25.03.2024 — Volker Hartmann. Quelle: Verlag Dashöfer GmbH.
Eine klare Linie ist für den Rechtsanwender dabei oft nicht erkennbar. Auf den ersten Blick mag dieses willkürlich erscheinen.
Korrekter Umgang mit erster Tätigkeitsstätte, Verpflegungspauschalen & Co.
Nicht von der Hand zu weisen ist, dass sich die Rechtsprechung zunehmend häufig weniger an der Lebenswirklichkeit orientiert als an den oft realitätsfernen Interpretationen der Richterinnen und Richter.
Wirtschaftliche und steuerliche Sachverhalte sind oft Massensachverhalte, bei denen der durchschnittliche Rechtsanwender regelmäßig nicht in der Lage ist, ein unverhältnismäßig hohes Pensum an Bearbeitungszeit aufzubringen. Dies gilt insbesondere bei Bewertungs- und Abgrenzungsfragen, z. B. bei abzugsfähigen Betriebsausgaben einerseits und nicht abzugsfähigen Betriebsausgaben andererseits oder bei der Abgrenzung von nicht steuerbaren Zuwendungen im ganz überwiegend eigenbetrieblichen Interesse des Arbeitgebers von lohnsteuer- und beitragspflichtigem Arbeitslohn.
Ein großes Problem für den Gesetzgeber stellt die Gratwanderung zwischen Verwaltungsvereinfachung und Steuergerechtigkeit dar. Ist eine gesetzliche Regelung aufgrund einer pauschalisierenden Betrachtungsweise eher einfach, wird sie als ungerecht empfunden. Will eine steuerliche Regelung hingegen gerecht sein, muss sie mit einer vergleichsweise hohen Komplexität ausgestattet sein.
Ein exemplarisches Beispiel stellt die Pauschalversteuerung nach § 37b EStG dar. Diese steuerliche Regelung wurde einst als Steuervereinfachungsvorschrift ins Leben gehoben. Die Vielzahl der gerichtlichen Auseinandersetzungen lässt darauf schließen, dass das Ziel, das Steuerrecht zu vereinfachen, hier eher nicht erreicht wurde.
Mit § 37b EStG wollte der Gesetzgeber eine Vereinfachungsregelung schaffen. Diese Vereinfachungsregelung zielt einerseits auf Geschenke an Geschäftsfreunde ab, andererseits auf Sachzuwendungen an (eigene) Arbeitnehmer.
Um die Versteuerung von Geschenken an Geschäftsfreunde beim Empfänger der Zuwendung zu vermeiden, hat das zuwendende Unternehmen die Möglichkeit, den Wert der Zuwendung bei sich mit einem Steuersatz von 30% pauschal zu versteuern. Voraussetzung ist, dass es sich um Zuwendungen handelt, die nicht in Geld bestehen und diese zusätzlich zur ohnehin vereinbarten Leistung oder Gegenleistung erbracht werden.
Nach dem unmittelbaren Wortlaut des Gesetzes kommt die Pauschalversteuerung jedoch nur dann in Betracht, wenn der Wert der Zuwendung je Empfänger und je Wirtschaftsjahr bzw. für die einzelne Zuwendung den Betrag von 10.000 Euro nicht übersteigt.
Bitte beachten Sie, dass über die gesetzlichen steuerlichen Rahmenbedingungen hinausgehend auch die geltenden Compliance-Regelungen zu beachten sind.
Vorstehende Regelungen gelten auch für betrieblich veranlasste Sachzuwendungen an eigene Arbeitnehmer, die vom Arbeitgeber zusätzlich zum ohnehin geschuldeten Arbeitslohn erbracht werden.
Im Vorfeld der Euro 2024, also der Fußball-Europameisterschaft, dürfte für viele Unternehmen die steuerliche Behandlung von Aufwendungen in Zusammenhang mit VIP-Logen von Bedeutung sein.
