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Geldwerter Vorteil (Kommentar von Udo Cremer)

25.04.2017  — Udo Cremer.  Quelle: Verlag Dashöfer GmbH.

Bewertung des geldwerten Vorteils aus dem Erwerb von Aktien im Rahmen eines Management-Beteiligungsprogramms

  1. Der gemäß § 11 Abs. 2 BewG zu ermittelnde gemeine Wert nicht börsennotierter Aktien ist vorrangig aus der Wertbestätigung am Markt abzuleiten, also von dem Preis, der bei einer Veräußerung im gewöhnlichen Geschäftsverkehr tatsächlich erzielt wurde.
  2. Bei nicht börsennotierten Aktien kann der gemeine Wert grundsätzlich vom Wert der börsennotierten gattungsgleichen Aktien abgeleitet werden.
  3. Die grundsätzlich auf den Zeitpunkt des Lohnzuflusses stichtagsbezogen vorzunehmende Bewertung von Sachlohn gebietet es, den gemeinen Wert nicht börsennotierter Aktien aus Verkäufen abzuleiten, die am Bewertungsstichtag oder, wenn solche Verkäufe nicht feststellbar sind, möglichst in zeitlicher Nähe zum Bewertungsstichtag getätigt wurden.

Die Kläger sind Eheleute, die für das Streitjahr (2004) zur Einkommensteuer zusammen veranlagt wurden. Der Kläger war Vorstandsvorsitzender der A-AG und erzielte aus dieser Tätigkeit Einkünfte aus nichtselbständiger Arbeit. Das Grundkapital der A-AG bestand aus ... vinkulierten Namensaktien. Hiervon waren ... Aktien mit der Wertpapierkennnummer (WKN) X nicht zum Börsenhandel zugelassen. Die übrigen ... Aktien mit der WKN Y waren dagegen zum Börsenhandel zugelassen. Die börsennotierten und die nicht börsennotierten Aktien waren i.S. von § 11 AktG gattungsgleich. Im Streitjahr befanden sich ... % der Aktien der A-AG im Streubesitz. ... % der Aktien hielt die B-GmbH. Die übrigen ... % hatte die D-AG übernommen. Die D-AG veräußerte am ... 2002 ... % des Grundkapitals der A-AG an Frau F. Weitere Aktien überwiegend mit der WKN Y verkaufte die D-AG am ... 2003 zum Preis von ... EUR an die Fondsgesellschaft L. Dies entsprach einem Kaufpreis je Aktie von ... EUR. Aufgrund eines öffentlichen Angebots vom ... 2003 erwarb die A-AG von der D-AG deren restliche Aktien der A-AG sowie ... Aktien aus Streubesitz, insgesamt ... A-AG Aktien zu einem Preis von ... EUR je Aktie. Die Aktien der A-AG mit der WKN Y wurden im Streitjahr an fast allen deutschen Börsenplätzen gehandelt. In der Zeit vom ... 2003 bis zum ... 2004 wurden mehr als 200.000 Stück im geregelten Handel umgesetzt. Außerdem wurden von ... 2003 bis ... 2004 mehr als 1.000.000 Aktien der A-AG mit der WKN X im so genannten "freien Verkehr, der etwa zwischen Banken stattfand", gehandelt. Die Kaufpreise für die im "freien Verkehr" gehandelten Aktien der A-AG orientierten sich an den Börsenkursen der A-AG Aktien. Am ... 2004 beschloss die A-AG ein Management-Beteiligungsprogramm. Hiernach konnten die Mitglieder des Vorstands bis zum ... 2004 insgesamt ... Aktien der A-AG mit der WKN X zum Preis von ... EUR je Aktie zzgl. 2 % pro Jahr ab dem ... 2004 erwerben. Die Vorstandsmitglieder waren verpflichtet, die erworbenen Aktien für einen Zeitraum von fünf Jahren zu halten. Die Haltefrist konnte unter bestimmten Umständen verkürzt werden. Bei Ausscheiden eines Vorstandsmitglieds aus dem Dienst der A-AG vor Ablauf der Haltefrist war die Gesellschaft berechtigt, die von dem Vorstand im Rahmen des Beteiligungsmodells erworbenen Aktien - prozentual gestaffelt nach dem Zeitpunkt des Ausscheidens - zu einem Preis von ... EUR je Aktie zzgl. 2 % pro Jahr ab dem ... 2004 zurück zu erwerben. Der Kläger nahm dieses Angebot an und erwarb am ... 2004 insgesamt ... Aktien der A-AG mit der WKN X zu einem Kaufpreis von ... EUR je Aktie.

