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Grundsteuer-Analyse: Bundesweit stärkster Anstieg seit 6 Jahren

14.08.2023  — Online-Redaktion Verlag Dashöfer.  Quelle: Ernst und Young GmbH, Wirtschaftsprüfungsgesellschaft.

In jeder achten deutschen Kommune stieg 2022 die Grundsteuer. 38 Prozent der Gemeinden haben in den vergangenen fünf Jahren ihren Hebesatz erhöht, nur in 2 Prozent der Gemeinden sank er. Die Bundesländer mit den höchsten durchschnittlichen Hebesätzen sind Nordrhein-Westfalen, Hessen und das Saarland.

Der durchschnittliche Hebesatz zur Grundsteuer B ist im vergangenen Jahr so stark gestiegen wie zuletzt 2016: Ein Plus von fast fünf Prozentpunkten steht für das Jahr 2022 zu Buche. Den höchsten Durchschnittshebesatz erheben Kommunen in Nordrhein-Westfalen – sowohl was den Wert angeht (565) als auch, wenn es um die Veränderung im Vergleich zum Vorjahr geht (plus 13 Prozentpunkte). Eine Hiobsbotschaft für zahlreiche Immobilienbesitzer in Deutschland. Denn für die Grundsteuerreform, die ab 2025 in Kraft treten soll, wurden die Werte von Millionen Grundstücken und Immobilien in Deutschland neu berechnet. In der Folge drohen Eigenheimbesitzerinnen und -besitzern – und auch den Bewohnerinnen und Bewohnern in vermieteten Wohnungen – bei zugleich zu erwartenden steigenden Grundsteuerwerten im Zuge der Neubewertung infolge der Grundsteuerreform höhere Abgaben, wenn nicht gleichzeitig die Hebesätze sinken.

Allein im vergangenen Jahr stieg der durchschnittliche Hebesatz hierzulande in 13 Prozent der Kommunen, der Anteil der Gemeinden mit einem gesunkenen Hebesatz im Vergleich zu 2021 beträgt dagegen gerade einmal ein Prozent. In NRW erhöhten sogar 26 Prozent aller Gemeinden den Grundsteuer-B-Hebesatz. Im Saarland war es fast jede fünfte Kommune (19 Prozent), dahinter folgen Rheinland-Pfalz (17 Prozent) sowie Baden-Württemberg und Mecklenburg-Vorpommern (jeweils 16 Prozent). Deutlich geringer ist der Anteil der Gemeinden mit Erhöhungen dagegen in Thüringen (vier Prozent), Sachsen (fünf Prozent) und Sachsen-Anhalt (sechs Prozent). Besonders deutlich wird der Anstieg der Hebesätze im 5-Jahres-Vergleich: Hier verzeichneten bundesweit fast vier von zehn Kommunen (38 Prozent) einen gestiegenen Hebesatz. Umgekehrt sank er gerade einmal bei zwei Prozent der Gemeinden.

Das sind die Ergebnisse einer aktuellen Analyse der Prüfungs- und Beratungsgesellschaft EY (Ernst & Young) zur Entwicklung der Grundsteuer-B-Hebesätze aller deutschen Kommunen (ohne Stadtstaaten) in den Jahren 2005 bis 2022.

Dr. Heinrich Fleischer, Partner Real Estate, Hospitality & Construction bei EY: „Die schlechte Finanzsituation vieler Kommunen erfordert häufig eine Anhebung der Hebesätze, was zu einer Mehrbelastung der Bürger führt. Die Kommunen ächzen – so wie die Bürgerinnen und Bürger auch – unter Kostensteigerungen, die sie weitergeben müssen. Auch wenn der politische Konsens besteht, dass es insgesamt nicht zu einer gravierenden Mehrbelastung kommen soll, bleibt für Immobilieneigentümer aktuell ein hohes Maß an Ungewissheit hinsichtlich der künftigen Grundsteuerbelastung. Dass die bisher genutzten jahrzehntealten Werte sich in vielen Fällen erhöhen werden, ist eine nachvollziehbare Sorge von vielen Immobilienbesitzern.“ Ein Zustand, der sich erst im Laufe des kommenden Jahres ändern wird: Laut Bundesfinanzministerium werden Kommunen, Gemeinden und Städte ihre neuen Werte bis zum Herbst 2024 festgesetzt haben. „Angesichts der Kostensteigerungen, die die Kommunen zu stemmen haben, ist es wenig wahrscheinlich, dass die angestrebte Aufkommensneutralität der Grundsteuerreform tatsächlich erreicht wird“, prognostiziert Fleischer.