Nach Maßgabe des BMF-Schreibens vom 22.08.05 (VIP-Logen-Erlass) kann das Unternehmen bei der Zurverfügungstellung von Plätzen in einer VIP-Loge an Geschäftspartner und Arbeitnehmer eine Aufteilung der tatsächlich angefallenen Kosten wie folgt vornehmen:
Anteil für | ||
---|---|---|
Werbung | 40 % des Gesamtbetrages | Betriebsausgabe zu 100% |
Bewirtung | 30 % des Gesamtbetrages | Betriebsausgabe zu 70% |
Geschenke | 30 % des Gesamtbetrages | |
→ soweit Anteil unter 35 Euro | Betriebsausgabe zu 100% | |
→ soweit Anteil über 35 Euro | nicht abzugsfähige Betriebsausgabe |
Der Bundesfinanzhof hat sich jüngst mit der Frage auseinandersetzen müssen, welche Aufwendungen des Unternehmens in die Bemessungsgrundlage für die Pauschalversteuerung einzubeziehen sind.
Im hier streitigen Sachverhalt mietete ein Unternehmen eine VIP-Loge („Suite“) mit zwölf Sitzplätzen in einer Veranstaltungsstätte, in welcher Sportveranstaltungen sowie Konzerte und sonstige Veranstaltungen durchgeführt wurden. Der „Suite-Nutzungsvertrag“ über die VIP-Loge umfasste keine Bewirtungsleistungen. Werbe- und Sponsoring-Maßnahmen waren der Klägerin nur innerhalb der VIP-Loge gestattet. Insgesamt nahmen im Prüfungszeitraum knapp 3.000 Geschäftspartner und mehr als 1.000 Arbeitnehmer an den Veranstaltungen teil. Dabei blieben etwa 1.300 Plätze in der VIP-Loge leer.
Weil es sich nicht um eine klassische VIP-Loge mit Bewirtung handelte, verteilte das Unternehmen den Anteil der Bewirtungskosten entgegen der Regelungen im BMF-Schreiben anteilig auf die anderen Positionen Werbung und Geschenke.
Darüber hinaus reduzierte das Unternehmen die Bemessungsgrundlage um den Anteil, der auf die an der jeweiligen Veranstaltung teilnehmenden Arbeitnehmer entfiel. Das Unternehmen vertrat hierbei die Auffassung, dass diese Arbeitnehmer im ganz überwiegend eigenbetrieblichen Interesse des Arbeitgebers als Gastgeber an der jeweiligen Veranstaltung teilgenommen hätten.
Das Finanzamt legte im Rahmen einer Lohnsteueraußenprüfung einen anderen Aufteilungsmassstab zugrunde. Es nahm eine Aufteilung in Höhe von 25% für Werbung und in Höhe von 75% für Geschenke vor. Einen Abschlag für dienstverpflichtete Arbeitnehmer nahm es nicht vor.
Im anschließenden finanzgerichtlichen Verfahren setzte das Finanzgericht die Gesamtaufwendungen für die Loge ins Verhältnis zur tatsächlichen Nutzung und zog den Anteil der Aufwendungen des Unternehmens ab, der nicht auf die Erbringung von Zuwendungen entfiel. In diesem Zusammenhang wurden Platzwerte ermittelt, die sich aus der Multiplikation der Plätze in der VIP-Loge mit einem um 5 Euro erhöhten Kartenpreis einer bestimmten Preiskategorie ergaben. Von den so ermittelten Beträgen wurden die Platzwerte für nicht genutzte Plätze abgezogen. Hinsichtlich der Platzwerte, die auf Arbeitnehmer entfielen, die aus ganz überwiegend eigenbetrieblichem Interesse des Arbeitgebers teilgenommen hatten, hätte der Arbeitgeber keine steuerpflichtigen Zuwendungen erbracht.
Der Bundesfinanzhof stellte klar, dass Gegenstand der Sachzuwendung die Überlassung des einzelnen Logenplatzes ist. Auf Leerplätze entfallende Aufwendungen des Unternehmens sind deshalb steuerlich nicht zu berücksichtigen. Die Aufwendungen des Unternehmens für die überlassenen Plätze können im Wege einer sachgerechten Schätzung ermittelt werden. Entsprechendes gilt für den auf die Zuwendung entfallenden Anteil für Werbung.
Der Bundesfinanzhof bestätigte die Auffassung des Finanzgerichts, wonach die Aufwendungen für die als sogenannte Gastgeber fungierenden Arbeitnehmer zur Hälfte von der Versteuerung auszunehmen sind.
Der Bundesfinanzhof bestätigte auch die Rechtsauffassung, dass auch die Aufwendungen für Leerplätze von der Versteuerung auszunehmen sind. Er stellte jedoch klar, dass das Gesetz keine Regelung enthält, bestimmte einzelne Aufwendungen aus der Bemessungsgrundlage auszuscheiden. Danach bemisst sich die Steuer nach den tatsächlichen Aufwendungen ohne Einschränkungen oder Ausnahmen.
