06.09.2017 — Udo Cremer. Quelle: Verlag Dashöfer GmbH.
Die Kläger sind zur Einkommensteuer zusammenveranlagte Ehegatten und waren an der im Jahre 1999 gegründeten A-GmbH, die ab dem Jahr 2002 unter dem Namen B-GmbH firmierte, beteiligt; bis zum 31.12.2005 betrug der Anteil des Klägers 75,2 % und der der Klägerin 24,8 %. Im Jahre 2000 wurde die C-GmbH gegründet, an der der Kläger zu 24,8 % und die Klägerin zu 75,2 % beteiligt waren. Die B-GmbH stellte Backwaren her, die sie an die C-GmbH lieferte und die von dieser in mehreren Filialen vertrieben wurden. Die C-GmbH wurde im Jahr 2005 mit der B-GmbH verschmolzen. Am 27.6.2006 veräußerte die Klägerin ihre Anteile an der B-GmbH zum Kaufpreis von 25.000 € an den Kläger.
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Mit Vertrag vom 29.8.2001 gewährte der Kläger der B-GmbH ein Darlehen in Höhe von 2 Mio. DM (1.022.583,76 €). Zur Finanzierung des Darlehens war mit Datum 24.8.2001 für den Kläger bei der Z-Bank, die in regelmäßigen Geschäftsbeziehungen zu der B-GmbH stand, ein Konto eingerichtet worden. In dem Darlehensvertrag zwischen dem Kläger und der B-GmbH heißt es unter § 1 Nr. 1, der Kläger habe bei der Z-Bank ein Darlehen aufgenommen und stelle diese Mittel seinerseits der Gesellschaft als Gesellschafterdarlehen zur Verfügung. Die Verzinsung des Darlehens richte sich nach den Geschäftsbedingungen, die für das vom Kläger aufgenommene Darlehen gelten, und betrage 6 % (§ 2 Nr. 1). Nach § 2 Nr. 2 des Vertrages werde der vom Kläger mit der Z-Bank abgeschlossene Vertrag ausdrücklich Vertragsbestandteil auch des Darlehensvertrages zwischen dem Kläger und der B-GmbH.
Gemäß § 3 Nr. 1 und § 4 des Vertrages richteten sich die Rückzahlung des Darlehens und die Laufzeit nach den Bedingungen des Darlehensvertrages zwischen dem Kläger und der Z-Bank. Unter § 3 Nr. 2 des Vertrages war ein Rangrücktritt vereinbart. Zins- und Tilgungsleistungen sollten in Abkürzung des Zahlungsweges unmittelbar an die Z-Bank erfolgen. Sicherheiten wurden nicht vereinbart. Die Zahlung der Valuta erfolgte von dem Konto des Klägers auf ein Konto der B-GmbH. Mit Datum 18.1.2002 bestätigte der Kläger den Rangrücktritt seines Rückzahlungsanspruches aus dem Darlehen.
Zur Finanzierung einer Betriebsverlegung im Jahre 2002 gewährte der Kläger mit Vertrag vom 12.11.2002 der B-GmbH ein weiteres Darlehen. In § 1 Nr. 1 des Vertrages heißt es, der Kläger habe bei der Z-Bank mit Kontovertrag vom 12.11.2002 ein Girokonto mit der Nummer ... eingerichtet. Von diesem Konto sollten Investitionsrechnungen der B-GmbH gezahlt werden. Insofern stelle der Kläger der B-GmbH ein in der Höhe variables Darlehen zur Verfügung. Die Höhe des der B-GmbH gewährten Darlehens richte sich nach der jeweiligen Höhe der Inanspruchnahme des Girokontos. Hinsichtlich der Zinsen, Rückzahlungsbedingungen und Laufzeit wurde auf den Kontovertrag vom 12.11.2002 zwischen dem Kläger und der Z-Bank Bezug genommen. Zahlungen sollten unmittelbar auf dieses Konto erfolgen (§ 5 des Vertrages). Auf die Gestellung von Sicherheiten wurde nach § 6 des Vertrages verzichtet.
