21.07.2016 — Online-Redaktion Verlag Dashöfer. Quelle: Friedrich-Alexander-Universität Erlangen-Nürnberg.
Menschen leben immer länger, die Gesellschaft in den Industrieländern altert. Dadurch treten auch die individuellen und gesellschaftlichen Herausforderungen eines langen Lebens wie der Umgang mit Krankheit sowie die Fragen nach angemessener Versorgung und Vorsorge, kulturellen Werten und Einstellungen offensichtlicher zu Tage. Forscher des Instituts für Psychogerontologie der Friedrich-Alexander-Universität Erlangen-Nürnberg (FAU) beschäftigen sich mit verschiedenen Aspekten von Alter und Altern. Wir haben mit Prof. Dr. Frieder R. Lang, Leiter des Instituts und Organisator der Konferenz, über das Thema gesprochen.
Herr Professor Lang, Sie beschäftigen sich in dem Forschungsprojekt „Altern als Zukunft“ mit der Frage, wie sich Bilder von Alter und Altern im Laufe der Zeit ändern. Was stellen Sie dabei fest?
Es ist bekannt, dass sich persönliche Sichtweisen auf das Alter darauf auswirken, wie man altert und wie gut das Altern gelingt. Dabei spielt aber auch eine wichtige Rolle, ob es sich um realistische Sichtweisen handelt oder um übertrieben positive oder negative Erwartungen. Die meisten Menschen unterscheiden dabei, um welchen Aspekt ihres Lebens es geht und haben für die verschiedenen Bereiche ihres Lebens unterschiedliche Altersbilder. So kann es beispielsweise sein, dass man das eigene Alter sehr positiv sieht, wenn es um Wohnsituation, Freunde oder die Familie, aber nicht so positiv, wenn es um die Beweglichkeit oder Leistungsfähigkeit geht. So kann es kommen, dass man sich hinsichtlich bestimmter Aspekte ganz gut auf das Alter vorbereitet und bei anderen Themen nicht. Uns interessieren dabei auch die persönlichen Zeitpläne, wie man sich auf die Zukunft vorbereitet. Beispielsweise macht es einen Unterschied, ob man eher früh damit beginnt, über das Alter nachzudenken oder erst spät. Bislang scheint sich zu bestätigen, was wir alle glauben und was immer betont wird: Es ist niemals zu spät, um etwas Neues zu beginnen.
Viele 60-Jährige fühlen sich noch gar nicht alt. Sie befragen für Ihre Untersuchungen jedoch schon 30-Jährige. Warum?
In der modernen Alternsforschung hat sich die Einsicht durchgesetzt, dass man das Alter besser verstehen kann, wenn man auch berücksichtigt, wie das vorherige Leben verlaufen ist. Rückblickend bewerten wir unsere Jugend aber oft anders als zu dem Zeitpunkt, zu dem wir sie erlebt haben, und vorausschauend bewerten wir unser zukünftiges Alter oft anders als dann, wenn wir einmal alt sind. Es ist also wichtig, altersvergleichend vorzugehen, wenn man das Alter verstehen will. Und wichtig ist dabei natürlich auch, zu lernen, wie sich Dinge über längere Zeiträume entwickeln. Daher sind wir darauf angewiesen und dankbar, wenn Menschen sich bereit erklären, wiederholt an Befragungen teilzunehmen. Wir wissen beispielsweise, dass 30-Jährige dazu neigen, sich das Alter sehr extrem als entweder ganz schön oder ganz schrecklich vorzustellen. 80-Jährige beschreiben ihre Erfahrung mit dem Alter dagegen meist komplexer und nicht nur gut oder nur schlecht.
Wer ans Alt werden denkt, dem kommt erst einmal das Stichwort „Vorsorge“ in den Sinn. Welche weiteren Aspekte untersuchen Sie?