Im Rahmen einer bei der A-AG durchgeführten Lohnsteuer-Außenprüfung kam der Prüfer zu dem Ergebnis, dass dem Kläger durch den verbilligten Erwerb der Aktien ein geldwerter Vorteil zugeflossen sei. Im Anschluss an eine daraufhin beim Kläger durchgeführte Außenprüfung vertrat das FA die Auffassung, der gemeine Wert der vom Kläger erworbenen Aktien sei mit ... EUR pro Stück anzusetzen, und erließ für das Streitjahr einen geänderten Einkommensteuerbescheid. Der Wertfindungszeitraum sei auf drei Monate vor dem Erwerbstag zu beschränken. Der gewichtete Durchschnittskurs aller an den deutschen Börsen gehandelten Aktien der A-AG habe in diesem Zeitraum ... EUR betragen. Dem Kläger sei je Aktie somit ein geldwerter Vorteil in Höhe der Differenz zwischen dem gewichteten Durchschnittskurs und dem Kaufpreis zugeflossen, insgesamt also ein Betrag in Höhe von ... EUR.

Der Einspruch der Kläger hatte im Streitpunkt keinen Erfolg. Das FG wies die Klage ab. Der Aktienerwerb des Klägers sei durch dessen Dienstverhältnis veranlasst. Dem Kläger sei auch ein geldwerter Vorteil mindestens in der vom FA angenommenen Höhe zugeflossen.

Die Revision der Kläger ist begründet (BFH Urteil vom 1.9.2016, VI R 16/15). Das FG hat allerdings zu Recht entschieden, dass die A-AG dem Kläger als dessen Arbeitgeberin mit der (verbilligten) Überlassung ihrer Aktien dem Grunde nach Arbeitslohn zugewendet hat. Zu den Einnahmen aus nichtselbständiger Arbeit nach § 19 Abs. 1 Satz 1 Nr. 1 i.V.m. § 8 Abs. 1 EStG gehört auch der Vorteil aus der verbilligten Überlassung von Aktien, wenn der Vorteil dem Arbeitnehmer "für" seine Arbeitsleistung gewährt wird. Die Anwendung dieser Grundsätze ist zwischen den Beteiligten zu Recht ebenso wenig streitig wie die Würdigung des FG, dass der Aktienerwerb des Klägers auf der Grundlage des Management-Beteiligungsprogramms durch das Dienstverhältnis veranlasst war. Zutreffend hat das FG insoweit entschieden, dass den Vorstandsmitgliedern der A-AG die Beteiligung an der Gesellschaft mit Rücksicht auf deren Dienstverhältnis gewährt wurde, um sie am Unternehmenserfolg zu beteiligen und sie hierdurch zu entlohnen. Der Senat kann auf der Grundlage der tatsächlichen Feststellungen des FG allerdings nicht entscheiden, ob die Bewertung des geldwerten Vorteils durch die Vorinstanz frei von Rechtsfehlern zum Nachteil der Kläger ist.