Mit Vertrag vom 10.12.2004 zwischen dem Bundesland X, der Z-Bank, der B-GmbH und der C-GmbH verpflichtete sich das Land als Bürge aus einer bestehenden Ausfallbürgschaft für Forderungen der Z-Bank gegenüber den Gesellschaften zur Zahlung eines Teilbetrags. Bedingung hierfür war, dass die Z-Bank auf die dem Kläger gewährten Kreditmittel verzichtet und dass der Kläger seinerseits auf seine Gesellschafterdarlehen in gleicher Höhe gegenüber der B-GmbH verzichtet. Dementsprechend erklärte der Kläger unter dem 9.12.2004 gegenüber der B-GmbH seinen Verzicht auf die Forderungen aus den Darlehen in Höhe von insgesamt 1.507.690,76 € zuzüglich Zinsen und Gebühren seit dem 1.7.2004. Mit Datum 10.12.2004 vereinbarten die Z-Bank und der Kläger ebenfalls einen Forderungsverzicht einschließlich Zinsen und Gebühren seit dem 1.7.2004. Die Vereinbarung erfolgte unter der Bedingung, dass der Kläger seine Anteile nicht vor dem 31.12.2024 veräußert bzw. dass die B-GmbH vor dem 31.12.2024 keine Gewinnausschüttungen oder Kapitalrückzahlungen vornimmt. In diesen Fällen sollte die Forderung der Z-Bank gegen den Kläger wieder aufleben. Die seit dem 1.7.2004 noch zu berücksichtigenden Zinsen und Gebühren beliefen sich auf 45.616,49 €.
Im Jahre 2005 fand bei der C-GmbH, der Vertriebsgesellschaft, eine Außenprüfung für die Jahre 2000 bis 2002 statt. Nach Tz. 2.2 des Berichts der Außenprüfung vom 23.7.2005 beschränkte sich der Geschäftsbetrieb der C-GmbH auf die Erfüllung der Dienstleistungen zum Vertrieb der Backwaren in den einzelnen Verkaufsfilialen, die ihr zum Betrieb von der B-GmbH überlassen worden waren. Die C-GmbH sollte ohne eigenen Gewinn wirtschaften, insbesondere sollten Kosteneinsparungen sich nicht bei der C-GmbH auswirken, sondern von ihr an die B-GmbH weitergegeben werden. Der Außenprüfer vertrat die Ansicht, es sei bereits zweifelhaft, ob ein fremder Dritter auf Dauer die entsprechenden Vereinbarungen hingenommen hätte. Unstreitig hätte ein fremder Dritter den Vertrieb der Backwaren nur dann übernommen, wenn ihm nach Abzug aller Kosten noch ein angemessener Gewinn verblieben wäre. Der C-GmbH verbliebe ein angemessener Gewinn, wenn auf die Personalkosten der C-GmbH ein Gewinnzuschlag von 2,5 v.H. erhoben werde. In dieser Höhe ergäben sich verdeckte Gewinnausschüttungen (vGA). Die Höhe der so ermittelten vGA betrugen für das Jahr 2000 162.045 DM (82.852 €), für 2001 133.838 DM (68.430 €) und für 2002 97.654 €.
Mit notariellem Vertrag vom 9.7.2009 veräußerte der Kläger seinen Geschäftsanteil an der B-GmbH, der zu diesem Zeitpunkt 55,56 % betrug, zu einem Preis von 398.000 €. Mit Vereinbarung vom 8.7.2009 verpflichtete sich der Kläger zur abschließenden Regelung der Verzichtserklärung vom 10.12.2004 zwischen ihm und der Z-Bank aufgrund der Veräußerung seiner Geschäftsanteile einen Betrag von 55.000 € an die Z-Bank zu zahlen.
