10.04.2015 — Online-Redaktion Verlag Dashöfer. Quelle: Taylor Wessing Deutschland.
Das mittlerweile in § 106 Gewerbeordnung (GewO) geregelte Weisungsrecht des Arbeitgebers umfasst nicht nur das Recht, Inhalt und Ort der Arbeitsleistung nach billigem Ermessen zu bestimmen, sondern auch deren Zeitpunkt. Hierunter fällt auch die Festlegung von Pausen. Eingeschränkt wird dieser Gestaltungsspielraum zunächst durch § 4 Arbeitszeitgesetz (ArbZG), der - je nach Dauer der täglichen Arbeitszeit - Pausen von insgesamt mindestens 30 bzw. 45 Minuten festschreibt. Besteht darüber hinaus ein Betriebsrat, so hat dieser gemäß § 87 Abs. 1 Nr. 2 Betriebsverfassungsgesetz (BetrVG) auch über Beginn und Ende der Pausen zwingend mitzubestimmen. Dieses Mitbestimmungsrecht umfasst auch die Festlegung zusätzlicher Pausen über die in § 4 ArbZG vorgesehenen Mindestpausenzeiten hinaus.
Bei Tätigkeiten mit Publikumsverkehr kann an einem Arbeitstag das Kunden- und damit auch das Arbeitsvolumen durchaus kurzfristigen Schwankungen unterliegen (bspw. wegen des Wetters oder der Übertragung eines Sportereignisses im TV). Für viele Arbeitgeber stellt sich daher die Frage, inwieweit durch eine flexible Gestaltung der Pausenfestlegung die zu vergütende Arbeitszeit ihrer Mitarbeiter optimal ausgestaltet werden kann.
Der Kläger ist als Flugsicherheitskraft bei der Beklagten beschäftigt. Die Beklagte führt im Auftrag der Bundespolizei auf dem Flughafen Köln-Bonn in drei Schichten Sicherheitskontrollen durch. Die durch einen allgemeinverbindlichen Manteltarifvertrag festgelegte monatliche Mindestarbeitszeit des Klägers beträgt 160 Stunden, die monatliche Regelarbeitszeit (branchenbedingt) 260 Stunden.
Die im Rahmen einer Einigungsstelle durch Spruch entstandene Betriebsvereinbarung „Dienst- und Pausenregelung“ legte für das Arbeitsverhältnis des Klägers folgende Pausenregelungen fest: Dem Mitarbeiter werden die gesetzlichen Ruhepausen (§ 4 ArbZG) in einem Zeitkorridor zwischen dem Beginn der zweiten Arbeitsstunde und dem Ende der siebten Arbeitsstunde gewährt. Die zeitliche Lage der Ruhepausen wird dem Mitarbeiter bei Beginn der Schicht mitgeteilt. Zusätzlich können pro Schicht unbezahlte Ruhepausen von maximal 30 Minuten bei einer Arbeitszeit von mehr als sechs Stunden angeordnet werden, wenn innerhalb eines Kalenderjahres im Durchschnitt unbezahlte Pausen an nicht mehr als zehn Arbeitstagen monatlich gegenüber dem Mitarbeiter angeordnet werden.
Die Beklage hatte beide Gestaltungsspielräume gegenüber dem Kläger genutzt. Der Kläger hat die Auffassung vertreten, die so erfolgten Pausenanordnungen wären jeweils unwirksam. Er hatte daher auf Zahlung von Vergütung wegen Annahmeverzugs geklagt. Nach seiner Auffassung könne sich die Beklagte insbesondere nicht auf die im Rahmen der Einigungsstelle per Spruch ergangene Betriebsvereinbarung berufen, da diese betriebsverfassungswidrig sei.
Das BAG hat die Klage abgewiesen. Es hat in diesem Rahmen klargestellt, dass die Regelungen in der Betriebsvereinbarung gemäß § 87 Abs. 1 Nr. 2 BetrVG wirksam sind.
Hinsichtlich der Zuweisung der Pausen im Rahmen der gesetzlichen Vorgaben des § 4 ArbZG stellte das BAG zunächst fest, dass die gesetzliche Regelung eine verbindliche Festlegung von Lage und Dauer der gesetzlichen Pause vor Beginn der täglichen Arbeitszeit nicht verlangt. Zudem gibt die gesetzlich Regelung auch keinen bestimmten Zeitrahmen vor, innerhalb dessen die Ruhepause gewährt werden muss, solange sie im Rahmen des vorgegebenen Umfangs an dem jeweiligen Arbeitstag erfolgt. Daher sei die Regelung in der Betriebsvereinbarung, wonach Beginn und Dauer der Ruhepause zu Beginn der täglichen Arbeitszeit für den in der Betriebsvereinbarung festgelegten Zeitkorridor mitgeteilt werden, nicht zu beanstanden.
