27.09.2016 — Udo Cremer. Quelle: Verlag Dashöfer GmbH.
Die Klägerin ist eine in den USA ansässige Kapitalgesellschaft amerikanischen Rechts. Sie betreibt ihr Unternehmen von den USA aus und hat im Gemeinschaftsgebiet weder einen Sitz noch eine feste Niederlassung (Betriebsstätte). Die Klägerin betrieb im Streitjahr 2003 Kontaktbörsen (Communities) im Internet. Die entgeltliche Mitgliedschaft ihrer Kunden (User) berechtigte zum Zugriff auf persönliche Informationen anderer Mitglieder und ermöglichte eine Kontaktaufnahme i.S. einer Partnervermittlung. Die Mitglieder konnten sich auf den Internetseiten der Klägerin über andere Mitglieder ihrer Community informieren, mit diesen kommunizieren und ggf. in Kontakt treten. Zu diesem Zweck waren auf den Webseiten schriftliche Mitglieder- und Videoprofile hinterlegt. Die Portale enthielten Suchfunktionen, mit denen andere Mitglieder nach bestimmten Kriterien herausgefiltert werden konnten. Auf den jeweiligen Portalen wurden verschiedene Möglichkeiten der Kontaktaufnahme genannt, um ein persönliches Treffen, das (wie bei Partner- und Freundschaftsvermittlungen üblich) ein wesentliches Ziel der Mitglieder darstellte, zu ermöglichen. Darüber hinaus enthielten die Webseiten Nachrichtenmagazine mit Inhalten, die für die Mitglieder der Communities zugänglich waren. Ferner bestand für die Nutzer u.a. die Möglichkeit, sog. Chat-Räume zu besuchen. Neben den verschiedenen Plattformen unterhielt die Klägerin Beschwerde-Hotlines sowie eine Abteilung, die die Mitgliederaktivitäten kontrollierte und Verletzungen der Privatsphäre oder sonstigem Missbrauch vorbeugte oder abhalf. Dabei wurden die Mitgliederprofile auf ihre Geeignetheit bzw. die Verletzung der Rechte anderer Mitglieder überprüft und unpassende oder missbräuchliche Profile deaktiviert.
Die Klägerin nahm an, der Ort der von ihr erbrachten Leistungen liege in den USA, und gab deshalb für die an ihre in der Bundesrepublik Deutschland (Deutschland) ansässigen Kunden ausgeführten Umsätze keine Umsatzsteuererklärungen ab. Nachdem das FA von den Leistungen der Klägerin erfahren hatte, setzte es im Umsatzsteuerbescheid für 2003 (Streitjahr) vom 4.7.2008 in der Annahme, der Ort der an deutsche Kunden erbrachten Leistungen liege seit dem 1.7.2003 gemäß § 3a Abs. 3a i.V.m. Abs. 4 Nr. 14 UStG a.F. im Inland, Umsatzsteuer fest; das FA schätzte dabei die Besteuerungsgrundlagen. Daraufhin reichte die Klägerin Umsatzsteuererklärungen für die Jahre 2003 bis 2007 sowie Umsatzsteuer-Voranmeldungen für die Monate Januar bis Juni 2008 ein. Das FA erließ daraufhin am 17.9.2008 einen Umsatzsteuer-Änderungsbescheid für 2003, der hinsichtlich des Zahlenwerks unstreitig ist.
Einspruch und Klage hatten keinen Erfolg. Das FG führte aus, der Ort der von der Klägerin an deutsche Kunden gemäß § 3a Abs. 4 Nr. 14 UStG a.F. auf elektronischem Weg erbrachten sonstigen Leistungen liege gemäß § 3a Abs. 3a UStG a.F. im Inland. Das Urteil des FG ist in Entscheidungen der Finanzgerichte (EFG) 2014, 1517 veröffentlicht.
Die Revision ist unbegründet und daher zurückzuweisen (BFH Urteil vom 1.6.2016, XI R 29/14). Die Klägerin hat mit der Gewährung des Zugangs zu ihren Online-Communities an die zahlenden Mitglieder sonstige Leistungen gegen Entgelt ausgeführt. Diese wurden ab dem 1. Juli 2003 i.S. von § 3a Abs. 4 Nr. 14 UStG a.F. "auf elektronischem Weg" erbracht und daher gemäß § 3a Abs. 3a UStG a.F. im Inland ausgeführt.
Der Umsatzsteuer unterliegen die Lieferungen und sonstigen Leistungen, die ein Unternehmer im Inland gegen Entgelt im Rahmen seines Unternehmens ausführt. Eine sonstige Leistung wird nach § 3a Abs. 1 Satz 1 UStG grundsätzlich an dem Ort ausgeführt, von dem aus der leistende Unternehmer sein Unternehmen betreibt. Wird die sonstige Leistung von einer Betriebsstätte ausgeführt, gilt die Betriebsstätte als der Ort der sonstigen Leistung. Seit dem 1.7.2003 wird eine auf elektronischem Weg erbrachte sonstige Leistung gemäß § 3a Abs. 3a UStG a.F. (jetzt: § 3a Abs. 5 Satz 1 UStG) dort ausgeführt, wo der Leistungsempfänger seinen Wohnsitz oder Sitz hat, wenn dieser Empfänger kein Unternehmer ist und seinen Wohnsitz oder Sitz im Gemeinschaftsgebiet hat. Weitere Voraussetzung ist, dass die sonstige Leistung von einem Unternehmer ausgeführt wird, der (wie die Klägerin) im Drittlandsgebiet USA ansässig ist oder dort eine die Leistung ausführende Betriebsstätte hat.
Danach gilt als Ort, an dem auf elektronischem Wege erbrachte Dienstleistungen an nicht steuerpflichtige Personen erbracht werden, die in einem Mitgliedstaat ansässig sind ..., der Ort, an dem die nicht steuerpflichtige Person ansässig ist ..., wenn die Dienstleistungen durch einen Steuerpflichtigen erbracht werden, der den Sitz seiner wirtschaftlichen Tätigkeit oder eine feste Niederlassung, von der aus die Dienstleistung erbracht wird, außerhalb der Gemeinschaft hat.
Der Autor:
Udo Cremer ist geprüfter Bilanzbuchhalter (IHK) und hat die Steuerberaterprüfung mit Erfolg abgelegt. Er ist als Dozent für Steuer- und Wirtschaftsrecht tätig und veröffentlicht seit mehreren Jahren praxisorientierte Fachbücher zu den Themen Buchführung, Kostenrechnung, Preiskalkulation, Kennzahlen, Jahresabschluss und Steuerrecht. Daneben wirkt er als Autor an zahlreichen Fachzeitschriften und Loseblattsammlungen im Bereich der Buchhaltung und des Steuerrechts mit.
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