22.10.2013 — Online-Redaktion Verlag Dashöfer. Quelle: Ernst und Young GmbH, Wirtschaftsprüfungsgesellschaft.
Die geplante Finanztransaktionssteuer wird die Ziele verfehlen, die Politiker mit ihr erreichen wollen. Eigentlich soll die Steuer, die nach Plänen von elf EU-Ländern in Zukunft auf Finanzgeschäfte fällig werden soll, Banken an den finanziellen Folgen der jüngsten Krise beteiligen und spekulative Geschäfte eindämmen. Tatsächlich aber rechnet die Realwirtschaft damit, dass Kreditinstitute, Versicherer und Asset Manager die Steuer an ihre Kunden weiterbelasten können. Leidtragende wären Unternehmen und Verbraucher, die Finanzdienstleistungen in Anspruch nehmen. Damit droht ein hoher volkswirtschaftlicher Schaden.
Das ist das Ergebnis des aktuellen „EU-FTT-Barometers“ der Prüfungs- und Beratungsgesellschaft EY. Dazu wurden im August 2013 125 Unternehmen in Deutschland befragt, darunter Dax-Konzerne, gehobene Mittelständler, Kreditinstitute, Versicherer und Asset Manager. Die Befragten sind Vorstände, Leiter Treasury, Leiter Finanzen, Leiter Steuern oder haben andere leitende Funktionen inne. 53 Prozent von ihnen rechnen mit einem negativen Einfluss der Steuer auf die deutsche Volkswirtschaft und deren Wettbewerbsfähigkeit.
Einer der wichtigsten Gründe: Mit 68 Prozent geht eine große Mehrheit der Kreditinstitute davon aus, dass sie die zusätzliche finanzielle Belastung durch die Finanztransaktionssteuer nicht selbst tragen wird, sondern sie an ihre Kunden weiterbelasten kann. Bei Versicherungen (64 Prozent) und Asset Managern (58 Prozent) zeigt sich ein ähnliches Bild. Das deckt sich mit der Erwartung der Kunden von Finanzdienstleistern: Sie rechnen überwiegend damit, dass sie die Steuerlast werden tragen müssen. Mit 97 Prozent sind fast alle befragten Manager von Dax-Konzernen dieser Meinung. Unter den gehobenen Mittelständlern gehen 66 Prozent davon aus, dass die Steuer ihnen finanzielle Nachteile bescheren wird. „Eine Finanztransaktionssteuer kann relativ einfach an den Endkunden weitergegeben werden, ganz ähnlich wie heute bereits die Umsatzsteuer“, bestätigt Volker Bock, Partner bei EY.
Viele Unternehmen erwarten, dass sich eine Finanztransaktionssteuer negativ auf ihr Geschäft auswirken würde. Insgesamt haben 39 Prozent der Befragten diese Sorge. Besonders weit verbreitet ist sie bei Dax-Konzernen und Versicherern. In beiden Gruppen rechnet mit 48 Prozent fast die Hälfte der Unternehmen mit negativen Folgen für ihr Geschäft. Bei Asset Managern sorgen sich 42 Prozent vor Einbußen, bei Kreditinstituten 36 Prozent und bei gehobenen Mittelständlern 24 Prozent.
So könnte die Finanztransaktionssteuer zum Beispiel negative Folgen für die Finanzierung von Unternehmen haben. So rechnen 43 Prozent der Befragten damit, dass sich die Steuer negativ auf die Kapitalaufnahme ihres Unternehmens auswirken wird. Am größten ist die Sorge bei Dax-Konzernen, von denen 74 Prozent negative Auswirkungen der Steuer auf die Unternehmensfinanzierung sehen. „Die Finanztransaktionssteuer droht zu einer Wachstumsbremse zu werden, weil die Finanzierung für Unternehmen schwieriger und teurer wird“, so Bock. „Das gilt sowohl für die Finanzindustrie als auch für Unternehmen aus der Realwirtschaft.“
Das sogenannte Hedging etwa, mit dem sich Industrie- und Handelsunternehmen gegen schwankende Preise und Wechselkurse absichern, dürfte nach Einführung einer Finanztransaktionssteuer deutlich teurer werden. 68 Prozent der Dax-Konzerne erwarten einen starken Einfluss der Steuer auf die Hedging-Kosten, weitere 13 Prozent immerhin einen relevanten Einfluss. Aber auch insgesamt jeder vierte Mittelständler fürchtet, unter höheren Hedging-Kosten zu leiden. „Die Steuer droht einen Kernbereich der deutschen Wirtschaft besonders hart zu treffen, nämlich exportstarke Industrieunternehmen“, sagt Thomas Lenz, Senior Manager bei EY.
Und auch bei der Altersvorsorge drohen negative Folgen. Sieben von zehn Dax-Konzernen sehen einen negativen Einfluss der Finanztransaktionssteuer auf die Altersvorsorge. „Die Steuer könnte die betriebliche Altersversorgung deutlich verteuern und damit für Arbeitgeber und Arbeitnehmer unattraktiver machen“, erklärt Lenz. Darunter würden auch Finanzdienstleister leiden. Sowohl Versicherer als auch Asset Manager und Kreditinstitute teilen diese Sorge, zeigt die Umfrage.
Angesichts der drohenden Folgen wird die Finanztransaktionssteuer offenbar bei vielen Unternehmen als drängendes Problem wahrgenommen: 71 Prozent haben sich bereits mit den erwarteten Auswirkungen beschäftigt – vor allem die Dax-Konzerne (90 Prozent).
Um die negativen Folgen der Finanztransaktionssteuer gering zu halten, dürften Unternehmen Ausweichstrategien verfolgen. Mit 67 Prozent gibt die große Mehrheit der Befragten an, ihr Verhalten ändern oder neue Produkte anbieten zu wollen. Entsprechend rechnen 28 Prozent damit, dass die Einführung der Steuer für sie mit einem hohen Aufwand verbunden sein wird. Weitere 46 Prozent rechnen mit geringem Aufwand.
Dass die Steuer doch noch gekippt wird, erwarten die wenigsten Befragten: 28 Prozent sind überzeugt, dass die Steuer wie geplant umgesetzt wird. 55 Prozent erwarten, dass die Steuer kommt – wenn auch im Vergleich zu den bisherigen Plänen möglicherweise in abgewandelter Form. Als besonders wahrscheinlich gilt die Einführung in den kommenden drei Jahren.
Elf Mitgliedsländer der Europäischen Union wollen gemeinsam eine Finanztransaktionssteuer einführen, darunter Deutschland und Frankreich. Die Verhandlungen über die Ausgestaltung der Steuer sollen in diesem Herbst intensiv fortgesetzt werden. Wann die Steuer eingeführt werden könnte, ist indes unklar. Der juristische Dienst des Rates der Europäischen Union hat jüngst in Opposition zur EU-Kommission erhebliche rechtliche Bedenken gegen die Steuer angemeldet.
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