21.05.2019 — Jasmin Dahler. Quelle: Verlag Dashöfer GmbH.
Der Aufschrei war groß, nachdem der Europäische Gerichtshof am 14. Mai 2019 entschieden hatte, dass der Arbeitgeber künftig jede Arbeitsstunde der Arbeitnehmer dokumentieren muss. Das Ende der Vertrauenszeit und die Rückkehr zur Stechuhr wurde von verschiedenen Seiten prophezeit. Doch wir können Sie beruhigen.
Der EuGH will mit seinem Urteil insbesondere die Arbeitnehmer schützen. Der Arbeitgeber ist jetzt schon verpflichtet, darauf zu achten, dass Beschäftigte pro Woche maximal 48 Stunden arbeiten und ihre tägliche Ruhezeit von 11 Stunden am Stück einhalten. Der Gerichtshof stellt fest, dass ohne die Messung der tatsächlichen Arbeitszeit weder die exakte Zahl der Überstunden noch die zeitliche Verteilung der Arbeitszeit verlässlich und objektiv ermittelt werden kann. Gibt es keine Aufzeichnungen über die geleistete Arbeitszeit, hat der Arbeitnehmer es in einem Streitfall schwer, seine geleistete Arbeitszeit vor Gerichten und Behörden zu beweisen. Die neue Regelung soll dafür sorgen, dass der Arbeitnehmer keinen Schaden durch die versäumte Pflicht des Arbeitgebers erhält.
Explizite Vorschriften für die Erfassung dieser Daten gibt es im deutschen Arbeitsrecht bisher nicht. Diese Aufgabe obliegt jetzt dem deutschen Gesetzgeber. Eine Frist setzt der EuGH jedoch nicht. Die Gesetzgeber sollen lediglich so schnell wie möglich eine Regelung finden.
Was kann der Betriebsrat jetzt schon tun?
Nach § 87 BetrVG hat der Betriebsrat ein Mitbestimmungsrecht, was die Arbeitszeit betrifft. Gibt es keine entsprechende Reglung in der Betriebsvereinbarung, kann der Betriebsrat aktiv werden und mit dem Arbeitgeber eine Lösung finden, wie die Arbeitszeit aufgezeichnet werden kann. Das System zur Zeiterfassung muss dabei verlässlich, zugänglich und objektiv sein.
Bisher musste der Arbeitgeber nur die Überstunden schriftlich festhalten. Das bedeutet, dass der Arbeitgeber bereits jetzt irgendwie in der Lage sein muss, sich einen Überblick über die Arbeitszeit der Arbeitnehmer*innen zu verschaffen. In Zukunft müssen auch Heimarbeit und Außendienst nach dem EuGH-Urteil registriert werden. Selbst die abendlichen E-Mails und jedes berufliche Telefonat könnten künftig aufzeichnungspflichtig werden. Ob diese Aufzeichnungen durch elektronische Chipkarten, Smartphone-Programme oder eine händische Aufzeichnung erfolgen sollen, ist bis jetzt nicht entschieden. Der EuGH hält die Gesetzgeber jedoch dazu an, die verschiedene Betriebssituation von kleinen und großen Unternehmen zu beachten.
Am 21.05.2019 kündigte Bundeswirtschaftsminister Peter Altmaier (CDU) an, dass sein Ressort ein Rechtsgutachten in Auftrag geben werde, um zu klären, ob das Urteil des EuGH überhaupt umgesetzt werden muss. Dieses Gutachten solle spätestens bis zur Sommerpause vorliegen. Altmaier spricht sich dafür aus, das Interesse der Arbeitnehmer*innen zu schützen, ohne dabei eine überbordende Bürokratie zu schaffen. Das von Altmaier geführte Wirtschaftsministerium weist auch noch einmal deutlich darauf hin, dass das Vertrauensverhältnis zwischen Arbeitnehmer*innen und Arbeitgeber erhalten bleiben müsse. Die Dokumentation der geleisteten Arbeit könne bei der Vertrauensarbeit zum Beispiel an die Arbeitnehmer weiter delegiert werden, um funktionierende Modelle nicht zu gefährden.
Arbeitsminister Hubertus Heil (SPD) steht Altmaiers Vorgehen kritisch gegenüber. Er sagte der Süddeutschen Zeitung:
Kein verantwortlicher Minister der Bundesregierung sollte allerdings bestehendes Recht und Gesetz ignorieren.
SPD-Fraktionsvize Katja Mast sagte, dass es Altmaier frei stehe das Urteil zu prüfen, es jedoch dennoch zu einer Umsetzung des Urteils kommen wird. Sie versichert jedoch, dass keine Reanimation der Stechuhr geplant sei.
Quellen und Hintergründe:
Bild: Icons8 team (Unsplash, Unsplash Lizenz)
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