03.08.2012 — Online-Redaktion Verlag Dashöfer. Quelle: Hans Böckler Stiftung.
Neue Produkte oder Dienstleistungen, eine andere Arbeitsorganisation oder effizientere Produktionsprozesse gelten als Schlüsselelemente, um die Wettbewerbsfähigkeit langfristig zu sichern. Früher hätten Arbeitnehmer Innovationen oft skeptisch gegenübergestanden: Sie fürchteten, dass ihre Arbeitsplätze durch Rationalisierung verloren gehen würden, schreiben Prof. Dr. Bernd Kriegesmann und Thomas Kley vom IAI.
Doch das hat sich deutlich geändert, zeigen die beiden Innovationsforscher. Betriebsräte sind Innovationen gegenüber grundsätzlich positiv eingestellt und treiben sie mit voran: "Viele Betriebsräte formulieren eigene Ideen und geben Impulse zur Weiterentwicklung des betrieblichen Innovationsgeschehens", so das Fazit der Forscher: "Sie tragen dazu bei, Innovationen mit Bestimmung für Wettbewerbsfähigkeit und Beschäftigung voranzutreiben und betriebliche Innovationsfähigkeit auf Dauer zu stellen." Dabei können sie sich auf das Betriebsverfassungsgesetz stützen, das die Mitgestaltung der Unternehmensentwicklung explizit vorsieht. Allerdings funktioniert der Informationsfluss zwischen Management und Arbeitnehmervertretern längst nicht in jedem Unternehmen. Und Betriebsräte mit hoher Belastung durch ihre Kernaufgaben sind bei Innovationen oft weniger aktiv, beobachten die Forscher.
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Die Ergebnisse der Studie basieren zum einen auf Daten aus der WSI-Betriebsrätebefragung 2008/2009, der die IAI-Experten eigene Fragen hinzufügen konnten. Daran beteiligten sich 1.700 Betriebsratsgremien. Die Untersuchung ist damit repräsentativ für alle deutschen Betriebe mit mehr als 20 Beschäftigten und Interessenvertretung. Zudem haben Kriegesmann und Kley in einer qualitativen Fallstudie 26 Betriebe vertieft untersucht. Dabei haben sie nicht nur Betriebsräte interviewt, sondern auch Beschäftigte und Manager.
Gut 70 Prozent der Betriebsräte sind grundsätzlich in Innovationsprozesse einbezogen. Bei der Qualität der Partizipation gibt es jedoch erhebliche Unterschiede, auf deren Grundlage die Forscher fünf Typen unterscheiden. Fast ein Drittel der Betriebsräte sieht sich bei der Planung und Umsetzung von Innovationen überhaupt nicht einbezogen. Weitere 9 Prozent der Befragten werden vom Management zwar informiert, aber nicht rechtzeitig und umfassend genug, um sich selbst noch beteiligen zu können. 12 Prozent werden durch das Management zwar umfassend informiert, bringen aber selbst keine eigenen Vorschläge ein. 17 Prozent zählen zur Gruppe der "ambitionierten Mitgestaltung". Sie werden durch das Management eingebunden und machen eigene Vorschläge. Doch die werden oft nicht berücksichtigt oder wieder fallen gelassen. Betriebsräte vom Typ der "machtvollen Mitgestaltung" - 33 Prozent aller Arbeitnehmervertreter - können sich dagegen auch durchsetzen: Ihre Innovationsbeiträge werden überwiegend berücksichtigt.
Wenn Betriebsräte mit ihren Innovationsvorschlägen durchdringen, hat das nach Analyse der Forscher wesentlich mit einer besonders guten Vernetzung innerhalb und außerhalb des Betriebes zu tun. Gut 80 Prozent der Betriebsräte aus der Gruppe der "Mitgestalter" gaben an, dass sie bei der Planung und Umsetzung von Innovationen unterstützt werden - etwa von externen Beratern oder von den jeweiligen Experten im Betrieb. Die Forscher betrachten die Fähigkeit, sich bei Kollegen Informationen und Hilfe zu holen und durch dieses Wissen die eigene Verhandlungsmacht zu stärken, als wichtigste Voraussetzung für die Durchsetzungsfähigkeit des Betriebsrates bei Innovationen.
