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Neue Kündigungsregeln im Gesetz für faire Verbraucherverträge

09.07.2021  — Rolf Becker.  Quelle: Verlag Dashöfer GmbH.

Der Bundestag hat noch vor der Sommerpause 84 neue Gesetzespakete verabschiedet. Es gibt vor allem neue Regelungen für AGB zur Kündigung und Abtretung. Rechtsanwalt Rolf Becker, Partner bei WIENKE & BECKER erläutert in diesem ersten Beitrag hierzu die Konsequenzen.

Verbraucherschutz

Am 25.06.2021 ging plötzlich alles ganz schnell. Nur wenige Stunden nach der Verabschiedung im Bundestag am 24.06. billigte der Bundesrat das neue Gesetz für faire Verbraucherverträge. Es werden Änderungen im Bürgerlichen Gesetzbuch (BGB) vorgenommen, um Verbraucher besser vor telefonisch aufgedrängten Verträgen, langen Vertragsbindungen oder allzu langen Kündigungsfristen zu schützen und Kündigungen und damit Anbieterwechsel einfacher zu machen.

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Auf Unternehmen, die Vertragsangebote machen, die regelmäßige Warenlieferungen vorsehen (Zeitschriften-Abos, Kaffee-Abo) oder Dienst- oder Werklieferungen (Fitnessstudios, Streamingangebote, Partnerbörsen, Energielieferverträge) kommen erhebliche Änderungen zu. Dort müssen AGB bzw. Vertragskonditionen und Webseiten geändert werden, wenn auf diesen Webseiten Vertragsabschlüsse getätigt werden können.

Neue AGB-Regeln

In § 309 BGB werden Regeln für das „Kleingedruckte“, also für AGB aufgestellt. Dem Gesetzgeber ist klar, dass AGB häufig nicht gelesen werden und er untersagt dort eine Reihe von Regelungen zur Laufzeit von Verträgen und Kündigungsfristen. Damit soll verhindert werden, dass Verbraucher unangemessen benachteiligt werden. Wird gegen eines der Verbote verstoßen, ist die Regelung einfach unwirksam. Natürlich kann der Gesetzesverstoß auch abgemahnt werden.

Maximal 2 Jahre Laufzeit wie bisher

So war z.B. schon bislang geregelt, dass Vertragslaufzeiten nicht länger als 2 Jahre ausgestaltet werden dürfen (§ 309 Nr. 9a BGB) und eine sogenannte stillschweigende Verlängerung nicht länger als 1 Jahr betragen darf.

Auch nach neuem Recht bleiben damit Verträge mit einer Laufzeit von maximal zwei Jahren möglich.

Vertragsverlängerung und Kündigungsfristen

Auch Vertragsverlängerungsregeln werden geändert. Unwirksam sind Regelungen, die vorsehen:

b) eine den anderen Vertragsteil bindende stillschweigende Verlängerung des Vertragsverhältnisses, es sei denn das Vertragsverhältnis wird nur auf unbestimmte Zeit verlängert und dem anderen Vertragsteil wird das Recht eingeräumt, das verlängerte Vertragsverhältnis jederzeit mit einer Frist von höchstens einem Monat zu kündigen, oder

c) eine zu Lasten des anderen Vertragsteils längere Kündigungsfrist als einen Monat vor Ablauf der zunächst vorgesehenen Vertragsdauer;

Damit dürfte es keine automatischen ungewollten Verlängerungen mehr geben. Bemerkt ein Verbraucher, dass ein Vertrag sich stillschweigend, also ohne sein Zutun verlängert hat, so kann er mit einer Frist von einem Monat kündigen (oder sofort, wenn die Klausel nicht gesetzeskonform ausgestaltet wurde). Klauseln, die diese Kündigungsfrist von einem Monat verlängern, indem etwa nur zum Ende eines Monats gekündigt werden kann, sind unzulässig und unwirksam.

Keine feste Anschlusslaufzeit

Das dürfte die meisten Laufzeitverträge betreffen, da hier eben meist nach der alten Rechtslage gesetzeskonform eine Verlängerung des Vertrages nach Auslaufen der ersten Laufzeit um ein weiteres Jahr vorgegeben war. Jetzt müssen Unternehmer diese Klauseln ändern und eine Verlängerung eines Vertrages darf sich bei Verträgen mit Verbrauchern nur auf eine „unbestimmte Zeit“ erstrecken. Das bedeutet nichts anderes, als dass der verlängerte Vertrag dann nach der Erstlaufzeit ohne Vertragsbindung gekündigt werden kann.

