09.07.2018 — Udo Cremer. Quelle: Verlag Dashöfer GmbH.
Wird im Rahmen eines konzerninternen Cash-Pooling-Verfahrens lediglich ein Mindest- und ein Höchstzinssatz vereinbart und verbleibt hiernach ein erheblicher Spielraum für die Berechnung der Zinsvergütung, liegt ein Verstoß gegen die Grundsätze des sog. formellen Fremdvergleichs vor.
Alleinige Gesellschafterin der Klägerin war im Streitjahr (2009) die P-GmbH (Tochtergesellschaft), deren Anteile wiederum von der A-AG (Muttergesellschaft) gehalten wurden. Die Klägerin war mit der P-GmbH ab dem Wirtschaftsjahr 1. Oktober 2007 bis 30. September 2008 über einen Ergebnisabführungsvertrag organschaftlich verbunden. Am ... meldeten die A-AG und die P-GmbH Insolvenz an. Infolgedessen kündigte die Klägerin den Ergebnisabführungsvertrag mit der P-GmbH mit Wirkung zum ... 2009. Noch im Streitjahr wurde über die Vermögen der A-AG und der P-GmbH das Insolvenzverfahren eröffnet.
Die Klägerin hatte seit August 2007 am (konzerninternen) Cash-Pooling der A-AG teilgenommen. Schriftliche Vereinbarungen hierzu wurden zwischen der Klägerin und der A-AG nicht getroffen. Nach den Feststellungen des FG München sollten die Cash-Pool-Guthaben in Höhe von ... bis ... % verzinst werden. Die Zinssätze orientierten sich an den Refinanzierungszinsen der A-AG in Höhe von ... bis ... %. Sicherheiten für Forderungen der Klägerin aus dem Cash-Pool wurden nicht vereinbart. Für die Klägerin ergaben sich während der Teilnahme am Cash-Pool keine Darlehensverpflichtungen. Zeitgleich mit der Insolvenzanmeldung der A-AG wurde das Cash-Pooling beendet. Die Forderungen der Klägerin aus dem Cash-Pool beliefen sich zu diesem Zeitpunkt auf ... EUR. Nachdem die Konsolidierungsbemühungen der A-AG gescheitert waren, schrieb die Klägerin die Forderungen sowie eine nicht gesondert ausgewiesene Zinsforderung zum 30. September 2009 in vollem Umfang (... EUR) ab und meldete die Forderungen zur Insolvenztabelle der A-AG an.
Das FA erkannte im Körperschaftsteuerbescheid für das Streitjahr die Teilwertabschreibung der Forderungen aus dem Cash-Pool unter Hinweis auf das Abzugsverbot nach § 8b Abs. 3 Satz 4 und 5 des Körperschaftsteuergesetzes 2002 i.d.F. des Jahressteuergesetzes 2008 vom 20. Dezember 2007 nicht an und rechnete die Gewinnminderung aus der Teilwertabschreibung dem Einkommen der Klägerin wieder hinzu. Einspruch und Klage blieben ohne Erfolg. Das FG München (Urteil vom 7. Juli 2014 7 K 2688/11) war zwar der Auffassung, dass § 8b Abs. 3 Satz 5 KStG 2002 n.F. nicht einschlägig sei, weil weder die Klägerin als Darlehensgeberin noch die P-GmbH als dieser nahe stehenden Person an der A-AG als Darlehensnehmerin beteiligt seien, ging aber im Weiteren aufgrund der fehlenden Besicherung der Darlehen von einer verdeckten Gewinnausschüttung (vGA) an die der Gesellschafterin der Klägerin, der P-GmbH, nahe stehende Person (A-AG) aus.
Das angefochtene Urteil des FG ist, soweit es über den Bescheid über Körperschaftsteuer 2009 vom 10. August 2011 entschieden hat, aus verfahrensrechtlichen Gründen aufzuheben. An die Stelle dieses Bescheids ist während des Revisionsverfahrens der Änderungsbescheid vom 29. Mai 2017 getreten (BFH-Urteil vom 17.1.2018, I R 74/15).