Das BAG hatte zudem keine Bedenken gegenüber dem der Beklagten in der Betriebsvereinbarung zugestandenen Recht, zusätzliche unbezahlte Ruhepausen in den dort festgelegten Grenzen anzuordnen. Insbesondere habe der Betriebsrat dadurch nicht faktisch sein Beteiligungsrecht an den Arbeitgeber übertragen, sondern dieses vielmehr wirksam ausgeübt. Denn der dortige Gestaltungsspielraum der Beklagten sei in mehrfacher Weise beschränkt. Zum einen verfüge sie über keine beliebige Ausgestaltungsmöglichkeit der täglichen Arbeitszeit, da die über die gesetzliche Mindestpause hinausgehenden Arbeitsunterbrechungen nach Zahl und Dauer begrenzt sind. Zudem habe die Beklagte nicht die Möglichkeit, die Pausen in mehrere Zeitabschnitte aufzuteilen. Weiterhin sei es ihr versagt, die konkrete Lage der Pause erst im Verlauf der Schicht flexibel zu bestimmen.
Schließlich hat das BAG ausgeführt, dass selbst ein Verstoß gegen die Vorgaben der Betriebsvereinbarung nicht zu einem Vergütungsanspruch des Klägers geführt hätte. Der Kläger hätte schließlich unstreitig die Pausen genommen, ohne dagegen zu protestieren und seine Arbeitsleistung für die Zeit der genommenen Pausen wörtlich anzubieten. Ausdrücklich hält das BAG fest, dass das bloße Erscheinen am Arbeitsplatz und die Arbeitsaufnahme als solche für eine solche Geltendmachung nicht ausreichen. Denn die Verletzung von Mitbestimmungsrechten allein führe nicht dazu, dass sich individualrechtliche Ansprüche des betroffenen Arbeitnehmers ergeben, die zuvor noch nicht bestanden hätten.
Das BAG hat mit seiner Entscheidung deutlich gemacht, dass die Betriebsparteien durchaus die Möglichkeit haben, dem Arbeitgeber hinsichtlich der Festlegung zusätzlicher Pausen gewisse Gestaltungsspielräume zu eröffnen. Kommt eine entsprechende Betriebsvereinbarung zustande, so dürften angesichts der grundsätzlichen Wertung in § 106 GewO die Möglichkeiten des Arbeitnehmers, einer solchen Festlegung entgegenzutreten, in der Praxis äußerst begrenzt sein. Insbesondere deshalb, weil der Mitarbeiter im Übrigen dann die Pause zu einem anderen Zeitpunkt nehmen müsste und so seinerseits das Risiko einer Abmahnung wegen vertragswidrigen Verhalten riskieren würde. Gleichwohl sollten die Gestaltungsspielräume insgesamt nicht überbewertet werden, sie müssen vielmehr von Fall zu Fall beurteilt werden. So hat der erste Senat zum einen in der vorliegenden Entscheidung, wie auch in einer am gleichen Tage ergangenen Parallelentscheidung (1 ABR 706/13), ausdrücklich offen gelassen, wie zu entscheiden wäre, wenn der Beklagten das Recht eingeräumt worden wäre, spontan in der Schicht über die Gewährung einer zusätzlichen Pause entscheiden zu können. Zum anderen hat er an anderer Stelle (vgl. Beschl. v. 09.07.2013 (Az: 1 ABR 19/12)) eine Regelung, die dem Arbeitgeber allzu weite Gestaltungsspielräume im Rahmen der Festlegung der Arbeitszeit eingeräumt hatte, für unwirksam erklärt. Auch der fünfte Senat ließ die Frage über die Zulässigkeit einer Betriebsvereinbarung mit einem Entscheidungsrecht über „spontane“ zusätzliche Pausen in zwei weiteren Parallelentscheidungen vom 25. Februar 2015 (5 AZR 886/12 und 5 AZR 847/13) ausdrücklich offen.
Bundesarbeitsgericht (BAG), Urteil vom 25. Februar 2015 (1 AZR 642/13)
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