Besonders stark eingebunden werden Betriebsräte, wenn es um Innovationen in der Arbeitsorganisation und um die betriebliche Personal- oder Sozialpolitik geht. Über 90 Prozent werden in diesen Bereichen, die zu den klassischen Domänen der Betriebsräte gehören, vom Management an der Entscheidungsfindung beteiligt. Doch je weiter sich die Innovation vom betrieblichen Alltag entfernt, desto mehr schwindet die Beteiligung, stellen die Forscher fest. Bei der Einführung neuer Produkte oder Dienstleistungen reden rund 44 Prozent mit, bei der Erschließung neuer Märkte lediglich 22 Prozent. In diesen Bereichen machen die Betriebsräte deutlich seltener eigene Vorschläge. Das liegt laut den Ergebnissen der Fallstudie häufig am fehlenden Fachwissen der Betriebsräte. Sie trauten sich oft schlicht nicht zu, die geplanten Änderungen angemessen zu beurteilen und gegebenenfalls tragfähige Alternativen aufzuzeigen, beobachten die Wissenschaftler. Zudem betrachteten viele das nicht als ihr Kernarbeitsfeld.
Bei Veränderungen der Arbeitsorganisation oder der Personalpolitik haben die Arbeitnehmervertreter die ausgeprägtesten Mitbestimmungsrechte. Nur mit Zustimmung des Betriebsrates können Arbeitgeber beispielsweise den Beginn und das Ende der Arbeitszeit festlegen, allgemeine Urlaubsgrundsätze aufstellen oder die betriebliche Weiterbildung organisieren.
Die Fallstudie zeigt, dass Betriebsräte in diesem Bereich teilweise sogar Management-Aufgaben übernehmen - vor allem wenn eine professionelle Personalarbeit fehlt. Sie entwickeln dann etwa neue Arbeitszeitmodelle oder bringen sich mit der Forderung nach exakter Stellenplanung aktiv in die Personalentwicklung ein. Allerdings könne fehlende Professionalität aufseiten des Managements die Beteiligung auch erschweren, so die Forscher: Wenn den Betriebsräten die Gesprächs- und Verhandlungspartner fehlen, bremst das Innovationen. Nach den Ergebnissen der Fallstudie hängt das aber nicht mit der Größe des Unternehmens zusammen. Auch wenn kleinere Betriebe keine Personalabteilung haben, könne die Personalentwicklung auf einer individuelleren Ebene als in einem Großkonzern durchaus funktionieren.
Die größten Hemmnisse für aktives Engagement der Betriebsräte liegen aber nicht zwangsläufig beim Management, beobachten Kriegesmann und Kley. In zahlreichen Interviews habe sich die Unternehmensleitung gerade im Personalwesen und bei der Arbeitsorganisation mehr Engagement gewünscht. Aus der Befragung der Betriebsräte ging zugleich hervor, dass die Arbeitnehmervertreter selbst Zeitmangel als größte Barriere einschätzen. Um effizienter bei Innovationen mitarbeiten zu können, machen die Forscher Betriebsräten konkrete Vorschläge:
Mitbestimmung und Innovation passen laut der Studie gut zusammen. In innovationstarken Betrieben ist der Typ der "machtvollen Mitgestaltung" mit 41 Prozent überdurchschnittlich oft zu finden. "Innovation ist ein weiteres wichtiges Handlungsfeld für Betriebsräte mit zukünftig noch steigender Relevanz", folgern die Forscher aus ihren empirischen Befunden. "Wenn Betriebsräte in diesem Bereich mitgestalten und sich für Innovationsfähigkeit engagieren wollen, handeln sie im wohlverstandenen Interesse ihrer Klientel." Die Befragung habe auch gezeigt, dass in innovativen Betrieben höhere außertarifliche Lohnsteigerungen zu verzeichnen sind. Zudem seien diese Unternehmen eher in der Lage, Beschäftigung zu sichern und neue Arbeitsplätze zu schaffen: