25.08.2015 — Online-Redaktion Verlag Dashöfer. Quelle: Ernst und Young Steuerberatungs- und Wirtschaftsprüfungsgesellschaft m.b.H..
Von einer „Gewinnerwartung“ ist die Rede, wenn der Gewinn höher ausfällt als zuvor vom Unternehmen prognostiziert. Im ersten Halbjahr 2014 hatte es nur acht derartige Fälle gegeben. Gleichzeitig aber bleibt die Zahl der Gewinn- oder Umsatzwarnungen mit 24 auf hohem Niveau - im Vorjahreszeitraum mussten die Unternehmen 27 Mal ihre Gewinn- oder Umsatzprognosen nach unten korrigieren.
Insgesamt steigt damit die Zahl der Prognosekorrekturen - unabhängig davon, ob positiv oder negativ - im ersten Halbjahr im Vergleich zur ersten Jahreshälfte 2014 von 35 auf 83.
Das sind Ergebnisse einer aktuellen Studie der Prüfungs- und Beratungs-gesellschaft EY, die veröffentlichungspflichtige Korrekturen an Gewinn- und Umsatzprognosen in den Jahren 2011 bis 2014 untersucht. Für die Analyse wurden 304 Unternehmen aus dem Prime Standard der Frankfurter Börse betrachtet.
Einer der wichtigsten Gründe dafür, dass so viele Unternehmen ihre ursprünglichen Prognosen übertreffen, ist der schwache Euro: Von der Schwäche der Gemeinschaftswährung profitieren vor allem stark exportorientierte Unternehmen - ihre Waren werden auf dem Weltmarkt günstiger und zugleich nehmen sie für Produkte, die beispielsweise in Dollar bezahlt werden, umgerechnet mehr ein. In 15 der 59 Gewinn- oder Umsatzerwartungen des ersten Halbjahres ist ausdrücklich von positiven Währungseffekten die Rede, bei etlichen weiteren dürften Wechselkurse ebenfalls eine wichtige Rolle gespielt haben.
„Der schwache Euro wirkt aktuell bei vielen deutschen Unternehmen als Umsatz- und Gewinnturbo“, kommentiert Martin Steinbach, Leiter des Bereichs IPO and Listing Services bei EY. „Im ersten Halbjahr dieses Jahres lag der Eurokurs im Vergleich zum US-Dollar und zum chinesischen Renminbi etwa 20 Prozent niedriger als im Vorjahreszeitraum - entsprechend steigen die für diese Regionen ausgewiesenen Euro-Umsätze. So erfreulich und willkommen dieser Umsatzschub für die deutschen Konzerne ist – über die tatsächliche operative Entwicklung der Unternehmen sagt die aktuelle Flut von Gewinn- und Umsatzerwartungen relativ wenig aus“.
Denn dass so viele Unternehmen ihre prognostizierten Ergebnisse übertreffen, sei nicht das Ergebnis eines breiten und stabilen Aufschwungs, betont Steinbach: „Relativ viele Unternehmen können derzeit überhaupt nur wegen positiver Wechselkurseffekte ein Umsatz- oder Gewinnwachstum ausweisen. Wechselkurseffekte kaschieren also in vielen Fällen die eigentliche Schwäche vieler Unternehmen, die unter der überraschend schwachen Entwicklung gerade der Schwellenländer und der weltweit gesunkenen Investitionsbereitschaft leiden“.
Weder Unternehmen noch Investoren dürften sich in Sicherheit wiegen, warnt Bernd Richter, Leiter des Bereichs Restrukturierung bei EY: „Wenn im nächsten Geschäftsjahr die positiven Wechselkurseffekte wegfallen, könnte es ein böses Erwachen geben. Denn es besteht die Gefahr, dass eigentlich fällige Anpassungen und Restrukturierungen nicht angegangen werden, weil die auf den ersten Blick erfreulichen Umsatzzahlen darüber hinwegtäuschen, dass eigentlich Handlungsbedarf besteht“.
