03.07.2024 — Online-Redaktion Verlag Dashöfer. Quelle: Technische Universität Ilmenau.
Die wissenschaftliche Begleitforschung durch die TU Ilmenau erfolgte im Projekt InnoFARM, das vom Bundesministerium für Bildung und Forschung im Rahmen der Maßnahme REGION.innovativ mit gut 1,5 Millionen Euro gefördert wurde, davon gut eine Million Euro für die TU Ilmenau.
Workation, 4-Tage-Woche & Co.
In dem von der TU Ilmenau koordinierten Verbundprojekt InnoFARM („Innovative Modelle für Arbeit im Mittelstand“) haben die Thüringer Unternehmen DEGUMA Schütz GmbH und LINDIG Fördertechnik GmbH über 12 beziehungsweise sechs Monate verschiedene Varianten der 4-Tage-Woche getestet. Bereits bei der Vorbereitung der Tests zeigte sich, dass es trotz der je nach Unternehmen und Funktion unterschiedlichen Betriebszeiten grundsätzlich möglich war, den Grundgedanken der 4-Tage-Woche an die jeweiligen betrieblichen Gegebenheiten anzupassen. Dabei waren die erarbeiteten Lösungen sehr unterschiedlich: In einem Betrieb wurde ein ganzer Bereich, zum Beispiel in der Maschinenhalle oder der Werkstatt, an einem Tag in der Woche geschlossen; ein anderes Modell sah vor, dass die einzelnen Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter den freien Tag sowohl im Rhythmus, jede Woche oder jede zweite Woche, als auch in Bezug auf den Wochentag frei wählen konnten; in anderen Bereichen wurden, um die betrieblichen Anforderungen leisten zu können, die Beschäftigten in Teams mit unterschiedlichen Arbeitstagen aufgeteilt: Das eine Team arbeitete von Montag bis Donnerstag, das andere von Dienstag bis Freitag.
In beiden Unternehmen wurden die Mitarbeiter und Mitarbeiterinnen vor, während und nach Abschluss der Testphase in insgesamt 164 Interviews danach befragt, welche Erwartungen sie an die 4-Tage-Woche hatten, welche Veränderungen im Arbeitsalltag sie erlebt haben, wie sich der freie Tag auf das Wohlbefinden und das Privatleben ausgewirkt hat, ob sich ihre Erwartungen erfüllt haben und ob sie weiterhin im Modell der 4-Tage-Woche arbeiten möchten. Darüber hinaus wurden umfassend Veränderungen von Kennzahlen wie Kundenzufriedenheit, Termintreue, Fehlerquoten und Reklamationen, Produktivität, Krankenstand und zur Zahl eingegangener Bewerbungen ausgewertet.
Ziel der Begleitforschung durch das Team der TU Ilmenau war es, unabhängig vom spezifischen Einzelfall die Voraussetzungen und die Auswirkungen unterschiedlicher Modelle einer 4-Tage-Woche zu erforschen, und zwar jeweils bezogen auf Einzelpersonen, auf Teams und auf die Unternehmensorganisation.
Ein wesentliches Ergebnis der Interviews der Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter ist, dass ein zusätzlicher freier Tag in der Woche nicht von allen als vorteilhaft und erstrebenswert beschrieben wurde. Während sich einige Personen durch die längere Freizeit erholter fühlten und fokussierter arbeiteten, erlebten andere trotz einer positiven Einstellung zur 4-Tage-Woche einen erhöhten Arbeitsdruck verbunden mit dem Gefühl, sich den freien Tag „verdienen“ zu müssen. Einige verzichteten gar ganz auf den eigentlich freien Tag und leisteten sogar Überstunden, weil sie subjektiv empfanden, ihre Arbeit in den vier Tagen nicht erledigt zu haben. Dies führte bei den Betroffenen wiederum zu noch mehr Stress.
Die Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter fühlten sich weniger gestresst, wenn ihr Unternehmen Organizational Slack vorsah. Dieser Fachbegriff beschreibt Ressourcen über die üblichen täglichen Anforderungen hinaus, um flexibel auf unvorhergesehene Ereignisse, etwa eine Havarie beim Kunden, reagieren zu können. So können zum Beispiel mehrfach qualifizierte Beschäftigte, die als sogenannte Springer in verschiedenen Aufgabenbereichen einsetzbar sind, Spitzen im Personalbedarf abfedern.
Auf der Team-Ebene zeigte sich, dass bei einer insgesamt verkürzten Arbeitszeit die Abstimmung zwischen Beschäftigten besser geplant werden musste. Im Ergebnis der erforderlichen zusätzlichen Regelungen handelten die Beschäftigten daher weniger aus einer momentanen Stimmung heraus oder auf Zuruf. Kommunikationsprobleme, die daraus resultierten, dass Mitarbeiterinnen oder Mitarbeiter ihren freien Tag hatten, wurden zum Beispiel dadurch beseitigt, dass Sitzungen nun an festen Wochentagen stattfanden, an denen alle Beschäftigten anwesend waren. Nebeneffekt auf der individuellen Ebene: An den sitzungsfreien Tagen arbeiteten die Beschäftigten fokussierter und zielorientierter.
Gemessen an Unternehmenskennzahlen hatte der Test der 4-Tage Woche während des Beobachtungszeitraums in keinem der beiden Unternehmen negative Auswirkungen. Verglichen mit dem Jahr vor der Testphase blieben Kundenzufriedenheit und Produktivität annähernd gleich. In einem Unternehmen sank der Krankenstand deutlich, wodurch die Verringerung der individuellen Arbeitszeit teilweise ausgeglichen werden konnte.
Der Erfolg einer 4-Tage-Woche wird in hohem Maße von den organisatorischen Rahmenbedingungen beeinflusst. Neben den betrieblichen Anforderungen müssen Arbeitgeber auch Verpflichtungen ihrer Beschäftigten wie Kinderbetreuung berücksichtigen, deren zeitliche Anforderungen sich nicht mit einer starren 4-Tage-Woche und längeren Arbeitstagen vereinbaren lassen. Auch werden Beschäftigte den freien Tag nur dann wirklich zur Erholung nutzen, wenn es die individuelle finanzielle Situation erlaubt.
Ebenso ist zu prüfen, wie sich das gewählte Modell der 4-Tage-Woche langfristig auf die wirtschaftliche Situation des Unternehmens auswirkt und ob den Beschäftigten auch bei reduzierter Arbeitszeit der volle Lohn gezahlt werden kann. Sollten im Modellversuch beobachtete positive Effekte wie eine bessere Erholung nicht auf Dauer realisierbar sein, sollte die 4-Tage-Woche in Frage gestellt und andere Optionen geprüft werden. Das gewählte Arbeitszeitmodell muss zum Unternehmen und zu seinen Beschäftigten passen.
Während die DEGUMA Schütz GmbH die 4-Tage-Woche für alle Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter im gesamten Unternehmen dauerhaft beibehalten wird, nutzt die LINDIG Fördertechnik GmbH die 4-Tage-Woche nach der Testphase als Option und prüft nun Arbeitszeitmodelle, bei denen die Beschäftigten zwischen Zeit/Urlaub und Geld wählen können.
Bild: Christina Morillo (Pexels, Pexels Lizenz)
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