Die von der A-AG als Arbeitgeberin des Klägers ausgegebenen Aktien der Gesellschaft sind eine Vermögensbeteiligung i.S. von § 19a Abs. 1 EStG in der im Streitjahr geltenden Fassung i.V.m. § 2 Abs. 1 Nr. 1 Buchst. a des Fünften Vermögensbildungsgesetzes (5. VermBG) in der Fassung des Gesetzes vom 19. Dezember 2000 (BGBl I 2000, 1790). Der Umstand, dass die Vorschriften des 5. VermBG nach dessen § 1 Abs. 3 Nr. 1 nicht für vermögenswirksame Leistungen juristischer Personen an Mitglieder des Organs gelten, das zur gesetzlichen Vertretung der juristischen Person berufen ist, steht der Anwendung von § 19a Abs. 1 EStG i.V.m. § 2 Abs. 1 Nr. 1 Buchst. a 5. VermBG nicht entgegen.

§ 19a EStG gilt daher für alle Arbeitnehmer im ertragsteuerlichen Sinn, insbesondere auch wenn es sich um Organe juristischer Personen handelt. Im Streitfall war der Kläger zwar Mitglied des Vorstands der A-AG, ertragsteuerlich war er aber gleichwohl deren Arbeitnehmer und erzielte Einkünfte aus nichtselbständiger Arbeit.

Nach § 19a Abs. 2 Satz 1 EStG ist als Wert der Vermögensbeteiligung der gemeine Wert anzusetzen. Werden einem Arbeitnehmer Vermögensbeteiligungen i.S. des § 2 Abs. 1 Nr. 1 Buchst. a, b und f 5. VermBG überlassen, die am Tag der Beschlussfassung über die Überlassung an einer deutschen Börse zum amtlichen Handel zugelassen sind, werden diese mit dem niedrigsten an diesem Tag für sie im amtlichen Handel notierten Kurs angesetzt, wenn am Tag der Überlassung nicht mehr als neun Monate seit dem Tag der Beschlussfassung über die Überlassung vergangen sind. Liegt am Tag der Beschlussfassung über die Überlassung eine Notierung nicht vor, so werden diese Vermögensbeteiligungen mit dem letzten innerhalb von 30 Tagen vor diesem Tag im amtlichen Handel notierten Kurs angesetzt. § 19a Abs. 2 Sätze 2 und 3 EStG gelten nach Satz 4 der Vorschrift entsprechend für Vermögensbeteiligungen i.S. des § 2 Abs. 1 Nr. 1 Buchst. a, b und f 5. VermBG, die im Inland zum geregelten Markt zugelassen oder in den Freiverkehr einbezogen sind.

Die Voraussetzungen, unter denen der Anwendungsbereich der speziellen Bewertungsvorschriften in § 19a Abs. 2 Satz 2 (bis Satz 4) EStG wegen ihrer Abweichung von der allgemeinen Bewertungsregelung in § 8 Abs. 2 EStG zu beschränken ist, liegen im Streitfall nicht vor. Das FG hat festgestellt, dass die A-AG den Beschluss über die Überlassung ihrer Aktien mit der WKN X an ihre Vorstandsmitglieder am ... 2004 getroffen hatte. Die Überlassung der Aktien an den Kläger erfolgte nach den Feststellungen des FG am ... 2004 und damit nicht mehr als neun Monate seit der Beschlussfassung. Das FG hat ferner festgestellt, dass die betreffenden Aktien der A-AG mit der WKN X nicht "zum Börsenhandel" zugelassen waren. Das FG hat aber ebenfalls festgestellt, dass die Aktien "im sog. freien Verkehr" gehandelt wurden. Der Senat kann mangels hinreichender tatsächlicher Feststellungen des FG nicht beurteilen, ob es sich bei dem vom FG angesprochenen "sog. freien Verkehr" um den Freiverkehr i.S. von § 19a Abs. 2 Satz 4 EStG handelte oder ob das FG mit dem "sog. freien Verkehr" den vom Freiverkehr zu unterscheidenden freien Markt bezeichnen wollte. Hiervon hängt es aber ab, ob die Aktien der A-AG gemäß § 19a Abs. 2 Satz 2 und Satz 4 EStG mit dem Kurs im Freiverkehr am ... 2004 (Tag der Beschlussfassung) zu bewerten sind oder ob (abweichend hiervon) die Bewertung der Aktien nach allgemeinen Grundsätzen zum Zeitpunkt des Zuflusses mit dem gemeinen Wert zu erfolgen hat.