Auswirkungen der Grundsteuerreform erst 2025 sichtbar

Haus- und Wohnungseigentümer hatten – je nach Bundesland – bis Anfang Mai dieses Jahres Zeit, Angaben zu ihrem Grundstück an das Finanzamt zu übermitteln. Erst ab dem 1. Januar 2025 gelten dann die neu ermittelten Beträge – bis zur Festsetzung der neuen Hebesätze und Neuberechnung dauert es also noch etwas.

Schon vorher kommen aber die Grundsteuerwertbescheide bei den Immobilienbesitzern an – und Vorsicht ist geboten, so Fleischer: „Millionen Bürger haben Monate damit verbracht, ihre Formulare für die neue Grundsteuer auszufüllen. Inzwischen sind zahlreiche Bescheide hierzu bei Immobilienbesitzern angekommen. Diese sollten die Bescheide gründlich kontrollieren und gegebenenfalls rechtzeitig Einspruch einlegen.“ Ansonsten drohe spätestens 2025 ein böses Erwachen, so Fleischer. Denn ein Einspruch gegen etwaig falsche Werte, beispielsweise bei der Grundstücksgröße, der Wohnungsgröße oder dem Baujahr der Immobilie, müssen umgehend erfolgen. Auch auf Grund der möglichen Verfassungswidrigkeit des neuen Bewertungsrechts entscheiden sich viele Grundstückseigentümer für einen Einspruch. „Passiert dies nicht innerhalb von einem Monat, haben Eigenheimbesitzerinnen und -besitzer keine Möglichkeit mehr, Widerspruch gegen den neuen Grundsteuerbescheid einzulegen.“

2022 hatten knapp vier von zehn Gemeinden (39 Prozent) einen sehr hohen Grundsteuerhebesatz von 400 oder höher. Zum Vergleich: 2005 waren es fünf Prozent. Umgekehrt hatten 2005 noch 22 Prozent der Kommunen einen Hebesatz von unter 300 – 2022 waren es nur noch drei Prozent. „Wir sehen einen bundesweiten Trend zu immer höheren Grundsteuer-Hebesätzen. Ein Standortwettbewerb unter den Kommunen ist nicht zu beobachten – anders als bei der Gewerbesteuer. Es gibt zahlreiche Kommunen, die mit niedrigen Gewerbesteuer-Hebesätzen um die Neuansiedlung von Unternehmen werben.“

Reformflickenteppich verkompliziert die Situation zusätzlich

Was das aktuelle Prozedere auch für die Steuerprüfer und -rechtler nicht einfacher macht: Die, laut Fleischer, flickenteppichhafte Umsetzung. Neun Bundesländer (Berlin, Brandenburg, Bremen, Mecklenburg-Vorpommern, Nordrhein-Westfalen, Rheinland-Pfalz, Sachsen, Schleswig-Holstein und Thüringen) setzen die neuen Regelungen nach dem sogenannten Bundesmodell um – das Saarland und Sachsen mit leichten Abweichungen ebenfalls. Baden-Württemberg, Bayern, Hamburg, Hessen sowie Niedersachsen wenden laut Bundesfinanzministerium dagegen eigene Grundsteuermodelle an. „So kocht am Ende jeder sein eigenes Süppchen“, sagt Fleischer.

Was die Situation für viele Immobilienbesitzer ebenfalls verkompliziert: Für die Berechnung der Grundsteuer wurde der Wert der Häuser und Wohnungen Stand 2022 festgesetzt. Das Problem: „In den vergangenen Monaten gab es in zahlreichen Regionen Deutschlands Preisrutsche bei den Immobilienpreisen, viele Wohnungen und Häuser sind einfach weniger wert – dadurch kann die neue Grundsteuer die Besitzer noch härter treffen. Der Nachweis eines niedrigeren Verkehrswerts der Immobilie ist nach den neuen Bewertungsvorschriften nicht vorgesehen, was zugleich ein Grund für die Zweifel an der Verfassungsmäßigkeit der Grundsteuerreform ist“, so Fleischer.

Die Studie zur Entwicklung der Grundsteuer-B-Hebesätze können Sie hier kostenlos bestellen.

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