als einheitliche Geschäfte anzusehen, deren rechtliche Beziehungen nicht in mehrere Einzelgeschäfte aufgeteilt werden können.
Bei der Prüfung, ob eine Zahlung Vorleistung für eine zeitraumbezogene Gegenleistung ist, kommt dem Umstand wesentliche Bedeutung zu, ob der Empfänger die Zahlung im Falle einer vorzeitigen Beendigung des Vertragsverhältnisses behalten darf oder ob er sie zurückerstatten muss. So ist der Vorleistungscharakter zu bejahen, wenn der Empfänger die Leistung bei vorzeitiger Vertragsbeendigung zeitanteilig zurückzuzahlen hat. Darf der Empfänger die Zahlung hingegen im Falle der vorzeitigen Vertragsbeendigung behalten, ist das jedenfalls ein gewichtiges Indiz gegen die Zeitraumbezogenheit der Gegenleistung. Etwas anderes gilt in letzterem Fall jedoch, wenn das Dauerschuldverhältnis auf mehrere Jahre zu festen Bedingungen abgeschlossen ist und nur aus wichtigem Grund gekündigt werden kann und wenn konkrete Anhaltspunkte dafür fehlen, dass die Vertragsparteien dieser Möglichkeit mehr als rein theoretische Bedeutung beigemessen haben. Denn unter diesen Umständen kann der Vereinbarung über das für das einzelne Jahr zu entrichtende Entgelt keine "Richtigkeitsgewähr" in dem Sinn zuerkannt werden, dass das jeweilige Jahresentgelt Ausdruck einer sachgerechten, im Ausgleich widerstreitender Interessen gefundenen Bewertung des Jahreswerts der empfangenen Gegenleistung ist. Diese Maßgaben sind auch auf die im Rahmen von Darlehensverhältnissen vereinbarten einmaligen Leistungen des Darlehensnehmers anzuwenden. Kann, wie im Streitfall, eine zu Vertragsbeginn geleistete Zahlung im Fall einer vorzeitigen Beendigung des Darlehensverhältnisses vom Darlehensnehmer nicht mehr anteilig zurückgefordert werden, dann ist die Zahlung grundsätzlich nicht aktiv abzugrenzen. Etwas anderes gilt aber (auch bei fehlendem Rückzahlungsanspruch) dann, wenn das Darlehensverhältnis nur aus wichtigem Grund gekündigt werden kann und wenn konkrete Anhaltspunkte dafür fehlen, dass diese Kündigung in den Augen der Vertragsparteien mehr ist als nur eine theoretische Option, mit einer Kündigung also nicht ernsthaft zu rechnen ist.
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