Kündigungsfrist nicht länger als 1 Monat

Nicht nur dabei dürfen keine längeren Kündigungsfristen als ein Monat vorgesehen werden. Generell werden bei Verträgen mit Verbrauchern längere Kündigungsfristen als ein Monat unwirksam. Das gilt dann auch für die Erstlaufzeit. Bei Verstoß kann also ein Verbraucher sofort bzw. jederzeit kündigen.

Ausnahmen sieht das Gesetz für „die Lieferung zusammengehörig verkaufter Sachen sowie für Versicherungsverträge“ vor.

Altverträge bleiben unberührt

Bereits im Zeitpunkt der Geltung der neuen Regelungen laufende Verträge bleiben unangetastet. Bestehende Abos müssen also nicht umgestellt werden.

Wenn das Gesetz verkündet worden ist, treten die vorstehenden Regelungen am ersten Tag des siebten auf die Verkündung folgenden Kalendermonats in Kraft. Beispiel: Verkündung noch im Juli: Inkrafttreten 01.02.2022. Nachstehende Regelungen zu den Kündigungs-Buttons werden erst ab 01.07.2022 wirksam.

Zwei Buttons zur Kündigung

Um die Kündigung durch einen Verbraucher zu erleichtern, gibt es gleich eine komplett neue Regelung in einem neuen § 312k BGB, der dem Unternehmer gleich zwei neue Schaltflächen (Kündigungsschaltfläche) und Bestätigungen vorschreibt, wenn er auf Webseiten Verträge mit Laufzeiten oder unbestimmter Dauer vorsieht. Über diese Schaltflächen, bei denen nur bestimmte Beschriftungen zugelassen sind, sollen dem Verbraucher im nächsten Jahr ab dem 01. Juli 2022 auch zu bereits laufenden Verträgen einfache Kündigungen ermöglicht werden. Weitere Vorgaben sollen dafür sorgen, dass der Verbraucher sicher erkennen kann, dass er seine Kündigung abgeschickt hat und ihm muss für diese Angaben eine Speichermöglichkeit angeboten werden.

„§ 312k Kündigung von Verbraucherverträgen im elektronischen Geschäftsverkehr

(1) Wird Verbrauchern über eine Webseite ermöglicht, einen Vertrag im elektronischen Geschäftsverkehr zu schließen, der auf die Begründung eines Dauerschuldverhältnisses gerichtet ist, das einen Unternehmer zu einer entgeltlichen Leistung verpflichtet, so treffen den Unternehmer die Pflichten nach dieser Vorschrift. Dies gilt nicht

1. für Verträge, für deren Kündigung gesetzlich ausschließlich eine strengere Form als die Textform vorgesehen ist, und 2. in Bezug auf Webseiten, die Finanzdienstleistungen betreffen, oder für Verträge über Finanzdienstleistungen.

(2) Der Unternehmer hat sicherzustellen, dass der Verbraucher auf der Webseite eine Erklärung zur ordentlichen oder außerordentlichen Kündigung eines auf der Webseite abschließbaren Vertrags nach Absatz 1 Satz 1 über eine Kündigungsschaltfläche abgeben kann. Die Kündigungsschaltfläche muss gut lesbar mit nichts anderem als den Wörtern „Verträge hier kündigen“ oder mit einer entsprechenden eindeutigen Formulierung beschriftet sein. Sie muss den Verbraucher unmittelbar zu einer Bestätigungsseite führen, die

1. den Verbraucher auffordert und ihm ermöglicht Angaben zu machen

a) zur Art der Kündigung sowie im Falle der außerordentlichen Kündigung zum Kündigungsgrund, b) zu seiner eindeutigen Identifizierbarkeit, c) zur eindeutigen Bezeichnung des Vertrags, d) zum Zeitpunkt, zu dem die Kündigung das Vertragsverhältnis beenden soll, e) zur schnellen elektronischen Übermittlung der Kündigungsbestätigung an ihn und

2. eine Bestätigungsschaltfläche enthält, über deren Betätigung der Verbraucher die Kündigungserklärung abgeben kann und die gut lesbar mit nichts anderem als den Wörtern „jetzt kündigen“ oder mit einer entsprechenden eindeutigen Formulierung beschriftet ist. Die Schaltflächen und die Bestätigungsseite müssen ständig verfügbar sowie unmittelbar und leicht zugänglich sein.

