03.08.2021 — Online-Redaktion Verlag Dashöfer. Quelle: BITKOM - Bundesverband Informationswirtschaft, Telekommunikation und neue Medien e.V..
Das liegt vor allem an den Ereignissen der vergangenen 18 Monaten. Zugleich sagen drei Viertel (75 Prozent), mit digitalen Technologien ließen sich solche Krisen besser bewältigen – das ist eine Steigerung um mehr als 20 Prozentpunkte verglichen mit 2020, als 53 Prozent dieser Aussage zustimmten. 71 Prozent fordern mehr Tempo beim Ausbau digitaler Angebote in der Medizin – (2020: 65 Prozent). Und 70 Prozent sind der Meinung, Deutschland hänge bei der Digitalisierung des Gesundheitssystems hinter anderen Ländern zurück – 60 Prozent waren es vor einem Jahr. „Die Probleme der Gesundheitsämter beim Durchbrechen von Infektionsketten, die verbreiteten Schwierigkeiten bei der Organisation von Impfterminen oder das Hickhack um die Corona-Warn-App haben bei vielen Menschen zu Ernüchterung und Frustration geführt. Der Kampf gegen Corona geht weiter, und Deutschland muss die Potenziale der Digitalisierung viel besser nutzen“, bilanziert Bitkom-Hauptgeschäftsführer Dr. Bernhard Rohleder. „Zwar ist zuletzt Schwung in die Sache gekommen, allerdings bahnen sich angesichts einer vierten Infektionswelle erneut die bekannten Probleme an. So ist der Datenaustausch der Gesundheitsämter auch im zweiten Jahr der Pandemie noch immer nicht gesichert.“ 87 Prozent der Deutschen bemängeln die Nachverfolgung von Infektionsketten durch die Gesundheitsämter als zu langsam. Das sind Ergebnisse zweier repräsentativer Befragungen im Auftrag des Digitalverbands Bitkom. Eine erste Befragung zu Themen der digitalen Gesundheitsversorgung wurde im Mai 2021 unter 1.157 Personen in Deutschland ab 16 Jahren durchgeführt, eine zweite speziell zum digitalen Impfnachweis Anfang Juli 2021 unter 1.005 Personen in Deutschland ab 16 Jahren.
Demnach gibt es unter den Bundesbürgerinnen und Bundesbürgern großes Interesse am digitalen Impfnachweis. 42 Prozent der Nutzerinnen und Nutzern eines Smartphones haben ihn bereits auf dem eigenen Smartphone gespeichert – und 2 Prozent auf dem Smartphone einer anderen Person. Weitere 41 Prozent wollen sich den digitalen Impfnachweis künftig besorgen – 26 Prozent „in jedem Fall“ und 15 Prozent „wahrscheinlich“. Lediglich 12 Prozent geben an, kein Interesse am digitalen Impfnachweis zu haben, obwohl sie ein Smartphone haben. In Deutschland besitzen 21 Prozent kein Smartphone. Fast die Hälfte davon (42 Prozent) sagt jedoch, sie würden den digitalen Impfpass nutzen, wenn sie denn ein Smartphone hätte. „Mit der Einführung des digitalen Impfnachweises rechtzeitig vor den Sommerferien hat die Bundesregierung doch noch einen digitalen Sprint hingelegt. Er hilft Reisenden, Restaurantbesuchern oder auch Berufstätigen, wieder in den Alltag zurückzukehren. Er ist ein Paradebeispiel dafür, wie digitale Tools die Menschen in der Pandemie ganz praktisch unterstützen können“, betont Rohleder. Die meisten Nutzerinnen und Nutzer des digitalen Impfnachweises haben ihn in der Apotheke ausstellen lassen (31 Prozent), 26 Prozent im Impfzentrum und rund ein Fünftel (22 Prozent) in der Arztpraxis. Einige wenige bekamen ihn auch per Brief (8 Prozent) oder per E-Mail (6 Prozent) zugesandt.
Eine große Mehrheit nutzt den digitalen Impfnachweis aktuell bzw. künftig vor allem für private Anlässe und damit über die rechtlichen Vorgaben hinaus. 87 Prozent wollen so Treffen mit Freunden und Familie absichern. Ob Tennisplatz, Kochwerkstatt oder Kino: Drei Viertel (76 Prozent) setzen den digitalen Impfnachweis jetzt oder künftig für Freizeitaktivitäten ein – und 61 Prozent für Urlaub und Reisen. Die Hälfte derer, die den digitalen Impfnachweis nutzen oder künftig nutzen wollen, wollen damit Restaurants besuchen (53 Prozent), und je etwas mehr als ein Drittel zu Großevents (37 Prozent) bzw. in Clubs oder Bars (35 Prozent) gehen. Zurück aus dem Homeoffice ins Großraumbüro oder ein Termin beim Kunden? Ein Fünftel (22 Prozent) zeigt den digitalen Impfnachweis jetzt oder künftig bei der Arbeit vor. Zwei Drittel der Nutzerinnen und Nutzern des digitalen Impfnachweises (64 Prozent) haben ihn tatsächlich auch schon einmal aktiv vor Ort eingesetzt: Bei 29 Prozent, also fast der Hälfte hiervon, hat dies reibungslos funktioniert. Bei 22 Prozent waren mehrere Versuche nötig, etwa beim Scannen des QR-Codes mit der Check-App des Gegenübers. 14 Prozent sagen allerdings, bei ihnen habe dies in aller Regel nicht funktioniert.
