10.11.2021 — Tobias Weilandt. Quelle: Verlag Dashöfer GmbH.
Hier können Sie die Reihe "Philosophie fürs Homeoffice" sehen.
Wir alle sollen stetig Verantwortung übernehmen oder übernehmen sie tatsächlich. Doch was heißt Verantwortung eigentlich? Für was können wir denn tatsächlich verantwortlich gemacht werden? Bekanntermaßen starb Jesus, als Sohn Gottes, am Kreuz für die Sünden der Menschheit. Hier griff das Prinzip der stellvertretenden Genugtuung, das nicht nur juristisch, sondern auch moralisch höchst fragwürdig ist. Jesus selbst sündigte nicht, sondern opferte sich für die Vergehen anderer. Verantwortlich war er also keinesfalls.
Verantwortlich gemacht können wir letztlich nur für Handlungen, die in irgendeiner Weise als Vergehen gelten oder so verstanden und uns zugeschrieben werden können. Handlungen werden im Rahmen klassischer Handlungstheorien der theoretischen Philosophie von Verhalten unterschieden. Im Alltag benutzen wir zwar beide Begriffe synonym, doch ein genauer Blick zeigt, dass es sinnvoll ist, zwischen beiden zu differenzieren.
Stellen Sie sich vor, Sie stolpern über ein Druckerkabel im Büro, was dazu führt, dass das Gerät vom Tisch fällt und irreparabel beschädigt wird. Sie werden nun zur Verantwortung gezogen, den Drucker unbrauchbar gemacht zu haben. Aber ist das tatsächlich sinnvoll? Sie haben den Drucker ja nicht mit (voller) Absicht vom Tisch gefegt, was ja auch in juristischen Kontexten berücksichtigt wird. Was kann man Ihnen also tatsächlich vorwerfen? Sie waren unachtsam! Jemanden verantwortlich zu machen, dass sie oder er gestolpert ist, ist in etwa so nachvollziehbar, wie jemanden zu sagen, er solle aufhören zu niesen und sie solle nun endlich mal im Lotto gewinnen. Stolpern, niesen und im Lotto gewinnen gehört in die Kategorie des Verhaltens, weil es Widerfahrnisse sind. Wir haben keinen Einfluss auf Widerfahrnisse, wenn wir auch verantwortlich dafür sind, dass ihre Wahrscheinlichkeit steigt: Wer stolpert, ist unvorsichtig gewesen und wer im Lotto gewinnt, muss vorher einen Lottoschein ausgefüllt und abgegeben haben. Auf den Gewinn der Lotterie habe ich danach aber keinen Einfluss mehr, sondern es ist einfach nur Glück.
Der Philosoph Peter Janich machte vor einigen Jahren auf zwei weitere Kriterien aufmerksam, die eine Unterscheidung zwischen Verhalten (hierzu gehören u. a. Widerfahrnisse) und Handlungen ermöglichen: Für Handlungen kann ich Gründe angeben, die mein Tun rechtfertigen und Ziele kommunizieren, die ich mit dieser Handlung verfolgen wollte - auch, wenn ich das Ziel nicht erreicht habe. Verhaltensweisen hingegen unterliegen Ursachen und besitzen kein Ziel - sie passieren eben einfach.
Wenn Sie also demnächst mal wieder wegen etwas verantwortlich gemacht werden, das Sie angeblich verschuldet haben, prüfen Sie einfach ob folgende Kriterien erfüllt sind: Kann man Sie zu einem bestimmten Tun (Vergehen) sinnvoll auffordern? Und können Sie tatsächlich (rationale) Handlungsgründe angeben für Ihre Aktion? Und lag ein konkretes Handlungsziel vor, das sie im Sinn hatten oder haben könnten? Wenn nicht, lag keine echte Handlung vor, sondern Ihnen widerfuhr vielleicht einfach nur ein kleines Unglück!
Bild: Anna Shvets (Pexels, Pexels Lizenz)
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