(3) Der Verbraucher muss seine durch das Betätigen der Bestätigungsschaltfläche abgegebene Kündigungserklärung mit dem Datum und der Uhrzeit der Abgabe auf einem dauerhaften Datenträger so speichern können, dass erkennbar ist, dass die Kündigungserklärung durch das Betätigen der Bestätigungsschaltfläche abgegeben wurde.

(4) Der Unternehmer hat dem Verbraucher den Inhalt sowie Datum und Uhrzeit des Zugangs der Kündigungserklärung sowie den Zeitpunkt, zu dem das Vertragsverhältnis durch die Kündigung beendet werden soll, sofort auf elektronischem Wege in Textform zu bestätigen.

Es wird vermutet, dass eine durch das Betätigen der Bestätigungsschaltfläche abgegebene Kündigungserklärung dem Unternehmer unmittelbar nach ihrer Abgabe zugegangen ist.

(5) Wenn der Verbraucher bei der Abgabe der Kündigungserklärung keinen Zeitpunkt angibt, zu dem die Kündigung das Vertragsverhältnis beenden soll, wirkt die Kündigung im Zweifel zum frühestmöglichen Zeitpunkt.

(6) Werden die Schaltflächen und die Bestätigungsseite nicht entsprechend den Absätzen 1 und 2 zur Verfügung gestellt, kann ein Verbraucher einen Vertrag, für dessen Kündigung die Schaltflächen und die Bestätigungsseite zur Verfügung zu stellen sind, jederzeit und ohne Einhaltung einer Kündigungsfrist kündigen. Die Möglichkeit des Verbrauchers zur außerordentlichen Kündigung bleibt hiervon unberührt.“

Textformerfordernis für Gas und Strom Lieferungen

Lieferverträge für Strom und Gas soll man nicht mehr allein am Telefon abschließen können. Damit ein Vertrag wirksam ist, muss er künftig "in Textform", also zum Beispiel per E-Mail, SMS oder auch als Brief oder Fax vorliegen. Zugleich wird darüber hinaus das Textformerfordernis auch auf die Kündigung solcher Verträge erweitert. Diese neue Regelung kommt allerdings mit den Änderungen zum Energiewirtschaftsgesetz.

Neue Dokumentationspflicht für Telefoneinwilligungen

Unternehmen müssen künftig die Einwilligung der Verbraucher in Telefonwerbung nach einem neuen § 7a UWG dokumentieren und aufbewahren. Dadurch soll die Bundesnetzagentur unerlaubte Telefonwerbung effizienter ahnden können. Die Archivierungspflicht beträgt 5 Jahre und läuft nach jeder Nutzung neu an. Es drohen bei Verletzung Bußgelder bis zu 50.000 Euro. Die neuen Regelungen dürften je nach Verkündung frühestens ab dem 01.10.2021 oder sonst ab dem 01.01.2022 greifen.

Abtretungsverbote für Zahlungsansprüche in AGB unwirksam

Künftig sind alle Abtretungsausschlüsse, die Unternehmen in ihren AGB für Geldansprüche von Verbrauchern vorsehen, unwirksam. Dies soll auch für andere Ansprüche und Rechte des Verbrauchers gelten, wenn der Unternehmer kein schützenswertes Interesse hat oder das berechtigte Interesse des Verbrauchers überwiegt. Diese neuen Regelungen können sich z.B. auf Abtretungsverbote von Gewährleistungsansprüchen auswirken. Unternehmer sollten ihre AGB dazu prüfen lassen.

Fazit:

Bereits in diesem ersten Teil wird deutlich, dass der Gesetzgeber neue Regelungen mit viel Änderungsbedarf auf den Weg gebracht hat. Im nächsten Newsletter-Rechtsbeitrag wird das neue Gewährleistungsrecht zu Waren mit digitalen Elementen wie Handys oder Laptops mit dem neuen Recht auf Aktualisierung und Ansprüche bei der Bezahlung mit Daten behandelt.

Bild: MyCreative (Adobe Stock, Adobe Stock Standardlizenz)

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