09.04.2018 — Online-Redaktion Verlag Dashöfer. Quelle: KfW.
Der Generationenwechsel im deutschen Mittelstand nimmt kräftig Fahrt auf. Aktuell sind rund 40 % der Inhaber mittelständischer Betriebe älter als 55 Jahre, für sie stellt sich in absehbarer Zeit die Frage nach dem Renteneintritt und damit auch die nach dem Fortbestand ihres Unternehmens. Eine aktuelle Sonderauswertung von KfW Research auf Basis des repräsentativen KfW-Mittelstandspanels zeigt: Allein in den kommenden zwei Jahren planen die Chefs von 236.000 kleinen und mittleren Firmen, ihr Unternehmen an einen Nachfolger zu übergeben. Für 100.000 von ihnen wird die Zeit knapp, da der Nachfolger entweder noch nicht gefunden wurde – oder der Inhaber noch gar nicht mit der Suche begonnen hat. Die Bedeutung dieser Unternehmen ist beachtlich, hängen doch die Arbeitsplätze von rd. 2 Millionen Erwerbstätigen und etwa 89.000 Auszubildenden vom Gelingen der Nachfolge ab.
Die ganze Breite des bevorstehenden Generationenwechsels wird offensichtlich, wenn man ein paar Jahre weiter in die Zukunft blickt: Bis 2022 wollen noch einmal 275.000 Seniorchefs ihren Betrieb übergeben. Bevorzugt wird quer durch alle Branchen- und Größenklassen die Übergabe innerhalb der Familie (54 %). Einen externen Käufer können sich 42 % vorstellen, ein Mitarbeiter oder bisheriger Miteigentümer wird deutlich seltener als Nachfolger in Betracht gezogen (25 % bzw. 27 %).
Nicht jeder Unternehmenslenker mit konkreten Rückzugsgedanken hat indes vor, seinen Betrieb überhaupt fortführen zu lassen, sondern will ihn stilllegen. Aktuell planen die Inhaber von 331.000 noch aktiven Mittelständlern binnen fünf Jahren die Geschäftsaufgabe. Bei diesen Firmen sind 1,63 Mio. Menschen beschäftigt. Bei der Frage „ Nachfolge oder Stilllegung“ zeigt sich eine klare Größenabhängigkeit. Für größere Betriebe mit mehr als 50 Mitarbeitern scheint eine Geschäftsaufgabe kaum eine Option zu sein, nur 5 % ziehen dies in Betracht. Bei den Kleinstbetrieben mit weniger als 5 Beschäftigten liegt der Wert um das Achtfache höher bei 41 %. Inhaber aus dem Handel, dem Baugewerbe und dem Dienstleistungssektor liegen mit ihren Planungen recht nah beieinander: Etwas mehr als die Hälfte der Unternehmen dieser Wirtschaftssegmente soll in die Hände eines Nachfolgers übergehen. Im Verarbeitenden Gewerbe liegt der Wert mit drei Vierteln noch höher.
Nicht überall in Deutschland ist der Generationenwechsel im Mittelstand ein gleich drängendes Problem – es bestehen überraschend große regionale Unterschiede. In Schleswig-Holstein ist bereits fast die Hälfte (46 %) aller Mittelstandschefs 55 Jahre und älter, auch in Thüringen (44 %) und Baden-Württemberg (41 %) sind die Anteile überdurchschnittlich hoch. In diesen Bundesländern werden auch am häufigsten Nachfolger gesucht. Anders sieht die Lage etwa in Hamburg, Rheinland-Pfalz/Saarland oder Mecklenburg-Vorpommern aus: Hier gibt es mit jeweils rd. 30% deutlich weniger ältere Mittelstandschefs und es stehen kurzfristig weit weniger Nachfolgen an.
Wie die Analyse von KfW Research zeigt, beeinflusst ein zeitnah anstehender Generationenwechsel in der Inhaberschaft, gepaart mit einem hohen Alter des Unternehmers, erheblich die Investitionsbereitschaft. Ist die Nachfolge unklar, dann bleiben vermehrt Investitionen aus. Umgekehrt stärkt eine geklärte Nachfolge die Investitionsbereitschaft auch bei hohem Inhaberalter. Am stärksten ausgeprägt ist die Wirkung bei kurzfristig anstehenden Nachfolgen binnen zwei Jahren: Wenn die Nachfolge gesichert ist, dann löst dies ein durchschnittliches Investitionsplus von 40 % im Unternehmen aus.
„Der deutsche Mittelstand steht infolge des demografischen Wandels vor erheblichen Strukturveränderungen. In den nächsten fünf Jahren ziehen sich die Chefs von 842.000 Betrieben in den Ruhestand zurück – mit oder ohne Nachfolger. Jedes fünfte mittelständische Unternehmen ist betroffen“, fasst Dr. Jörg Zeuner, Chefvolkswirt der KfW Bankengruppe, zusammen. Negative Folgen für die Wettbewerbsfähigkeit seien angesichts dieser großen Dimension nicht ausgeschlossen – vor allem, wenn die Unternehmer sich zu spät oder gar nicht mit der Frage nach dem Fortbestand ihres Betriebes befassten. „Es besteht die Gefahr, dass Unternehmen nicht weiterentwickelt werden, ihr Wert sinkt und damit auch die Chance, sich erfolgreich am Markt zu behaupten. Der Generationenwechsel muss daher eines der Top-Themen sowohl in den Chefetagen des Mittelstands als auch in der wirtschaftspolitischen Agenda hierzulande sein“, so Zeuner. Eine geordnete Übergabe beanspruche in der Regel mehrere Jahre Planung – vor allem, wenn der Nachfolger nicht aus der Familie stamme. „Bei externen Nachfolgern sehen wir seit Jahren allerdings einen größer werdenden Engpass durch sinkende Gründerzahlen. Es fehlt dadurch nicht nur an ausreichend Unternehmernachwuchs in Deutschland, insbesondere übernahmewillige Gründer werden seltener. Zuletzt lag diese Zahl gerade bei 62.000 im Jahr 2016. Gesunken ist parallel auch die Zahl derer, die sich zumindest an einem bestehenden Unternehmen finanziell und aktiv beteiligen. Das sind letztlich deutlich zu wenige, um den Bedarf an qualifizierten Nachfolgern zur Weiterführung bestehender Unternehmen zu decken“, sagt Zeuner. „Es ist daher eine zentrale Herausforderung, die Attraktivität des Unternehmertums wieder zu steigern. Eine stärkere Vermittlung von ökonomischer Bildung und Unternehmerkompetenzen im Bildungssystem wäre ein wesentlicher Baustein hierfür.“
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