15.06.2023 — Rolf Becker. Quelle: Verlag Dashöfer GmbH.
Mit der sogenannten Panoramafreiheit wird die gesetzliche Erlaubnis beschrieben, lizenzfreie Fotografie und Verbreitung von eigentlich urheberrechtlich geschützten Kunstwerken, die sich dauerhaft im öffentlichen Raum befinden, vorzunehmen. Alles, was man im Straßenbild von öffentlich zugänglichem Raum, Plätzen und Verkehrswegen ohne Hilfsmittel an beständigen Einrichtungen fotografieren kann, fällt unter diese Erlaubnis. Es geht dabei nicht um Personen, sondern eben um Bauwerke oder Kunst, an denen Architekten und Künstler Rechte haben. Als Ausnahme wird die Regelung des § 59 UrhG meist eng ausgelegt. Schon die Hilfe einer Leiter ist grundsätzlich nicht erlaubt.
Der Bundesgerichtshof hat 2017 entschieden (BGH, Urteil vom 27. April 2017, Az. I ZR 247/15 - AIDA Kussmund), dass sich die Panoramafreiheit auch auf nicht ortsfeste Kunst oder sonstige urheberrechtlich geschützte Gegenstände erstreckt. Damit dürfen etwa auch Aufdrucke und Bilder von vorbeifahrenden Bussen und Straßenbahnen fotografiert werden oder auch ein Schiff mit dem geschützten Kussmund der Aida im Hafen.
Vielfach ranken sich auch gerichtliche Entscheidungen um die Örtlichkeiten, von denen aus fotografiert wird. Dort, wo ein Hausrecht gilt, wie in manchen Schlossparks etwa, dürfen von dieser Perspektive aus keine Fotos geschossen werden, wenn dies vom Hausherrn untersagt ist. Die Panoramafreiheit gewährt nur das Recht, dass Fotos außerhalb eines Grundstückes aufgenommen werden dürfen. Sobald das Grundstück betreten wird, kann der Eigentümer bestimmen, ob und wenn ja, unter welchen Voraussetzungen dort fotografiert werden darf (BGH, Urteile vom 17. Dezember 2010 – V ZR 44/10, 45/10 und 46/10 und V ZR 44/10).
Unterfallen Aufnahmen aus einer Drohnenflugperspektive auch der Panoramafreiheit? Das Landgericht Frankfurt hatte diese Frage in einem Klageverfahren einer Konstrukteurin bejaht. Es ging um die Lahntalbrücke Limburg, von denen der Beklagte Aufnahmen erstellt und u. a. im Internet verbreitet hatte. Eigentlich sind Luftaufnahmen nach der Rechtsprechung des BGH nicht von der Panoramafreiheit gedeckt. Das LG Frankfurt kam in seinem Urteil im Wege der Rechtsfortbildung und einer richtlinenkonformen Auslegung dazu, dass dies aber heutzutage der Fall sei (LG Frankfurt, Urteil v. 25.11.2020, Az. 2-06 O 136/20). Das Urteil wurde schon als Befreiungsschlag für Drohnenbesitzer gefeiert.
Das Oberlandesgericht Hamm hat dem jetzt aber aktuell einen Dämpfer aufgesetzt. Mit Urteil vom 27.04.2023 (Az. 4 U 247/21) entschieden die Richter, dass dies nicht gilt. Im Fall ging es um Drohnenaufnahmen von Kunstwerken auf Halden stehend, die in einem Buch veröffentlicht wurden.
„Die streitgegenständlichen Kunstwerke befinden sich „an“ öffentlichen Wegen, Straßen oder Plätzen, weil entweder die Bergehalden, auf denen die Kunstwerke errichtet wurden, selbst öffentlich zugänglich sind oder die Kunstwerke von öffentlichen Wegen, Straßen oder Plätzen aus, die sich in der Umgebung der Bergehalden befinden, wahrgenommen werden können. Dies bedeutet aber nicht, dass die Kunstwerke aus jedweder Perspektive abgelichtet werden dürfen. Von der Schrankenregelung in § 59 Abs. 1 Satz 1 UrhG umfasst sind nach den oben wiedergegebenen Ausführungen des Bundesgerichtshofs, denen sich der erkennende Senat vollumfänglich anschließt, nur diejenigen Perspektiven, die von öffentlichen Wegen, Straßen oder Plätzen aus bestehen.“
„Die hier streitgegenständlichen Aufnahmen sind unstreitig mittels einer Drohne aus dem Luftraum heraus aufgenommen worden. Die Perspektive aus dem Luftraum heraus ist indes keine Perspektive „von öffentlichen Wegen, Straßen oder Plätzen“ (…). Auch wenn der Begriff der „öffentlichen Wege, Straßen oder Plätze“ lediglich beispielhaft und nicht abschließend ist, lässt sich der Luftraum auch bei wohlwollender Auslegung nicht in diese Aufzählung einreihen, auch wenn die Benutzung des Luftraums durch Luftfahrzeuge nach § 1 Abs. 1 des Luftverkehrsgesetzes (LuftVG) vorbehaltlich besonderer Rechtsvorschriften grundsätzlich frei ist. Die Schrankenregelung in § 59 Abs. 1 Satz 1 UrhG betrifft von vornherein nur diejenigen Perspektiven, die sich den Augen eines Menschen von allgemein zugänglichen Orten aus bieten. Erfasst sind hierbei bei sinnvoller und auch die berechtigten Interessen der Urheber und Nutzungsberechtigten im Blick behaltender Auslegung der hier in Rede stehenden Schrankenregelung allein Orte und Einrichtungen, die einen Teil der Erdoberfläche bilden oder mit der Erdoberfläche zumindest dauerhaft und fest verbunden sind; hierzu mögen neben öffentlichen Wegen, Straßen oder Plätzen auch öffentlich zugängliche Wasserflächen oder öffentlich zugängliche Aussichtstürme oder Aussichtsplattformen gehören, nicht hingegen der Luftraum, den der Mensch allein mit seinen naturgegebenen Fortbewegungsmöglichkeiten „Laufen“, „Klettern“ und gegebenenfalls noch „Schwimmen“ grundsätzlich nicht erreichen kann und in dem er sich ausschließlich mittels besonderer Hilfs- und Fortbewegungsmittel (z.B. als Passagier eines Flugzeugs oder eines Ballons oder mit einem Fallschirm) aufzuhalten und zu bewegen vermag.“
In einem ebenfalls aktuellen Urteil ging es um Innenraum- und Dachaufnahmen des Kölner Doms auch mit Abbildungen eines künstlerisch ausgestalteten Kirchenfensters für gewerbliche Verwendungen. Auch hier entschied das Gericht zugunsten der Hohen Domkirche zu Köln als Klägerin, deren Hausrecht und Nutzungsrechte mangels Genehmigung verletzt worden waren (LG Köln, Urt. v. 04.05.2023, Az. 14 O 297/22).
Die Panoramafreiheit ist nicht nur etwas für Fotoenthusiasten und Berufsfotografen. Auch als Auftraggeber zur Beschaffung von Aufnahmen für eigene Werbespots, Internetauftritte oder Firmenbroschüren können die Rechtsfragen rund um gewerblich verwendbare Fotografie-Inhalte spannend werden. Die beliebte neue Drohnenperspektive hat dabei ihre Grenzen erfahren.
Bild: Pixabay (Pexels, Pexels Lizenz)
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