In ihrer Einkommensteuererklärung für das Streitjahr ermittelten die Kläger einen Veräußerungsverlust in Höhe von 1.245.270,59 EUR wie folgt: | ||
"Verkaufserlös Gesellschaftsanteile 55,56 % | 398.000 € | |
./. Sicherheitseinbehalt | 8.700 € | |
./. Anschaffungskosten | ||
Gründungskapital | 25.000 € | |
Anteilskauf von Ehefrau | 25.000 € | |
Forderungsverzicht Darlehen vom 10.12.2004 | 1.507.690,76 € | |
Kosten für Beratung | 15.169,55 € | |
Verdeckte Einlagen | 61.710,28 € | 1.634.570,59 € |
./. 1.245.270,59 € | ||
Verlust in Höhe von 60 % (Teileinkünfteverfahren) | ./.747.162,36 € |
Das FA setzte mit Einkommensteuerbescheid für 2009 vom 7.10.2011 die Einkommensteuer auf 0 € fest. Das FA führte aus, bei der Ermittlung des Veräußerungsverlustes aus dem Verkauf der Gesellschaftsanteile an der B-GmbH sei der Verlust einer Einlage mit lediglich 500.000 € zu berücksichtigen. Ein Forderungsverzicht der Darlehen vom 10.12.2004 in Höhe von 1.507.690,76 € könne nicht berücksichtigt werden, da es sich nicht um Darlehen mit eigenkapitalersetzendem Charakter gehandelt habe. Das FA berechnete den Veräußerungsverlust daher wie folgt:
Verkaufserlös Gesellschaftsanteile 55,56 % | 398.000 € | |
./. Sicherheitseinbehalt | 8.700 € | |
./. Anschaffungskosten | Gründungskapital | 25.000 € |
Anteilskauf von Ehefrau | 25.000 € | |
Forderungsverzicht Darlehen vom 10. Dezember 2004 | 500.000 € | |
Kosten für Beratung | 15.169,55 € | 565.169,55 € |
./. 175.869,55 € | ||
Verlust in Höhe von 60 % (Teileinkünfteverfahren) | ./. 105.521,73 € |
Die Kläger erhoben hiergegen Einspruch. Mit Einspruchsentscheidung vom 12.5.2014 änderte das FA die Einkommensteuerfestsetzung auf 98.574 € und wies den Einspruch im Übrigen zurück. Das FG gab der gegen den Einkommensteuerbescheid vom 7.10.2011 in der Gestalt der Einspruchsentscheidung vom 12.5.2014 gerichteten Klage mit dem in EFG 2016, 1776 veröffentlichten Urteil insoweit statt, als der Veräußerungsgewinn nach § 17 EStG auf 161.478,27 € herabgesetzt wurde.
Die Revision der Kläger ist begründet (BFH Urteil vom 11.4.2017, IX R 4/16). Sie führt zur Aufhebung der Vorentscheidung und zur Änderung des angefochtenen Einkommensteuerbescheids für 2009 vom 15.5.2014 dahingehend, dass der Veräußerungsgewinn nach § 17 EStG auf 161.478 € herabgesetzt wird. Im Übrigen wird die Klage abgewiesen. Das FG hat insoweit zutreffend entschieden, dass weder der vom Kläger erklärte Verzicht auf die Rückzahlungsansprüche aus den der B-GmbH gewährten Darlehen noch die vom Kläger geltend gemachten verdeckten Einlagen in die B-GmbH zu nachträglichen Anschaffungskosten führen.
Das Urteil des FG ist aus verfahrensrechtlichen Gründen aufzuheben. Es kann keinen Bestand haben, weil das FG über den nicht mehr wirksamen Einkommensteuerbescheid 2009 vom 7. Oktober 2011 in Gestalt der Einspruchsentscheidung vom 12. Mai 2014 entschieden hat. Das FA hat nach Bekanntgabe der Einspruchsentscheidung mit Datum vom 15.5.2014 einen geänderten Einkommensteuerbescheid 2009 erlassen, der gemäß § 68 Satz 1 FGO zum Gegenstand des Verfahrens geworden ist. Dem FG-Urteil liegt damit ein in seiner Wirkung suspendierter Bescheid zugrunde.
