01.03.2013 — Online-Redaktion Verlag Dashöfer. Quelle: Ipsos GmbH.
Befragt wurden 1.000 Personen ab 14 Jahren. Fünf Jahre zuvor lag nach den damaligen Erhebungen der Stiftung für Zukunftsfragen der Anteil der Befürworter von Doppelverdienern lediglich bei 56 Prozent. "Wenn dieser Trend so anhält, werden im Jahr 2030 etwa achtzig Prozent der Berufstätigen Doppelverdiener sein wollen oder müssen", prognostiziert Professor Opaschowski. "In unsicheren Zeiten sind beide Partner auf das Geld angewiesen, um eine Familiengründung zu wagen und eine Familie finanzieren zu können." Im gleichen Maße, wie der Anteil der Befürworter einer Doppelerwerbstätigkeit von Mann und Frau wächst, sinkt die Bereitschaft der Bevölkerung, wegen der Kinder auf die eigene Berufstätigkeit zu verzichten. Noch 2008 vertrat die Mehrheit der Bundesbürger (70%) die Auffassung, dass es besser sei, wenn nur ein Elternteil arbeitet und der andere die Erziehung der Kinder übernimmt. Inzwischen ist der Anteil erdrutschartig auf 52 Prozent gesunken (Frauen: 50% - Männer: 54%). Jeder zweite Bundesbürger kann und will nicht mehr ohne eigene Erwerbstätigkeit allein mit den Kindern zu Hause bleiben.
Diese Entwicklung wird in den nächsten Jahren zur großen Herausforderung für das Berufs- und Familienleben auf der einen und die Politik auf der anderen Seite. "Beide Elternteile müssen und wollen gleichermaßen familiär verantwortlich und beruflich erfolgreich sein. Eine Bereicherung des Lebens sicherlich, aber auch eine mögliche Konfliktquelle für die Partnerschaft", so Professor Opaschowski.
Die Politik ist darüber hinaus mehr denn je gefordert. 90 Prozent der Deutschen sind heute schon der Meinung: "Die von der Politik geforderte Vereinbarkeit von Beruf und Familie muss für Frauen und Männer gleichermaßen gelten". Insbesondere Singles (96%) wollen die Vereinbarkeit verwirklicht sehen, bevor sie sich zu festen Bindungen oder Familiengründungen entschließen.
So gehen die Kommunen davon aus, dass rund 40 Prozent der Eltern sich auf den ab 1. August diesen Jahres bestehenden Rechtsanspruch auf einen Betreuungsplatz für ein- bis dreijährige Kinder berufen werden und einen Kita- oder Kindergartenplatz beanspruchen. "Dieser Betreuungsanteil kann sich in den nächsten zwanzig Jahren verdoppeln, wenn aus dem sich abzeichnenden Einstellungswandel ein Lebenswandel wird," vermutet Opaschowski.
Professor Opaschowski: "Aus dem formalen Rechtsanspruch kann eine mentale Anspruchshaltung werden, wonach der Staat in Zukunft für die Ganztages- und auch Ganzjahresbetreuung von Kindern berufstätiger Eltern Verantwortung tragen soll. Für eine solche Entwicklung spricht insbesondere der Appell der Bevölkerung, die Ausbildung von Erziehern und Kindergärtnern zu verbessern, damit sie "in Zukunft verstärkt in die Erziehungsverantwortung einbezogen werden" können. Das fordern schon heute 81 Prozent der Bevölkerung in Deutschland – auch ein Grund dafür, warum die Kritik in Deutschland immer lauter wird, weil teilweise auch fachfremdes Personal (wie z.B. Hebammen in Baden-Württemberg) für die Kinderbetreuung eingesetzt wird.
Die Umsetzung der Anspruchshaltung hat in Deutschland längst begonnen. Vier von zehn Bundesbürgern (40%) fordern bereits: Kinder aller Altersgruppen sollten zukünftig "das ganze Jahr über" ganztags in Kindergärten betreut werden" (Frauen: 37% - Männer: 43%), was an Werktagen genauso der Fall sein kann wie notfalls an Wochenenden oder in den Ferien. Wird erfolgreiche Familienpolitik in Zukunft an der Zahl von Kinderbetreuungsplätzen gemessen, am flächendeckenden Ausbau von Kitas, Krippen und Ganztagsschulen? Opaschowski: "Wenn dieser Trend zur 24-Stunden-Betreuung so anhält, wird eines Tages Artikel 6/Absatz 2 des Grundgesetzes neu bewertet werden müssen, weil die Erziehung der Kinder dann nicht mehr als die ‚zuvörderst obliegende Pflicht‘ der Eltern gilt". In naher Zukunft wird zudem die Kinderbetreuung mehr eine Qualifikations- als eine Platzfrage sein und zu erheblichen Personalengpässen führen. Hier wird die Wirtschaft fördernd zu Hilfe kommen müssen.
Drei Viertel der Berufstätigen in Deutschland (75%) erwarten mittlerweile von den Unternehmen zur Betreuung ihrer Kinder Betriebskindergärten (berufstätige Frauen: 79% - berufstätige Männer: 71%). Wer als Unternehmen qualifizierte Führungs- und Fachkräfte sucht, wird sich in Zukunft bei potentiellen Mitarbeitern regelrecht bewerben und neue qualitative Anreize bieten müssen, in denen es mehr um die Erhaltung von Lebensqualität und nicht nur um Einkommenserhöhungen geht. Das Unternehmensengagement für Betriebskindergärten oder garantierte Belegplätze in betriebsnahen Kitas zahlt sich aus. Betriebskindergärten zählen unter Umständen auf Dauer mehr als Betriebsaktien.
Über die Vereinbarkeit von Betriebs- und Familienpolitik muss neu nachgedacht und entschieden werden. Arbeits- und Lebenszeiten sind aufeinander abzustimmen und in ein Gleichgewicht zu bringen. Intensiven Arbeitsphasen stehen gleichermaßen und gleichwertig intensive Familienphasen gegenüber, die miteinander koordiniert werden müssen und nicht gegeneinander ausgespielt werden dürfen. Davon profitieren schließlich beide Seiten. Nur so bleibt genügend "Vollzeit" für Phasen außergewöhnlicher beruflicher Leistungsanforderungen, aber auch Gelegenheit für Teil- oder Auszeiten zur Familiengründung und Kindererziehung. In einer Rund-um-die-Uhr-Gesellschaft des langen Lebens wird in Zukunft beides möglich und akzeptabel sein müssen.
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