Aufgrund der tatsächlichen Begebenheiten (3.000 Geschäftspartner, 1.000 Arbeitnehmer, 1.300 Leerplätze) kann nur im Rahmen einer Schätzung ermittelt werden, welcher Anteil der Aufwendungen auf Geschäftsfreunde und welcher Anteil auf Arbeitnehmer entfällt.
Hinsichtlich eines sachgerechten Aufteilungsmaßstabes liegt es in der Natur der Sache, dass es diesbezüglich unterschiedliche Auffassungen geben kann. Bewertungsfragen sind im Steuerrecht regelmäßig streitanfällig und sorgen im Rahmen von Betriebsprüfungen und Lohnsteueraußenprüfungen immer wieder für Meinungsverschiedenheiten und gerichtliche Auseinandersetzungen.
Der Bundesfinanzhof hat klargestellt, dass im hier streitigen Sachverhalt bestimmte Aufwendungen herausgerechnet werden dürfen, hier die Aufwendungen für Arbeitnehmer in ihrer Funktion als Gästebetreuer und die anteiligen Aufwendungen für Leerplätze – entgegen dem Wortlautes des Gesetzes.
Grundsätzlich ist die Auffassung des BFH zwar nachvollziehbar. Für großes Unverständnis in der Lohn- und Gehaltsabrechnung sorgt immer noch die konträre BFH-Rechtsprechung zu sog. No-Show-Kosten bei Betriebsveranstaltungen. Hier hat der Bundesfinanzhof im konträren Gegensatz zum VIP-Logen-Urteil klargestellt, dass aufgrund des unmittelbaren Gesetzeswortlautes nicht zu differenzieren ist, ob die Aufwendungen zu einer Bereicherung der Arbeitnehmer führen oder nicht.
Nach Maßgabe des BFH-Urteils vom 29.04.21, VI R 31/18, sind bei Betriebsveranstaltungen alle Aufwendungen des Arbeitgebers anzusetzen, ungeachtet dessen, ob sie beim Arbeitnehmer einen Vorteil begründen oder nicht. Die danach zu berücksichtigenden Gesamtkosten des Arbeitgebers sind dabei anteilig auf die bei der Betriebsveranstaltung tatsächlich anwesenden Teilnehmer aufzuteilen.
Wenn ein Arbeitgeber Aufwendungen für eine Betriebsveranstaltung hat und an dieser kurzfristig, z. B. aus gesundheitlichen Gründen, nicht alle Arbeitnehmer teilnehmen können, müssen die Aufwendungen nach dem Willen des Gesetzgebers auf die Anzahl der tatsächlich teilnehmenden Arbeitnehmer verteilt werden und nicht auf die Anzahl der Arbeitnehmer, für die geplant worden ist. In diesem Zusammenhang führen vergebliche Aufwendungen des Arbeitgebers bei Überschreiten des Freibetrags zu lohnsteuerpflichtigen Arbeitslohn, obwohl diese Aufwendungen nicht zu einer Bereicherung der übrigen Arbeitnehmer führen.
Im Extremfall kann bei Überschreiten der umsatzsteuerlichen Freigrenze darüber hinaus der umsatzsteuerliche Vorsteuerabzug des Arbeitgebers verloren gehen.
Der BFH hat mit seinem o.g. Urteil die Rechtmäßigkeit dieser Regelung bestätigt.
Im Ergebnis ist es nach Auffassung des Bundesfinanzhofs als rechtmäßig anzusehen, dass vergebliche Aufwendungen des Arbeitgebers für erkrankte Arbeitnehmer bei Überschreiten des Freibetrags der Lohnversteuerung zu unterwerfen sind.
Der Autor:
Volker Hartmann ist Diplom-Finanzwirt, Lohnsteueraußenprüfer und Betriebsprüfer im aktiven Dienst der Hamburger Finanzverwaltung. Volker Hartmann hat langjährige Prüfungserfahrungen, insbesondere bei Kapitalgesellschaften aller Branchen und Größen. Er ist seit vielen Jahren Referent und Autor beim Verlag Dashöfer. Seine Seminare zeichnen sich durch eine besondere Praxisnähe aus.
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Bild: Ambitious Studio Rick Barrett (Unsplash, Unsplash Lizenz)