11.02.2015 — Volker Hartmann. Quelle: Verlag Dashöfer GmbH.
In der lohnsteuerlichen Praxis stellt sich immer wieder die Frage, wie zu verfahren ist, wenn ein Arbeitnehmer nicht dauerhaft, sondern nur vorübergehend an einer Tätigkeitstätte des Arbeitgebers tätig wird.
Oft besteht Unklarheit darüber, ob die Tätigkeitsstätte des Arbeitnehmers während der Probezeit bzw. bei während einer befristeten Tätigkeit als erste Tätigkeitsstätte oder als auswärtige Tätigkeitsstätte und damit nach Reisekostengrundsätzen zu behandeln ist
Von einer dauerhaften Zuordnung ist nach dem unmittelbaren Wortlaut des Gesetzes immer dann auszugehen, wenn der Arbeitnehmer unbefristet, für die Dauer des Dienstverhältnisses oder über einen Zeitraum von 48 Monaten hinaus an einer solchen Tätigkeitsstätte tätig werden soll.
Keine Dauerhaftigkeit in diesem Sinne liegt daher vor, wenn der Arbeitnehmer nur vorübergehend am Betriebssitz tätig wird, z.B. wenn der Arbeitnehmer im Rahmen einer Abordnung eine Urlaubs- oder Elternzeitvertretung übernimmt und die Dauer an dieser Tätigkeitsstätte einen Zeitraum von 48 Monaten nicht überschreitet. In diesem Fall ist die Tätigkeitsstatte des Arbeitnehmers regelmäßig nicht als erste Tätigkeitsstätte anzusehen; es liegt vielmehr eine auswärtige Tätigkeitsstätte vor. Daraus resultiert, dass der Arbeitnehmer in seiner Einkommensteuererklärung Fahrtkosten nach Reisekostengrundsätzen geltend machen kann. Darüber hinaus besteht Anspruch auf steuerfreie Verpflegungsmehraufwendungen. Bekäme der Arbeitnehmer von seinem Arbeitgeber einen Fahrtkostenzuschuss, wäre dieser ebenfalls steuerfrei nach Reisekostengrundsätzen. Im Rahmen der Dienstwagenbesteuerung bräuchte kein geldwerter Vorteil angesetzt zu werden, weil es sich bei den Fahrten zur Tätigkeitsstätte um betriebliche Fahrten und nicht um Fahrten zwischen Wohnung und erster Tätigkeitsstätte handelt.
Mit Urteil vom 06.11.14, VI R 21/14 hat sich der Bundesfinanzhof mit der Rechtsfrage auseinandersetzen müssen, ob die Tätigkeitsstätte des Arbeitgebers während der Probezeit bei einem auf ein Jahr befristeten Arbeitsverhältnis als erste Tätigkeitsstätte anzusehen ist.
Diese Rechtsfrage ist nicht nur aus steuerlicher Sicht sehr bedeutsam. Neben der Frage, wie Fahrten zwischen der Wohnung des Arbeitnehmers und der jeweiligen Tätigkeitsstätte anzusehen sind, ist von Bedeutung, ob der Arbeitnehmer gegenüber seinem Arbeitgeber einen arbeitsrechtlichen Anspruch auf Verpflegungsmehraufwendungen geltend machen kann.
Nach Auffassung des BFH liegt auch im Rahmen einer Probezeit eine Tätigkeit an einer ersten Tätigkeitsstätte vor. Der Arbeitnehmer hat im hier vorliegenden strittigen Sachverhalt diese Einrichtung während seines Arbeitsverhältnisses nicht nur gelegentlich, sondern mit einer gewissen Nachhaltigkeit, d.h. fortdauernd und immer wiederkehrend aufgesucht. Der Umstand, dass das Arbeitsverhältnis auf ein Jahr befristet war und zudem die ersten sechs Monate des Beschäftigungsverhältnisses mit einer Probezeit belegt waren, steht der Dauerhaftigkeit der Zuordnung zum Betriebssitz des Arbeitgebers nicht entgegen.
Ein in einer dauerhaften, ortsfesten betrieblichen Einrichtung seines Arbeitgebers tätiger Arbeitnehmer ist nach Auffassung des Bundesfinanzhofs nicht allein deshalb auswärts, also vorübergehend von seiner Wohnung und dem ortsgebundenen Mittelpunkt seiner dauerhaft angelegten beruflichen Tätigkeit entfernt tätig, weil er eine Probezeit vereinbart hat, versetzungsbereit oder befristet beschäftigt ist.
Der Arbeitnehmer machte geltend, dass bei einem Probearbeitsverhältnis, das zudem auf ein Jahr befristet gewesen sei, stets eine Auswärtstätigkeit vorläge. Dieser Auffassung folgte der Bundesfinanzhof jedoch nicht. Auch bei einem befristeten bzw. bei einem Probe-Arbeitsverhältnis liegt eine Innendiensttätigkeit mit Leistungsort im Betrieb des Arbeitgebers vor.
Damit sind die Fahrten eines Arbeitnehmers zur Tätigkeitsstätte wie Fahrten zwischen Wohnung und erster Tätigkeitsstätte zu behandeln. Steuerfreie Verpflegungsmehraufwendungen können vom Arbeitnehmer aufgrund des fehlenden Charakters einer Auswärtstätigkeit nicht geltend gemacht werden.
Etwas anderes gilt, wenn die Voraussetzungen für eine doppelte Haushaltsführung vorliegen. Im Rahmen der doppelten Haushaltsführung können für die ersten drei Monate steuerfreie Verpflegungsmehraufwendungen geltend gemacht werden. Hinsichtlich der Fahrtkosten handelt es sich bei den Fahrten zwischen Familienwohnsitz und der Unterkunft am Ort der Tätigkeitsstätte um Fahrtkosten im Rahmen der doppelten Haushaltsführung. Hinsichtlich der Fahrtkosten zwischen der auswärtigen Unterkunft handelt es sich um Fahrten zwischen Wohnung und erster Tätigkeitsstätte.
Volker Hartmann ist Diplom-Finanzwirt, Lohnsteueraußenprüfer und Betriebsprüfer im aktiven Dienst der Hamburger Finanzverwaltung. Volker Hartmann hat langjährige Prüfungserfahrungen, insbesondere bei Kapitalgesellschaften aller Branchen und Größen. Er ist seit vielen Jahren Referent und Autor beim Verlag Dashöfer. Seine Seminare zeichnen sich durch eine besondere Praxisnähe aus.
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