Die Klage ist nur in dem aus dem Tenor ersichtlichen Umfang begründet. Das FA hat zu Unrecht (wie zwischen den Beteiligten unstreitig ist) nachträgliche Anschaffungskosten in Höhe von 55.000 € nicht berücksichtigt. Im Übrigen ist die Klage unbegründet.
Nach § 17 Abs. 1 EStG gehört zu den Einkünften aus Gewerbebetrieb auch der Verlust aus der Veräußerung von Anteilen an Kapitalgesellschaften, wenn der Gesellschafter innerhalb der letzten fünf Jahre am Kapital der Gesellschaft qualifiziert beteiligt war und er die Beteiligung in seinem Privatvermögen hielt. Veräußerungsgewinn i.S. von § 17 Abs. 1 EStG ist gemäß Abs. 2 Satz 1 der Vorschrift der Betrag, um den der Veräußerungspreis nach Abzug der Veräußerungskosten die Anschaffungskosten übersteigt. Veräußerungspreis i.S. der genannten Vorschrift ist der Wert der Gegenleistung, die der Veräußerer durch Abschluss des dinglichen Veräußerungsgeschäfts am maßgebenden Stichtag erlangt. Anschaffungskosten sind nach § 255 Abs. 1 Satz 1 HGB Aufwendungen, die geleistet werden, um einen Vermögensgegenstand zu erwerben. Dazu gehören nach § 255 Abs. 1 Satz 2 HGB auch die nachträglichen Anschaffungskosten. Zu den nachträglichen Anschaffungskosten einer Beteiligung zählen neben (verdeckten) Einlagen auch nachträgliche Aufwendungen auf die Beteiligung, wenn sie durch das Gesellschaftsverhältnis veranlasst sind und weder Werbungskosten bei den Einkünften aus Kapitalvermögen noch Veräußerungs- oder Auflösungskosten sind. Zu in diesem Sinne funktionalem Eigenkapital werden Finanzierungshilfen oder Finanzierungsmaßnahmen, wenn der Gesellschafter der Gesellschaft in der Krise der Gesellschaft ein Darlehen gewährt und diese Finanzierungsmaßnahme eigenkapitalersetzenden Charakter hat.
Nach diesen Maßstäben hat das FG zu Recht entschieden, dass der vom Kläger erklärte Verzicht auf die Rückzahlungsansprüche aus den der B-GmbH gewährten Darlehen bei ihm zu keiner wirtschaftlichen Belastung und damit nicht zu nachträglichen Anschaffungskosten führten.
Das FG hat darüber hinaus zutreffend erkannt, dass nachträgliche Anschaffungskosten in Höhe von 55.000 € zu berücksichtigen sind. Denn in dieser Höhe hat der Kläger aufgrund des Besserungsscheins vom 10.12.2004 durch das Gesellschaftsverhältnis veranlasste Zahlungen an die Z-Bank geleistet. Vor diesem Hintergrund ist der vom FA ermittelte Veräußerungsgewinn i.S. des § 17 EStG in Höhe von 324.130,45 € unter Berücksichtigung der nachträglichen Anschaffungskosten von 55.000 € auf 269.130,45 € und nach Anwendung des Teileinkünfteverfahrens auf 161.478,27 € herabzusetzen.
Der Autor:
Udo Cremer ist geprüfter Bilanzbuchhalter (IHK) und hat die Steuerberaterprüfung mit Erfolg abgelegt. Er ist als Dozent für Steuer- und Wirtschaftsrecht tätig und veröffentlicht seit mehreren Jahren praxisorientierte Fachbücher zu den Themen Buchführung, Kostenrechnung, Preiskalkulation, Kennzahlen, Jahresabschluss und Steuerrecht. Daneben wirkt er als Autor an zahlreichen Fachzeitschriften und Loseblattsammlungen im Bereich der Buchhaltung und des Steuerrechts mit.
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