07.03.2012 — Online-Redaktion Verlag Dashöfer. Quelle: Taylor Wessing Deutschland.
Frühjahrszeit - Bonuszeit?! Dieser Artikel beschäftigt sich mit der Frage, unter welchen Voraussetzungen ein Arbeitgeber einen Bonus bei wirtschaftlich schlechter Ertragslage des Unternehmens reduzieren kann, wenn zuvor das Bonus-Volumen allgemein bekannt gegeben wurde.
Alle Jahre wieder kommt im Frühling die „Bonus-Zeit“. Bevor sich aber Arbeitnehmer über den Geldsegen zu früh freuen, lohnt sich insbesondere ein Blick auf die Bonus-Regelung des Arbeitsvertrags und auf die betriebliche Handhabung. Manche Gesichter werden lang, wenn der erwartete Bonus wegen der wirtschaftlich schlechten Ertragslage deutlich geringer ausfällt. Eine Klage auf höheren Bonus ist jedoch nicht immer ein „Selbstläufer“. Das Bundesarbeitsgericht (BAG) beschäftigte sich jüngst mit der Frage, ob der Arbeitgeber auf Grundlage des Arbeitsvertrags die variable Vergütung wegen schlechter Ertragslage des Unternehmens kürzen darf (BAG, Urteil vom 12. Oktober 2011, 10 AZR 746/10).
Der Fall spielt – erwartungsgemäß – in der 2008 krisengeschüttelten Bankenbranche. Der Arbeitsvertrag des Klägers, ein Investmentbanker, bestimmte, dass die Bonus-Höhe unter der Berücksichtigung der Ertragslage des Investment-Geschäfts individuell nach Leistungsgesichtspunkten jährlich neu festgelegt wird. Im Oktober 2008 teilte die Bank den Investment-Mitarbeitern mit, dass sich der Bonuspool 2008 auf rund 400 Mio. EUR beliefe. Die Festsetzung der individuellen Bonusbeträge werde später leistungsabhängig erfolgen. Im Dezember 2008 erhielt der Kläger einen Bonusbrief. Dieser setzte „vorläufig“ den Bonus auf EUR 140.000 fest. Erst Ende Februar 2009 würde aber der Bonus endgültig bestimmt. Der Brief stand ausdrücklich unter Vorbehalt, dass sich die Ertragslage gegen Ende 2008 nicht wesentlich verschlechterte. Genau dies trat aber ein: Die Bank musste zweimal die Hilfe des Sonderfonds Finanzmarktstabilisierung (SoFFin) in Anspruch nehmen. Das negative operative Ergebnis für 2008 betrug rund 6,5 Mrd. EUR. Der Vorstand der Bank beschloss daher im Februar 2009 eine Kürzung des Bonus um rund 90%. Der Kläger erhielt demgemäß nur EUR 17.000. Er fühlte sich benachteiligt und klagte auf Auszahlung des vollen Bonus. Er unterlag in allen Instanzen.
Der Anspruch des Klägers auf vollen Bonus scheiterte letztlich daran, dass der Arbeitgeber die Höhe des Bonus bestimmen durfte. Das BAG sah in der arbeitsvertraglichen Bonusregelung ein sogenanntes einseitiges Leistungsbestimmungsrecht des Arbeitgebers. Hier sei zu prüfen, ob der Arbeitgeber die Bonushöhe willkürlich „nach Gutsherrenart“ festsetze. Der Arbeitgeber müsse daher beweisen, dass die Bonus-Festsetzung der Billigkeit entspricht. Das BAG stellte maßgeblich darauf ab, ob sich die Bonus-Höhe aufgrund der Bekanntmachung des Bonuspool-Volumens bzw. aufgrund des Bonusbriefs konkretisiert hatte. Dies verneinte das BAG: Ausdrücklich sei im Bonusbrief von einer vorläufigen Festsetzung unter Vorbehalt die Rede. Der Brief sei rechtlich nur eine bloße Information („Wissenserklärung“), so dass der dort ausgesprochene Vorbehalt nicht an der grundsätzlichen Bedingungsfeindlichkeit der Leistungsbestimmung scheitere und auch keine AGB-Kontolle des Vorbehalts erfolgen könne.
Es ist jedoch zu kurz gegriffen, wenn man der Bonuspool-Information keinerlei Relevanz zusprechen wollte. Das BAG stellte klar, dass die Mitteilung des Bonusvolumens ein Abwägungsfaktor bei der Leistungsbestimmung sei. Das Ermessen des Arbeitgebers sei insoweit gebunden. Ohne besonders gewichtige Umstände könne der Arbeitgeber wegen Treu und Glauben nicht mehr vom einmal kommunizierten Bonusvolumen abweichen. Im Ergebnis sah jedoch das BAG im negativen operativen Ergebnis und der schlechten Ertragslage einen besonders gewichtigen Umstand, der es erlaubte, vom Bonuspool-Volumen abzuweichen.
Die Entscheidung erscheint auf den ersten Blick gerecht. Aus Arbeitgebersicht ist sie zu begrüßen, da sie dem Arbeitgeber bei der Bemessung des Bonus etwas freiere Handhabung lässt, als dies in Vorgängerentscheidungen der Fall war. Der Bonuspool soll den Arbeitgeber nicht mehr automatisch binden. Je nach dem Wortlaut kann die Information über das Bonuspool-Volumen also den schwierigen Spagat zwischen „Mitarbeitermotivation“ einerseits und „Flexibilität“ andererseits erfolgreich meistern.
Dennoch ist Vorsicht geboten: Es gilt hier der Grundsatz „Hard cases make bad law“. Die Entscheidung bezieht sich auf die 2008 besonders krisengeschütterte Investment-Branche. Ob der Fall bei einer weniger deutlich krisengeschüttelten Branche ähnlich entschieden worden wäre, kann mit Recht bezweifelt werden. Dem Arbeitgeber ist bei vorzeitigen Verlautbarungen über das Bonuspool-Volumen und über dessen Aufteilung auf die Mitarbeiter zur Zurückhaltung zu raten. An das Vorliegen eines gewichtigen Grundes, der eine Abweichung vom Bonuspool-Volumen rechtfertigt, sind – wie die Entscheidung deutlich macht – strenge Anforderungen zu stellen. Ob der Arbeitgeber die Bonushöhe überhaupt flexibel bestimmen kann, hängt zudem vom Vorliegen einer wirksamen Bonus-Klausel ab. Fehlt diese oder ist diese etwa AGB-widrig, kann der Mitarbeiter beispielsweise aus betrieblicher Übung ein Anspruch auf Bonus-Zahlung haben. Auch hier sollte also der Arbeitgeber mit seinen Verlautbarungen vorsichtig sein, um nicht Begehrlichkeiten zu wecken. Existiert zudem ein Betriebsrat, hat dieser bei der Verteilung des Bonus – und im Grundsatz auch bei dessen Reduzierung – mitzubestimmen. Schließlich kann der Arbeitgeber dem Arbeitnehmer zum Schadensersatz wegen enttäuschten Vertrauens verpflichtet sein. Dies ließ das BAG ausdrücklich offen.
Quelle: Taylor Wessing
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