Neben dem digitalen Impfnachweis ist am 1. Juli auch das E-Rezept offiziell an den Start gegangen – allerdings lediglich in ersten Pilotversuchen. Die zugehörige App ist ebenfalls seit kurzem für Apple- und Android-Geräte verfügbar. Das E-Rezept wird per QR-Code in einer Apotheke eingelöst, ab Januar 2022 haben alle Versicherten einen rechtlichen Anspruch darauf. Das Interesse ist groß: 59 Prozent der Deutschen wollen das E-Rezept nutzen, aber 39 Prozent wollen dies nicht. „Mit dem E-Rezept wird der gesamte medizinische Versorgungsprozess durchgehend digital. Wichtig ist jetzt, dass die Arztpraxen, Apotheken und Krankenkassen die notwendige Technik zügig implementieren“, betont Rohleder. Die Hälfte derer, die das E-Rezept nutzen wollen, erhoffen sich davon vor allem eine automatische Erkennung von Wechselwirkungen (51 Prozent), 44 Prozent wollen damit Zettelwirtschaft vermeiden und 3 von 10 Befragten (30 Prozent) aus dieser Gruppe setzen auf digitale Medikationspläne. Ein Viertel (25 Prozent) möchte sich automatisch an die Medikamenten-Einnahme erinnern lassen. Rohleder: „Die aktuell verfügbare E-Rezept-App der Gematik bietet die von den Menschen gewünschten Funktionen nicht. Es sollten Schnittstellen verfügbar gemacht werden, damit Drittanbieter E-Rezept-Apps mit zusätzlichen Funktionen auf den Markt bringen können.“
Seit dem 1. Januar 2021 bieten die gesetzlichen Krankenkassen ihren Versicherten die elektronische Patientenakte (ePa) an. Zwei Drittel (66 Prozent) wollen sie künftig gern nutzen, aktuell haben sie allerdings erst 0,2 Prozent der Befragten in Gebrauch (Stand: Mai 2021). Ein Fünftel (21 Prozent) hat daran allerdings kein Interesse – und ein Zehntel (10 Prozent) gibt an, sich bislang noch nicht mit der ePa befasst zu haben. Wer an der ePa interessiert ist, sieht als Vorteil vor allem, dass andere Ärzte Diagnosen, Befunde oder Arztbriefe einsehen können (74 Prozent). 71 Prozent wollen per ePa selbst alle Infos über die eigene Krankengeschichte im Blick haben und 64 Prozent finden vorteilhaft, dass Doppeluntersuchungen durch die digitale Dokumentation in der ePa vermieden werden. Diejenigen, die die ePa nicht nutzen wollen, haben vor allem Bedenken, dass ihre Daten nicht sicher sind (56 Prozent). Etwas mehr als die Hälfte (52 Prozent) sorgt sich um Eingabefehler und einem Drittel (31 Prozent) erscheint die Beantragung zu aufwendig. „Die elektronische Patientenakte ist das Kernstück der Digitalisierung des Gesundheitswesens. Mit ihr erhalten die Versicherten einen schnellen Zugriff auf ihre medizinischen Daten, Diagnosen und bald auch ihren Impfpass. Sie werden dadurch informierter und souveräner“, sagt Bitkom-Hauptgeschäftsführer Dr. Bernhard Rohleder. „Ärztinnen und Ärzte sollten jetzt aktiv auf die Vorteile der ePa hinweisen. Neben der technischen Ausstattung braucht es dafür ein digitales Mindset: Offenheit gegenüber der Digitalisierung und die Bereitschaft, die neuen technischen Möglichkeiten aktiv zu nutzen.“
Die Verbreitung der Videosprechstunde ist in den vergangenen 12 Monaten eher langsam vorangegangen. 14 Prozent der Menschen in Deutschland ab 16 Jahren haben ein solches digitales Angebot schon einmal genutzt – 13 Prozent waren es im Sommer 2020, jedoch lediglich 5 Prozent im Jahr 2019. Vor allem die 50- bis 64-Jährigen haben die Videosprechstunde für sich entdeckt: Mehr als ein Fünftel aus dieser Gruppe (22 Prozent) hat schon einmal einen digitalen Arztbesuch absolviert. 18 Prozent sind es bei den 16- bis 29-Jährigen und 15 Prozent bei den 30- bis 49-Jährigen. Von den Seniorinnen und Senioren ab 65 Jahren haben allerdings lediglich 3 Prozent schon einmal das Angebot einer Videosprechstunde genutzt. „Patientinnen, Patienten und medizinisches Personal werden vor Ansteckung geschützt, Fahrtwege und Wartezeiten entfallen – bei bestimmten Krankheitsbildern oder etwa der Besprechung von Testergebnissen bietet die Videosprechstunde oft klare Vorteile gegenüber dem persönlichen Besuch in der Praxis“, sagt Rohleder. „Daher ist unverständlich, dass Videosprechstunden weiterhin nur halbherzig geöffnet werden. So sollen Ärztinnen und Ärzte künftig lediglich 30 Prozent ihrer Sprechstunden als Online-Sprechstunden abrechnen dürfen – weitere telemedizinische Beratungen müssen sie auf eigene Kosten durchführen und werden von den Kassen nicht honoriert. Diese Deckelung passt nicht in eine Zeit, in der sich Menschen durch Kontaktbeschränkungen vor Ansteckungen schützen müssen und die medizinische Infrastruktur in ländlichen Regionen immer schwächer wird. Nötig ist eine vollumfassende Gleichstellung von Videosprechstunden mit dem Arztbesuch vor Ort, wie dies z.B. in Frankreich bereits der Fall ist.“