Die Feststellungen des FG zum Handel mit den Aktien der A-AG mit der WKN X sind hiernach widersprüchlich, zumindest aber lückenhaft. Sie erlauben daher keine abschließende Entscheidung des Streitfalls. Denn das FG hat festgestellt, dass die Aktien der A-AG mit der WKN X "im sog. freien Verkehr, der etwa zwischen Banken stattfand und sich an den Börsenkursen orientierte", gehandelt wurden. Die Aktien waren nach den Feststellungen des FG "nicht zum Börsenhandel zugelassen". Die Hinweise des FG auf den Handel der Aktien im freien Verkehr kann für einen Handel im Freiverkehr sprechen. Die Hinweise auf die fehlende Börsenzulassung und den Interbankenhandel können demgegenüber auf einen Handel nur auf dem freien Markt hindeuten, wobei das FG mit der Börsenzulassung möglicherweise auch nur die Zulassung zum Amtlichen Markt bzw. zum Geregelten Markt gemeint haben kann. Denn es hat im Hinblick auf die börsennotierten Aktien mit der WKN Y Umsätze im "geregelten Handel" festgestellt.

Das FG wird im zweiten Rechtsgang daher zunächst festzustellen haben, ob die Aktien der A-AG mit der WKN X im Freiverkehr gehandelt wurden. Sofern dies der Fall gewesen sein sollte, sind die Aktien mit dem (niedrigsten) im Freiverkehr am ... 2004 ermittelten Kurs zu bewerten (§ 19a Abs. 2 Sätze 2 und 4 EStG). Lag am ... 2004 eine Notierung im Freiverkehr nicht vor, so sind die Aktien mit dem letzten innerhalb von 30 Tagen vor diesem Tag im Freiverkehr notierten Kurs anzusetzen (§ 19a Abs. 2 Sätze 3 und 4 EStG).

Sofern die Aktien der A-AG mit der WKN X nicht in den Freiverkehr einbezogen gewesen sein sollten und § 19a Abs. 2 Sätze 2 bis 4 EStG dann nicht einschlägig sind, hat das FG im zweiten Rechtsgang von folgenden Rechtsgrundsätzen auszugehen:

Maßgeblicher Bewertungsstichtag ist nach allgemeinen Grundsätzen der Zeitpunkt, zu dem dem Steuerpflichtigen (Kläger) der Vorteil zufließt. Dies war im Streitfall nach den Feststellungen des FG der ... 2004. Denn an diesem Tag erfüllte die A-AG den Anspruch des Klägers auf Verschaffung der wirtschaftlichen Verfügungsmacht über die Aktien. So versteht der Senat jedenfalls die Feststellung des FG, dass der Kläger die Aktien am ... 2004 "erwarb". Gemäß § 19a Abs. 2 Satz 1 EStG ist als Wert der Aktien der gemeine Wert anzusetzen. Der gemeine Wert ist gemäß § 11 Abs. 2 BewG in der im Streitjahr geltenden Fassung zu ermitteln (dazu Senatsurteil in BFHE 230, 413, BStBl II 2011, 68, m.w.N.). Danach ist der gemeine Wert von Aktien grundsätzlich aus Verkäufen abzuleiten, die weniger als ein Jahr zurückliegen.

Der Autor:

Udo Cremer

Udo Cremer ist geprüfter Bilanzbuchhalter (IHK) und hat die Steuerberaterprüfung mit Erfolg abgelegt. Er ist als Dozent für Steuer- und Wirtschaftsrecht tätig und veröffentlicht seit mehreren Jahren praxisorientierte Fachbücher zu den Themen Buchführung, Kostenrechnung, Preiskalkulation, Kennzahlen, Jahresabschluss und Steuerrecht. Daneben wirkt er als Autor an zahlreichen Fachzeitschriften und Loseblattsammlungen im Bereich der Buchhaltung und des Steuerrechts mit.

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