20.06.2018 — Volker Hartmann. Quelle: Verlag Dashöfer GmbH.
Aufgrund des bereits seit vielen Jahren andauernden außerordentlich niedrigen Zinsniveaus steht seit langem die Frage im Raum, ob der von der Finanzverwaltung geforderte Zinssatz gerechtfertigt bzw. verfassungsgemäß ist.
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Nach diversen anderslautenden Urteilen kam der Bundesfinanzhof mit Beschluss vom 25.04.18, IX B 21/18 zu dem Ergebnis, dass nach summarischer Prüfung hinsichtlich der Höhe der Nachzahlungszinsen in Höhe von 0,5% pro Monat ab dem Veranlagungszeitraum 2015 schwerwiegende verfassungsrechtliche Zweifel bestehen. In diesem Zusammenhang hat der Bundesfinanzhof die Finanzverwaltung in die Schranken gewiesen und die Vollziehung eines Zinsbescheides ausgesetzt.
In der Vorinstanz hat das Finanzgericht Köln mit Urteil vom 29.01.18, 15 V 3279/17 den Antrag auf Aussetzung der Vollziehung der Zinsfestsetzung abgelehnt, weil es das öffentliche Vollzugsinteresse sowie das öffentliche Interesse an einer geordneten Haushaltsführung deutlich höher gewichtete als das Anliegen des Steuerbürgers.
Der Bundesfinanzhof hob dieses Urteil nun auf und bestätigte die verfassungsrechtlichen Zweifel des Steuerpflichtigen. Nach Auffassung des Bundesfinanzhofs verstößt die realitätsferne Bemessung des Zinssatzes mit Blick auf den allgemeinen Gleichheitssatz und das sich aus dem Rechtsstaatsprinzip ergebende Übermaßverbot.
Der gesetzlich festgelegte Zinssatz überschreitet für den streitigen Zeitraum 01.04.15 bis 16.11.17 angesichts der zu dieser Zeit bereits eingetretenen strukturellen und nachhaltigen Verfestigung des niedrigen Marktzinsniveaus den angemessenen Rahmen der wirtschaftlichen Realität in erheblichem Maße. Das Niedrigzinsniveau stellt sich jedenfalls für diesen Zeitraum nicht mehr als vorübergehende volkswirtschaftstypische Erscheinung verbunden mit den typischen zyklischen Zinsschwankungen dar, sondern ist struktureller und nachhaltiger Natur. Eine sachliche Rechtfertigung für die gesetzliche Zinshöhe besteht bei der gebotenen summarischen Prüfung nach Auffassung des Bundesfinanzhofs nicht.
Mit Verweis auf die Zinsfestsetzung bei anderen Behörden, hier die Zinsfestsetzung bei Kommunalbehörden, rechtfertigen praktische Gründe bzw. die Verwaltungsvereinfachung einen derartigen realitätsfernen Zinssatz nicht. In diesem Zusammenhang wirkt die realitätsferne Bemessung der Zinshöhe in Zeiten eines strukturellen Niedrigzinsniveaus wie ein sanktionierender, rechtsgrundloser Zuschlag auf die Steuerfestsetzung.
Darüber hinaus hat der Gesetzgeber bereits den Abzinsungssatz von Rückstellungen für Altersversorgungsverpflichtungen in der Handelsbilanz geändert und stellt hier inzwischen auf den realitätsnäheren durchschnittlichen Marktzinssatz der vergangenen sieben Jahre ab.
Die Höhe des nicht marktgerechten Zinssatzes hat erhebliche Auswirkungen auf die Zinsfestsetzung bei der Verzinsung von Steuernachzahlungen bei Betriebsprüfungen und Umsatzsteuer-Sonderprüfungen, insbesondere bei betragsmäßig erheblichen Steuernachforderungen durch das Finanzamt.
Bei Lohnsteueraußenprüfungen hängt die Verzinsung davon ab, ob der Arbeitgeber vom Betriebsstättenfinanzamt durch einen Haftungsbescheid in Anspruch genommen wird oder ob das Finanzamt die nachzuzahlenden Steuerabzugsbeträge durch eine Kontrollmitteilung unmittelbar vom Arbeitnehmer im Rahmen der Veranlagung zur Einkommensteuer zurückfordert.
Wenn der Arbeitgeber durch einen Haftungsbescheid bzw. bei pauschalen Lohnsteuerabzugsbeträgen durch einen Nachforderungsbescheid in Anspruch genommen wird, erfolgt keine Zinsberechnung. Steuernachforderungen sind In diesem Zusammenhang also zinsfrei.
Wenn das Betriebsstättenfinanzamt hingegen den Arbeitgeber nicht in Haftung nimmt, sondern Kontrollmitteilungen an die Wohnsitzfinanzämter der betroffenen Arbeitnehmer schickt, kommen die allgemeinen Grundsätze zum tragen. Der Arbeitnehmer muss die entsprechenden Steuernachzahlungen daher verzinsen. Weil diese Zinsfestsetzung hierbei das Verhältnis zwischen Arbeitnehmer und seinem Finanzamt begründet und der Arbeitgeber insoweit nicht beschwert ist, kann sich der Arbeitgeber gegen die Höhe der festgesetzten Zinsen nicht mit einem Einspruch zur Wehr setzen. Daher empfiehlt es sich, bei derartigen Fallgestaltungen den Arbeitnehmern einen entsprechenden Hinweis zu geben, damit diese ihre berechtigten Ansprüche gegenüber ihrem Wohnsitzfinanzamt geltend machen können.
Der Autor:
Volker Hartmann ist Diplom-Finanzwirt, Lohnsteueraußenprüfer und Betriebsprüfer im aktiven Dienst der Hamburger Finanzverwaltung. Volker Hartmann hat langjährige Prüfungserfahrungen, insbesondere bei Kapitalgesellschaften aller Branchen und Größen. Er ist seit vielen Jahren Referent und Autor beim Verlag Dashöfer. Seine Seminare zeichnen sich durch eine besondere Praxisnähe aus.
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