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Keine Diskriminierung durch Aufforderung zum Besuch eines Deutschkurses

17.08.2011  — Online-Redaktion Verlag Dashöfer.  Quelle: PersonalGate.

Aktuelle Entscheidung des Bundesarbeitsgerichts zu der Frage, ob eine Aufforderung zum Besuch eines Deutschkurses einen Entschädigungsanspruch aufgrund einer Diskriminierung wegen der ethnischen Herkunft nach dem Allgemeinen Gleichbehandlungsgesetz (AGG) auslösen kann.

Einleitung

Nach § 15 Abs. 2 Satz 1 AGG kann ein Beschäftigter wegen eines Schadens, der nicht Vermögensschaden ist, bei einem Verstoß gegen das Benachteiligungsverbot gemäß § 7 AGG i. V. m. § 1 AGG eine angemessene Entschädigung in Geld verlangen. Nach § 7 Abs. 1 AGG dürfen Beschäftigte nicht wegen eines in § 1 AGG genannten Grundes, unter anderem nicht wegen ihrer ethnischen Herkunft, benachteiligt werden.

Sachverhalt

In dem Urteil des Bundesarbeitsgerichts vom 22. Juni 2011, von dem bisher nur eine Pressemit-teilung des Bundesarbeitsgerichts vorliegt, geht es um eine Arbeitnehmerin, die seit dem Jahr 1985 in einem Schwimmbad beschäftigt ist. Sie wurde im ehemaligen Jugoslawien geboren. Ihre Muttersprache ist kroatisch. Die Arbeitnehmerin war zunächst als Reinigungskraft eingesetzt. Vor über 14 Jahren wurde ihr zusätzlich Kassenbefugnis erteilt. Seitdem arbeitet sie auch als Vertre-tung an der Kasse des Schwimmbads. Im Frühjahr 2006 forderte der Betriebsleiter sie auf, zur Verbesserung ihrer Deutschkenntnisse auf eigene Kosten und außerhalb der Arbeitszeit einen Deutschkurs zu absolvieren. Aufgrund ihrer unzureichenden Deutschkenntnisse sei es immer wieder zu Problemen in der Verständigung mit Kollegen, Vorgesetzten und Kunden gekommen. Es sei nicht möglich, sie aufgabengerecht einzusetzen, wenn sie Sachverhalte nicht verstehen oder deuten könne. Die Arbeitnehmerin lehnte es ab, den Sprachkurs selbst zu bezahlen. Die von ihr verlangte Kostenübernahme wies die Arbeitgeberin zurück.

Die Arbeitnehmerin nahm auch nach weiteren Aufforderungen nicht an einem Deutschkurs teil. Sie sah die Aufforderungen zur Teilnahme an einem Deutschkurs als Mobbing und Diskriminierung wegen ihrer ethnischen Herkunft an und verlangte deshalb eine Entschädigung in Höhe von 15.000,00 Euro.

Die Entscheidung

Das Bundesarbeitsgericht hat entschieden, dass die Aufforderung durch den Arbeitgeber, an einem Deutschkurs teilzunehmen, um arbeitsnotwendige Sprachkenntnisse zu erwerben, keinen Verstoß gegen das Allgemeine Gleichbehandlungsgesetz darstellt. Der Arbeitgeber könne das Absolvieren von Sprachkursen verlangen, wenn die Arbeitsaufgabe die Beherrschung der deutschen (oder einer fremden) Sprache erfordere.

Die Aufforderung, dies auf eigene Kosten und außerhalb der Arbeitszeit zu tun, könne zwar im Einzelfall gegen den Arbeitsvertrag oder gegen die Regeln eines Tarifvertrages verstoßen. Ein solcher Verstoß stelle aber keine unzulässige Diskriminierung wegen der ethnischen Herkunft dar, der Entschädigungsansprüche aus § 15 Abs. 2 Satz 1 AGG auslöse.

Damit hat das Bundesarbeitsgericht die Entscheidung der Vorinstanz (Landesarbeitsgericht Schleswig-Holstein, Urteil vom 23. Dezember 2009 - 6 Sa 158/09) im Ergebnis bestätigt.

Praxishinweis

Der Arbeitgeber darf den Arbeitnehmer in den Grenzen des Direktionsrechts nach § 106 GewO zum Besuch von Sprachkursen auffordern. Gemäß § 106 Satz 1 GewO kann der Arbeitgeber Inhalt, Ort und Zeit der Arbeitsleistung nach billigem Ermessen näher bestimmen, soweit diese Arbeitsbedingungen nicht durch den Arbeitsvertrag, Bestimmungen einer Betriebsvereinbarung, eines anwendbaren Tarifvertrags oder gesetzliche Vorschriften festgelegt sind. Die Anweisung, einen Sprachkurs zu absolvieren, dürfte danach grundsätzlich zulässig sein, wenn und soweit die Sprachkenntnisse für die möglichst optimale Erledigung der arbeitsvertraglich geschuldeten Tätigkeit erforderlich sind und die Aufforderung zur Erlangung der Sprachkenntnisse nach einer Interessenabwägung für den Arbeitnehmer zumutbar ist. Kann der Arbeitgeber im Wege seines Direktionsrechtes vom Arbeitnehmer verlangen, seine Arbeitsleistung auf einem bestimmten Sprachniveau oder in einer bestimmten Sprache zu erbringen, so kann er vom Arbeitnehmer auch verlangen, sich den hierfür erforderlichen Kenntnisstand anzueignen. Die Fortbildung ist insoweit Teil der geschuldeten Arbeit. Fordert der Arbeitgeber den Arbeitnehmer in einem solchen Fall auf, einen Sprachkurs zu besuchen, liegt hierin keine Belästigung im Sinne von § 3 Abs. 3 AGG (LAG Schleswig-Holstein 23.12.2009 - 6 Sa 158/09).

Der Pressemitteilung des Bundesarbeitsgerichts ist zu entnehmen, dass sich für den Arbeitgeber dann Probleme ergeben können, wenn der Sprachkurs außerhalb der Arbeitszeit und auf Kosten des Arbeitnehmers stattfinden soll, denn aus dem Arbeitsvertrag, einem Tarifvertrag, einer Be-triebsvereinbarung oder dem Gleichbehandlungsgrundsatz kann sich eine Verpflichtung des Arbeitgebers zur Übernahme der Kosten für den Sprachkurs ergeben.

Um Streitigkeiten zu vermeiden, ist es daher ratsam, Fortbildungspflichten und deren Bedingungen (während oder außerhalb der Arbeitszeit, unbezahlte Freistellung, anteilige Kostentragungspflicht, Rückzahlung von Fortbildungskosten bei vorzeitigem Ausscheiden) von vornherein im Arbeitsvertrag oder in einem Nachtrag zum Arbeitsvertrag mit dem jeweiligen Arbeitnehmer zu vereinbaren.

Weigert sich der Arbeitnehmer, seiner Fortbildungsverpflichtung nachzukommen, kann der Ar-beitgeber den Arbeitnehmer abmahnen und bei wiederholter Weigerung aus personen- oder verhaltensbedingten Gründen kündigen.

Quelle: Petra Timmermann (Taylor Wessing Hamburg)
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