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Passivierung "angeschaffter" Drohverlustrückstellungen

02.03.2010  — Udo Cremer.  Quelle: Verlag Dashöfer GmbH.

Ihr Experte Udo Cremer zu einem aktuellen BFH-Urteil

Betriebliche Verbindlichkeiten, welche beim Veräußerer als Rückstellungen für drohende Verluste aus schwebenden Geschäften in der Steuerbilanz nicht bilanziert werden durften, sind bei demjenigen Erwerber, der die Verbindlichkeit im Zuge eines Betriebserwerbs gegen Schuldfreistellung übernommen hat, keinem Passivierungsverbot unterworfen, sondern als ungewisse Verbindlichkeit auszuweisen und von ihm auch an den nachfolgenden Bilanzstichtagen mit ihren Anschaffungskosten oder ihrem höheren Teilwert zu bewerten.

Diesem Leitsatz liegt folgender, vom BFH mit Urteil vom 16.12.2009, I R 102/08 entschiedener Fall zugrunde:

Die X-GmbH betrieb im Streitjahr ein Unternehmen zur Erbringung von interaktiven multimedialen Diensten. Sie hatte durch einen Kauf- und Übertragungsvertrag sämtliche diesem Bereich zuzuordnenden aktiven und passiven Wirtschaftsgüter zu einem Kaufpreis von 3.060.528 DM von einer konzernangehörigen Gesellschaft, der M-GmbH, erworben. Im Rahmen dieses Erwerbes wurden auch die Verpflichtungen aus zwei Verträgen zur Anmietung eines Satelliten sowie einer Antennenanlage von der M-GmbH gegenüber den Vermietern übernommen. Da beide Mietverträge bereits für die M-GmbH keinen wirtschaftlichen Nutzen mehr versprachen, hatte diese eine entsprechende sog. Drohverlustrückstellung in Höhe von 819.015 DM gebildet. Mit der Übernahme des Geschäftsbereichs durch die X-GmbH hatte diese die Verlustrückstellungen im Erwerbszeitpunkt passiviert und zu diesem Bilanzstichtag beibehalten. Nach Durchführung einer Außenprüfung war das FA zu der Auffassung gekommen, dass die X-GmbH zwar verpflichtet gewesen sei, die Drohverlustrückstellung im Zeitpunkt des Erwerbes zu bilden, der Ansatz einer solchen Verlustrückstellung in der Schlussbilanz jedoch nach § 5 Abs. 4a des Einkommensteuergesetzes nicht zulässig sei.

Die Klage gegen die hiernach geänderten Steuerbescheide war erfolgreich; das Finanzgericht Düsseldorf gab ihr durch Urteil vom 9. September 2008 6 K 1161/04 (EFG, 2009, 167), statt. Dem schloss sich der BFH an.

Der BFH-Entscheidung zufolge hat die X-GmbH in ihren Bilanzen das Betriebsvermögen anzusetzen, das nach den handelsrechtlichen Grundsätzen ordnungsmäßiger Buchführung (GoB) auszuweisen ist. Ein zentrales Gebot in diesem Zusammenhang ist, Gewinne nur zu berücksichtigen, wenn sie am Abschlussstichtag realisiert sind, was nichts anderes bedeutet, als dass Anschaffungsvorgänge erfolgsneutral zu behandeln sind. Der Zugang von Wirtschaftsgütern zum Betriebsvermögen führt zu einer bloßen Umschichtung in der Bilanz in Höhe der Anschaffungskosten; ein unterschiedlicher Ansatz von Zu- und Abfluss ist ausgeschlossen. Eine Gewinnrealisierung kann nur aufgrund nachfolgender betrieblicher Umsatzakte erfolgen. Der in § 255 Abs. 1 Satz 1 HGB festgelegte Begriff der Anschaffungskosten ist in Ermangelung einer abweichenden Definition im Einkommensteuergesetz auch der steuerbilanziellen Beurteilung zugrunde zu legen. Die bei der Übernahme von Verbindlichkeiten zutreffend erhöhten Anschaffungskosten bilden die Ausgangsgröße für die weitere bilanzielle Entwicklung eines zugegangenen Wirtschaftsgutes. Der Grundsatz der erfolgsneutralen Behandlung von Anschaffungsvorgängen findet auch auf übernommene Passivpositionen und hierbei unabhängig davon Anwendung, ob der Ausweis dieser Passivpositionen in der Steuerbilanz einem - von der Handelsbilanz abweichenden - Ausweisverbot ausgesetzt ist. Denn auch die Übernahme steuerrechtlich zu Recht nicht bilanzierter Verbindlichkeiten ist Teil des vom Erwerber zu entrichtenden Entgelts und erhöht mithin dessen Anschaffungskosten.

Das gilt auch für das entsprechende Verbot des Ausweises von Rückstellungen für drohende Verluste aus schwebenden Geschäften, denn dieses Verbot will lediglich am Stichtag bereits vorhandene Verluste entgegen den Vorgaben des (handels)bilanzrechtlichen Imparitätsprinzips auf künftige Veranlagungszeiträume verlagern: Steuerbilanziell wird der Verlust aus schwebenden Geschäften erst bei seiner Realisation effektuiert, nicht bereits bei seiner Entstehung. Wird der verlustbedrohte Vertrag aber entgeltlich gegen Schuldübernahme erworben, dann ist der Erwerber im Verhältnis zum Veräußerer verpflichtet, ihn von der gegenüber dem Gläubiger der Schuld weiter bestehenden Zahlungspflicht (hier die Verpflichtung zur Mietzahlung) freizustellen. Bei dieser Freistellungsverpflichtung handelt es sich nicht um den Teil eines schwebenden Geschäfts, denn das Geschäft wurde infolge des Erwerbsvorgangs bereits erfüllt. Die Freistellungsverpflichtung ist mithin vom Erwerber sowohl in der Handels- als auch in der Steuerbilanz nach den für ungewisse Verbindlichkeiten geltenden Grundsätzen und nicht als Drohverlustrückstellung zu passivieren. Der Bildung eines besonderen Ausgleichspostens, um die Bewertungsdifferenz anderweitig "abzufangen" bedarf es dazu nicht.
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