Während immer mehr Unternehmen ihre Prognosen nach oben korrigieren, bleibt die Zahl der Unternehmen, die ihre Ziele voraussichtlich nicht erreichen, auf relativ hohem Niveau: Nach 27 Gewinn- oder Umsatzwarnungen im Vorjahreshalbjahr mussten die untersuchten Unternehmen in der ersten Jahreshälfte 2015 immerhin noch 24 mal ihre Prognosen nach unten korrigieren. Zum Vergleich: Im Jahr 2011 und 2012 lag die Zahl der Gewinn- oder Umsatzwarnungen im ersten Halbjahr jeweils nur bei 13, 2013 waren es 15.
Richter führt die anhaltend hohe Zahl an Gewinn- oder Umsatzwarnungen vor allem auf die zahlreichen politischen und wirtschaftlichen Krisen zurück – und darauf, dass längst nicht alle Unternehmen vom schwachen Euro profitieren: „Ehemals vielversprechende Schwellenländer wie Brasilien und Russland entwickeln sich aktuell sehr schwach – und nun scheint auch China eine Wachstumspause einzulegen. Hinzu kommen die starken Währungsschwankungen und der extrem niedrige Ölpreis, der in einigen Branchen zu Problemen führt“.
Im Durchschnitt brachen die Kurse der betroffenen Unternehmen am Tag der Gewinnwarnung um sieben Prozent [1] ein, und sie konnten sich auch in der Folgewoche nicht wieder erholen: Eine Woche nach Bekanntgabe der Gewinnwarnung lag der Aktienkurs im Durchschnitt um neun Prozent niedriger als vor der Adhoc-Meldung. Wenn hingegen Unternehmen ein Übertreffen ihrer Gewinnprognosen ankündigten, führte das im Schnitt zu einem Anstieg des Aktienkurses um vier Prozent (am selben Tag) bzw. um acht Prozent (eine Woche später).
„Aus Investorensicht ist die Tatsache, dass deutsche, börsennotierte Unternehmen bei ihren Umsatz- oder Gewinnprognosen immer häufiger daneben liegen, eine bedenkliche Entwicklung“, so Richter. „Obwohl Volatilität die neue Normalität ist, werden offensichtlich immer noch viele Unternehmen von den erheblichen Marktschwankungen überrascht. Die Prognosemodelle vieler Unternehmen sind ganz offenbar nicht so gut, wie man es erwarten sollte. Hinzu kommt, dass dezentrale Einheiten und Unternehmensteile vielfach mangelhaft koordiniert und an die Zentrale angebunden sind. Ebenfalls ein wichtiger Faktor sind veraltete und fragmentierte IT-Systeme. All das führt dazu, dass viele Prognosen ungenau sind und zudem zu langsam aktualisiert werden. In Zeiten zunehmender Marktschwankungen ist das fatal. Denn ist das Vertrauen des Kapitalmarktes einmal verspielt, dauert es Jahre, es wieder zu erarbeiten“.
Seit Anfang 2011 mussten 45 Prozent der im Prime Standard gelisteten Unternehmen mindestens einmal eine Gewinnwarnung veröffentlichen, 31 Prozent gaben mindestens eine Umsatzwarnung heraus. Dabei war der Anteil der Unternehmen mit mindestens einer Gewinn- oder Umsatzwarnung im TecDAX mit jeweils 47 Prozent am höchsten.
Von den 30 Dax-Konzernen mussten in den vergangenen viereinhalb Jahren 43 Prozent (mindestens) eine Gewinnwarnung veröffentlichen. Im ersten Halbjahr 2015 gab es keine einzige Gewinn- oder Umsatzwarnung eines DAX-Konzerns. Von den TecDAX-Unternehmen mussten immerhin sieben Prozent ihre Gewinnziele im ersten Halbjahr nach unten korrigieren, im MDAX lag der Anteil sogar bei zehn Prozent.
In den vergangenen viereinhalb Jahren mussten Energieversorger, Industrieunternehmen und Baukonzerne besonders häufig ihre Gewinnprognosen nach unten korrigieren: 67 Prozent der Energieversorger haben mindestens eine Gewinnwarnung veröffentlicht, bei den Industrieunternehmen und Baukonzernen liegt der Anteil bei 61 bzw. 60 Prozent. Am seltensten mussten Telekommunikationsunternehmen (elf Prozent), Medienunternehmen (neun Prozent) und Immobilienkonzerne (sechs Prozent) Gewinnwarnungen veröffentlichen.
Die Studie können Sie hier downloaden.
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