20.06.2012 — Online-Redaktion Verlag Dashöfer. Quelle: Bredereck Willkomm Rechtsanwälte.
Arbeitnehmer die aufgrund einer psychischen Erkrankung zu schuldhaften Handeln quasi nicht mehr in der Lage sind, haben deswegen aber keinen Freifahrtschein in Bezug auf Kündigungen.
Das hat das Landesarbeitsgericht Schleswig-Holstein noch einmal klargestellt. Der dortige Arbeitnehmer war seit 25 Jahren bei seinem Arbeitgeber beschäftigt. Aufgrund eines psychischen Zusammenbruchs im Zusammenhang mit einer Ehescheidung erkrankte der Arbeitnehmer langfristig schwer. Nach längerer Arbeitsunfähigkeit war er wieder bei seinem Arbeitgeber beschäftigt. Hierbei kam es immer wieder zu verschiedenen anzüglichen Bemerkungen und Beleidigungen über Arbeitskollegen im Beisein anderer Kollegen. Auf die Beschwerde einer betroffenen Mitarbeiterin hin kündigte der Arbeitgeber das Arbeitsverhältnis fristlos.
Der Arbeitnehmer berief sich unter anderem darauf, dass er wegen seiner psychischen Erkrankung (bipolare, affektive Störung mit manischer Phase) im Zustand der Schuldunfähigkeit gehandelt habe und ihm deshalb etwaiges arbeitsvertragliches Fehlverhalten nicht vorwerfbar sein.
Das Landesarbeitsgericht hat in seiner Entscheidung dahinstehen lassen, ob der Kläger überhaupt in dem von ihm behaupteten Sinne krank gewesen sei. Darauf komme es nicht an, da auch bei einem schuldlos handelnden Arbeitnehmer in derartigen extremen Fällen eine fristlose Kündigung gerechtfertigt sei.
Das Landesarbeitsgericht stellt im wesentlichen darauf ab, dass es für den Arbeitgeber unzumutbar sei, eine Störung des Betriebsfriedens in fortlaufenden und gravierendem Umfang durch einen einzelnen Arbeitnehmer hinzunehmen. Wer immer wieder Vorgesetzten und Kollegen ohne Grund beschimpft, gefährdet die betriebliche Ordnung und den Betriebsfrieden. Das muss ein Arbeitgeber nicht hinnehmen.
Fachanwaltstipp Arbeitnehmer: Auch wenn es sich hier um einen Extremfall handelt: Psychische Erkrankungen bieten keinen Freibrief für Arbeitsvertragsverstöße durch Arbeitnehmer. Generell gilt, wer in einem Zustand der Arbeitsunfähigkeit arbeitet, riskiert für daraus resultierende Fehlleistungen auch voll zur Verantwortung gezogen zu werden. Riskiert eine Abmahnung und gegebenenfalls sogar eine (fristlose) Kündigung. Gerade bei psychischen Erkrankungen ist immer wieder zu beobachten, dass Arbeitnehmer wegen der gesellschaftlichen Ächtung derartiger Krankheiten diese verdrängen und weiter arbeiten.
Fachanwaltstipp Arbeitgeber: Auch wenn im vorliegenden Fall der Arbeitgeber Recht bekommen hat: Vorsicht mit verhaltensbedingten Kündigungen bei Erkrankungen des Arbeitnehmers. So weit Fehlleistungen und einer Erkrankung beruhen, kommt in der Regel nur eine personenbedingte (krankheitsbedingte) Kündigung in Betracht. Der hier vorschnell zum einfacheren Instrument der verhaltensbedingten Kündigung greift, erlebt vor dem Arbeitsgericht häufig ein kostspieliges Malheur.
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