Von denen, die bereits Videosprechstunden genutzt haben, ist die weit überwiegende Mehrheit zufrieden: 53 Prozent beurteilen ihre Erfahrung als „eher gut“ und „43 Prozent als „gut“. Fast alle (95 Prozent) sind der Ansicht, das Angebot an Videosprechstunden solle ausgebaut werden und drei Viertel (74 Prozent) beurteilen die Behandlung als ebenso gut wie eine persönliche Behandlung in der Praxis. 70 Prozent haben die Videosprechstunde genutzt, weil sie sich vor einer Infektion mit dem Corona-Virus im Wartezimmer einer Arztpraxis fürchten. 61 Prozent brauchten möglichst schnell einen ärztlichen Rat und 60 Prozent wollten Wartezeit vermeiden. 31 Prozent nutzen Videosprechstunden aus Bequemlichkeit – und 20 Prozent haben diese aus Neugier ausprobiert.
Seit Herbst 2020 sind so genannte digitale Gesundheitsanwendungen (DiGA) verfügbar, also zertifizierte Gesundheitsapps, die sich die Versicherten auf Rezept verschreiben lassen können. In der Bitkom-Studie geben 51 Prozent der Befragten an, sie könnten sich künftig vorstellen, eine solche App zu nutzen, die etwa bei Tinnitus oder Schlafstörungen, Migräne oder Adipositas hilft. Für 45 Prozent sind Gesundheits-Apps auf Rezept nach eigenem Empfinden nicht geeignet, erst eine sehr geringe Anzahl von Menschen hat eine solche App schon einmal genutzt „Gesundheits-Apps können eine hervorragende Ergänzung zum medizinischen Standardangebot darstellen. Bislang ist die Zahl der verfügbaren Gesundheits-Apps allerdings noch sehr überschaubar“, so Rohleder. „Künftig müssen Politik und Krankenkassen noch besser und umfassender über Nutzen, Anwendung und Verordnungsmöglichkeiten informieren – nicht nur gegenüber den Versicherten, sondern auch gegenüber Ärztinnen und Ärzten.“
Mit Blick auf die Bundestagswahl und den anstehenden Regierungswechsel fordert Bitkom, die Digitalisierung des Gesundheitswesens weiter mit hohem Tempo voranzutreiben. „Die große Koalition hat die jahrelange Stagnation der Digitalisierung im Gesundheitswesen überwunden. Jetzt muss es weitergehen: Wichtig ist, die Akzeptanz bei den Versicherten und den Ärztinnen und Ärzten zu verbessern und die Potenziale für die Patientenversorgung ebenso wie für die Forschung tatsächlich zu realisieren“, so Rohleder. „Das heißt: Wir brauchen eine bundesweite einheitliche Vernetzung zur Kontaktnachverfolgung, damit die Gesundheitsämter auf ein globales Phänomen wie die Corona-Pandemie schnell reagieren können. Wir benötigen außerdem ein zentrales digitales Impfregister, in dem Patientendaten pseudonymisiert hinterlegt sind. Föderale Regelungen zur Datenverarbeitung und unterschiedliche Standards in den einzelnen Bundesländern verlangsamen den gesamten Prozess.“ Zudem brauche es Anreize für Arztpraxen, ihre Systeme technisch auf den neuesten Stand zu bringen, um elektronische Patientenakte, E-Rezept und andere Bausteine der digitalen Versorgung Patientinnen und Patienten anbieten zu können. „Noch immer setzen viele Ärzte etwa beim Versenden von Arztbriefen auf das Fax, was weniger sicher ist und einen immensen Verwaltungsaufwand bedeutet“, betont Rohleder. „Und schließlich müssen auch private Unternehmen der digitalen Gesundheitswirtschaft öffentliche Forschungsdaten beantragen können. Die Nutzung pseudonymisierter Gesundheitsdaten von Versicherten kann etwa mithilfe Künstlicher Intelligenz zu einem immensen medizinischen Fortschritt führen, von dem Millionen Menschen profitieren können.“
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