Dem FG ist darin beizupflichten, dass die Klägerin der A-AG nach der konzerninternen Cash-Pooling-Abrede Liquidität in Form von (Geld-)Darlehen zur Verfügung gestellt hat. Die Vorinstanz hat weiterhin die Gewinnminderung aufgrund der Teilwertabschreibung der Darlehensforderung aus dem Cash-Pool bei der Einkommensermittlung der Klägerin berücksichtigt und hierzu ausgeführt, dass insoweit das Abzugsverbot des § 8b Abs. 3 Satz 4 und 5 KStG 2002 n.F. nicht eingreift, weil die Klägerin als Darlehensgeberin zu keinem Zeitpunkt unmittelbar oder mittelbar an der A-AG als Darlehensnehmerin beteiligt gewesen sei und sog. Upstream-Darlehen weder vom Abzugsverbot für Gewinnminderungen im Zusammenhang mit Darlehensgewährungen nach § 8b Abs. 3 Satz 4 KStG 2002 n.F. noch von der Erweiterung des Anwendungsbereiches des Satzes 4 auf Darlehensgewährungen durch nahe stehende Personen in § 8b Abs. 3 Satz 5 KStG 2002 n.F. erfasst würden. Ob Letzterem zuzustimmen ist, bedarf im Streitfall keiner Entscheidung, da die mit der Teilwertabschreibung verbundene Gewinnminderung (wie von der Vorinstanz im Ergebnis zutreffend entschieden) jedenfalls durch den außerbilanziellen Ansatz einer vGA zu neutralisieren ist.
Unter einer vGA i.S. des § 8 Abs. 3 Satz 2 KStG ist bei einer Kapitalgesellschaft nach ständiger Spruchpraxis des Senats eine Vermögensminderung (verhinderte Vermögensmehrung) zu verstehen, die durch das Gesellschaftsverhältnis veranlasst ist, sich auf die Höhe des Unterschiedsbetrages gemäß § 4 Abs. 1 Satz 1 EStG i.V.m. § 8 Abs. 1 KStG auswirkt und in keinem Zusammenhang zu einer offenen Ausschüttung steht. Für den größten Teil der entschiedenen Fälle hat der BFH die Veranlassung durch das Gesellschaftsverhältnis angenommen, wenn die Kapitalgesellschaft ihrem Gesellschafter einen Vermögensvorteil zuwendet, den sie bei Anwendung der Sorgfalt eines ordentlichen und gewissenhaften Geschäftsleiters einem Nichtgesellschafter nicht gewährt hätte. Außerdem muss der Vorgang geeignet sein, bei dem begünstigten Gesellschafter einen Bezug i.S. des § 20 Abs. 1 Nr. 1 Satz 2 EStG auszulösen.
Eine vGA kann auch dann in Betracht kommen, wenn die Zuwendung nicht unmittelbar an den Gesellschafter, sondern an eine ihm nahestehende Person bewirkt wird. Entscheidend ist in diesem Fall, ob die Kapitalgesellschaft dem Dritten einen Vermögensvorteil zugewendet hat, den sie bei Anwendung der Sorgfalt eines ordentlichen und gewissenhaften Geschäftsleiters einer Person, die dem betreffenden Gesellschafter nicht nahesteht, nicht gewährt hätte. Ist der begünstigte Gesellschafter ein beherrschender, so kann eine vGA ferner dann anzunehmen sein, wenn die Kapitalgesellschaft eine Leistung an ihn oder an eine ihm nahestehende Person erbringt, für die es an einer klaren, im Voraus getroffenen, zivilrechtlich wirksamen und tatsächlich durchgeführten Vereinbarung fehlt (sog. formeller Fremdvergleich). Zu berücksichtigen ist hierbei allerdings, dass das Fehlen von Nebenabreden nicht zwangsläufig mit der Annahme einer vGA und damit einer durch das Gesellschaftsverhältnis veranlassten Zuwendung einhergeht.
