07.04.2022 — Rolf Becker. Quelle: Verlag Dashöfer GmbH.
Der Empfänger einer Briefwerbung für eine Lebensversicherung hatte sich an das Gericht gewendet, weil nach seiner Ansicht die Werbung unzulässig sei, weil sie eine bestehende Kundenbeziehung voraussetze. Nur dann läge sie im berechtigten Interesse des Werbenden und könne auf Art. 6 Abs. 1 lit. F DSGVO gestützt werden. Auch sei er nicht über sein Widerspruchsrecht belehrt worden und seine Adresse habe nicht für Dritte für Werbezwecke verwendet werden dürfen.
Der beklagte Dienstleister, der die Werbung im Auftrag der Versicherung versendet hatte, verwies darauf, dass die Adresse im Internet veröffentlicht sei und man diese zwar von einem Adressdienstleister erhalten und für Werbezwecke Dritter genutzt habe. Allerdings sei die Adresse nicht an Dritte weitergegeben worden. Der Dienstleister hatte nämlich das sog. „Lettershop-Verfahren“ genutzt. Dabei stellt der Werbetreibende nur den Inhalt der Werbung zur Verfügung und die Werbung wird dann von einem Dienstleister, dem sog. Lettershop adressiert und versendet. In dem Werbeschreiben, so die Beklagte, seien auch die notwendigen Datenschutzhinweise aufgeführt gewesen.
Die Richter des LG Stuttgart sahen in ihrem Urteil die Verarbeitung der Daten auf diesem Weg als zulässig an (LG Stuttgart, Urteil vom 25.02.2022 – 17 O 807/21).
„Vorliegend kann die Beklagtenseite als datenschutzrechtlicher „Verantwortliche“ ihre Interessen und die ihres Kunden („eines Dritten“) - der H. Lebensversicherung AG - an der streitgegenständlichen Werbemaßnahmen als „berechtigte Interessen“ im Sinne des Art. 6 Abs. 1 S. 1 f) DS-GVO anführen. Es ist anerkannt und wird im Erwägungsgrund Nr. 47 zur Verordnung explizit benannt, dass auch wirtschaftliche Interessen, insbesondere das Vermitteln gewerblicher Informationen ein berechtigtes Interesse im Sinne dieser Vorschrift sein können (...).“
Die Werbung sei auch erforderlich gewesen. Briefwerbung sei notwendig, um Bestandskunden zu pflegen, aber auch um Neukunden zu gewinnen. Andere Möglichkeiten habe der Kläger nicht dargelegt. Auch im Rahmen der erforderlichen Interessenabwägung sah das Gericht ein Überwiegen der Interessen des beklagten Dienstleisters. Die DSGVO sehe das Interesse der Wirtschaft an Direktwerbung, wie sie hier erfolgt sei, als schutzwürdig an.
Im Urteil heißt es zu der Anforderung einer Kundenbeziehung:
„So ist im Erwägungsgrund 47 bestimmt, dass die „Verarbeitung personenbezogener Daten zum Zwecke der Direktwerbung als eine einem berechtigten Interesse dienende Verarbeitung betrachtet werden kann“. Zwar ist damit noch nicht gesagt, dass jeder Fall der Direktwerbung über Art. 6 Abs. 1 S. 1 f) DS-GVO gerechtfertigt ist. Allerdings lässt sich dem Erwägungsgrund entnehmen, dass der Kläger und seine Werbekunden hieran ein berechtigtes Interesse haben, dem gegenüber widerstreitende Interessen des Klägers überwiegen müssen. Denn anders als der Kläger meint, ist unter Direktwerbung im Sinne des Erwägungsgrundes jede unmittelbare Ansprache der betroffenen Person etwa durch Zusendung von Briefen oder Prospekten, durch Telefonanrufe, E-Mails oder Übermittlung von SMS zu verstehen, unabhängig davon, ob zwischen Werbendem und Betroffenem zuvor ein Kundenverhältnis bestanden hat (Kühling/Buchner/Herbst, 3. Aufl. 2020, DS-GVO Art. 21 Rn. 26). Die gegenteilige Auffassung des Klägers findet keinerlei Stütze im Gesetz. Der Wortlaut der Vorschrift setzt kein bereits bestehendes Kundenverhältnis der Parteien voraus.“
Weitergehende Ansprüche konnten die Richter nicht erkennen.
Das Urteil ist ein wichtiger Meilenstein für die Absicherung der Briefwerbung mit Fremdadressen. Dem Unterzeichner sind gegenläufige Ansichten einer einzelnen Datenschutzbehörde bekannt, die einen entsprechenden Vorgang zurzeit prüfen. Gerade für die Neukundengewinnung und Verwertung von solchen Daten im Konzernverbund für Werbezwecke sind solche Verfahren aber unerlässlich und von ganz erheblicher wirtschaftlicher Bedeutung. Es ist zu erwarten, dass sich die Datenschutzbehörden bald zum Adresshandel noch einmal positionieren. Dabei ist zu hoffen, dass einer gut beratenen und wohl durchdachten Konzeption unter Verwendung des Lettershop-Verfahrens keine weiteren Bedenken entgegengesetzt werden. Unternehmen, die in diesem Wirtschaftskreislauf arbeiten oder Briefwerbung nutzen, sollten unbedingt ihre Konzeption rechtlich beraten lassen. Die Tücken liegen trotz des Urteils im Detail.
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