Im Grunde geht es vor allem um die Frage, wie man gesund und in möglichst hohem Wohlbefinden ein aktives und langes Leben führen kann. Dabei sollte das in jedem Lebensalter möglich sein. Es geht darum, welche Strategien und Lebensprinzipien dabei helfen können. Heute wissen wir schon, dass vermeintlich einfache Rezepte im Einzelfall nur selten oder gar nicht funktionieren. Oft geht es um Entscheidungen, Wünsche und Verhaltensweisen, die sich nicht in einfache Formeln packen lassen. Die Frage ist also, in welcher Weise sich aus der großen Vielfalt der verschiedenen Alternsverläufe von Menschen solche erkennen lassen, die mit Gesundheit, Wohlbefinden und langem Leben verbunden sind.
Zu welchen Themen bezüglich Alter und Altern wissen wir noch vergleichsweise wenig?
Es ist wichtig sich vor Augen zu halten, dass das Alter, insbesondere das hohe Alter, eine in der Menschheitsgeschichte noch sehr junge Erfahrung und im Grunde auch ein noch fast unbekanntes gesellschaftliches Phänomen ist. Wer heute 90 Jahre alt ist, hat in seinem früheren Leben nur selten jemanden gekannt, der ein solches Alter hatte. Wer heute 30, 50 oder gar 60 Jahre alt ist, hat hingegen nicht selten noch lebende Großeltern oder Eltern in einem sehr hohen Alter. Innerhalb nur ganz weniger Generationen haben wir das Alter als eine neue und eigenständige Lebensphase entdeckt und stehen nun vermutlich vor einem der größten Zukunftsprojekte der Menschheit: Wie nämlich eine Gesellschaft des langen Lebens so gestaltet werden kann, dass Wohlstand, Produktivität und Gesundheit erhalten bleiben. Es gibt hier viel mehr offene Fragen als Lösungen.
In dem Projekt sind auch Wissenschaftler in Hongkong und den USA beteiligt. Altern verschiedene Gesellschaften unterschiedlich?
Die Lebenserwartung steigt bekanntlich weltweit an. In China beispielsweise steigt die Lebenserwartung deutlich schneller als in Europa oder in den USA, wo sich der Trend in manchen Regionen sogar umzudrehen scheint. Wie gut das Altern gelingt, hängt also in hohem Maße von den jeweiligen gesellschaftlichen Lebensbedingungen ab und auch von persönlichen Lebensstilen, die sich darin zeigen. Das Altern hat viele Gesichter und ist sehr vielschichtig. Es überrascht aber, dass trotz dieser doch eigentlich allgemein bekannten Tatsache, nur wenig darüber bekannt ist, wie sich Bilder des Alterns und der Umgang mit dem Alter in den verschiedenen Gesellschaften unterscheiden. Es gibt da viele ungelöste Fragen, etwa warum sich beispielsweise Gesundheit und Wohlbefinden älterer Menschen in vielen Regionen teilweise deutlich unterscheiden, selbst wenn die Lebensbedingungen gleich sind. Beispielsweise ist es in Deutschland für viele ältere Menschen wichtig, nicht von anderen abhängig zu sein, während in vielen asiatischen Ländern oft das Gegenteil gilt und man es selbstverständlich findet, von anderen Menschen abhängig zu sein.
Was wünschen Sie sich für eine alternde Gesellschaft?
Da ich mich viel mit dem Alter in anderen Kulturen beschäftige, bin ich überzeugt, dass unsere Gesellschaft schon vieles erreicht und geleistet hat, was anderswo als Modell gilt. Es gibt vielleicht auch bei uns vieles zu verbessern, dabei ist wichtig zu verstehen, wie wir so weit gekommen sind. Ein langes Leben gelingt immer dort am besten, wo ältere Menschen aktiv, aus freien Stücken und eigenem Antrieb am sozialen Leben teilhaben und die Gesellschaft mitgestalten. Niemand ist zu alt für ein gutes Leben. Altern als Zukunft bedeutet, dass es kein Alter gibt, in dem nicht noch etwas vor uns liegt. Sicherlich würde ich mir wünschen, dass wir insbesondere auch das Lebensende noch mehr in den Fokus unserer Betrachtungen rücken. Auch dies ist für praktisch jeden Menschen eine Zukunftsfrage: ein Ende in Würde und ohne Schmerz.
Themen
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