Vielmehr bedarf es in einem solchen Fall der Gesamtwürdigung der Abrede und ihrer tatsächlichen Handhabung; auch können die Vorschriften des BGB ergänzend heranzuziehen sein. Der Senat stimmt dem FG zwar darin zu, dass das der A-AG eingeräumte Cash-Pool-Darlehen i.V.m. der Teilwertabschreibung zu einer vGA geführt hat. Insoweit ist weder die Vermögensminderung noch die Stellung der A-AG (Konzernmutter) als eine der Gesellschafterin der Klägerin (P-GmbH) nahestehende Person im Streit. Soweit die Vorinstanz das Vorliegen einer vGA jedoch in materieller Hinsicht aus dem Umstand der fehlenden Besicherung dieses Darlehens abgeleitet hat, ist hierauf im Streitfall nicht einzugehen. Vielmehr ergibt sich der Anfall einer vGA vorliegend bereits daraus, dass die Darlehensabrede nicht den Anforderungen des formellen Fremdvergleichs entspricht.
Hiernach muss eine im Hinblick auf die Vergütung des beherrschenden Gesellschafters getroffene Vereinbarung zwischen der Gesellschaft und dem Gesellschafter dem Grunde und der Höhe nach klar und eindeutig sein. Dies gilt insbesondere im Hinblick auf die Bemessungsgrundlage (Prozentsätze, Zuschläge, Höchst- und Mindestbeträge) der Vergütungsansprüche des Gesellschafters. Im Streitfall wird dem nach den bindenden Feststellungen des FG nicht genügt. Hiernach sollten die Cash-Pool-Darlehen mit Sätzen zwischen ... bis ... % verzinst werden. Diese sollten sich an den Refinanzierungskosten der A-AG in Höhe von ... bis ... % orientieren. Der Senat vermag hierin keine im Vorhinein gefasste klare und eindeutige Vereinbarung der Pflichten des jeweiligen Darlehensnehmers zu sehen. Letzteres erfordert nach ständiger Rechtsprechung, dass die Berechnungsgrundlagen in der Weise vereinbart werden, dass allein durch Rechenvorgänge die Höhe der Vergütung ermittelt werden kann und es deshalb auch keiner Ermessensausübung durch die Geschäftsführung oder die Gesellschafterversammlung bedarf.
Dem wird durch die Festlegung eines Mindest- und eines Höchstzinssatzes nicht entsprochen. Auch kann der Cash-Pool-Abrede kein Hinweis auf einen bestimmten Referenzzinssatz der A-AG entnommen werden; ebenso bleibt unklar, ob die Zinsvereinbarung an die Bonität der Darlehensschuldnerin gekoppelt war. Auch wenn nicht jede vertragliche Regelungslücke die Annahme eines Verstoßes gegen den formellen Fremdvergleich trägt, ist im Streitfall jedenfalls aus der Unbestimmtheit der Zinsverpflichtung das Vorliegen einer Vorteilszuwendung abzuleiten, die ihre Veranlassung in der Beteiligung der P-GmbH an der Klägerin hat. Hierfür spricht nicht nur, dass die aufgezeigten Unsicherheiten bei der Bestimmung des tatsächlich geschuldeten Zinses im Zusammenhang mit der signifikanten Spreizung von Mindest- und Höchstzinssatz (annähernd 40 v.H.) zu würdigen ist. Hinzu kommt vor allem, dass die Zinsverpflichtung des Darlehensnehmers keine Nebenrede, sondern eine Hauptleistungsverpflichtung des Darlehensverhältnisses betrifft. Nichts anderes lässt sich daraus ableiten, dass dem konzerninternen Cash-Pooling ein Dauerrechtsverhältnis zugrunde liegt, das nach dem Vortrag der Klägerin entsprechend der Praxis gehandhabt worden sei. Die Erwägung lässt außer Acht, dass allein die tatsächliche Durchführung des Cash-Management-Systems keinen Anlass gibt, im Hinblick auf die Vereinbarung der hierbei bestehenden Hauptleistungsverpflichtung von den Anforderungen des formellen Fremdvergleichs abzurücken.
Der Autor:
Udo Cremer ist geprüfter Bilanzbuchhalter (IHK) und hat die Steuerberaterprüfung mit Erfolg abgelegt. Er ist als Dozent für Steuer- und Wirtschaftsrecht tätig und veröffentlicht seit mehreren Jahren praxisorientierte Fachbücher zu den Themen Buchführung, Kostenrechnung, Preiskalkulation, Kennzahlen, Jahresabschluss und Steuerrecht. Daneben wirkt er als Autor an zahlreichen Fachzeitschriften und Loseblattsammlungen im Bereich der Buchhaltung und des Steuerrechts mit.
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