26.02.2019 — Tobias Weilandt. Quelle: Verlag Dashöfer GmbH.
Ohne Zweifel leben wir in einer schnelllebigen Welt. Die Tatsache, dass, wer wettbewerbsfähig bleiben will, sich auf die damit einhergehenden Bedingungen und Anforderungen einstellen muss, ist beinahe trivial. Neue technische Lösungen und Herausforderungen bieten nicht nur großes Entwicklungspotenzial für Unternehmen, sondern mit ihnen gehen auch so mancherlei Probleme einher. Eines davon ist sicherlich, wie Mitarbeiter*innen fit für ein digitales Arbeiten gemacht werden können. Julien Boppert (Magh und Boppert GmbH) stellte deshalb zu Recht die Frage, wann Trainings und Weiterbildungsmaßnahmen sinnvoll eingesetzt werden können. Es nicht immer nur das Erlernen von etwas Neuem, das Seminare und e-Learning-Formate unerlässlich macht, sondern auch das vertiefende Lernen, das Auffrischen von Wissen und auch dessen Transformation in praktisch anwendbare Fähigkeiten. Mehr und mehr geht der Trend, so Thomas Hoger von der 3spin GmbH & Co. KG, zu situativem und problemorientiertem Lernen, wodurch sich der Begriff der Bildung semantisch erweitert.
Die 3spin GmbH & Co. KG entwickelte eine Google Glass-Anwendung, mit der Benutzer*innen verschiedene LEGO-Bausätze zusammen setzen können. Via Google Glass wird eine Mixed-Reality-Umgebung generiert, die von Anfang bis Ende eine Bauanleitung für LEGO-Modelle durch spielt und User*innen aufzeigt, wie effizient bspw. ein Minivan mit LEGO-Steinen gebaut werden kann. Spekulationen darüber, ob solcherlei Anwendungen einmal die klassischen Anleitungen im Piktogramm-Stil à la IKEA einmal ablösen werden, sind wohl noch zu früh. Allerdings zeigt diese virtuelle LEGO-Anleitung, wie eine moderne berufliche Weiterbildung on-the-job funktionieren könnte. An formale Ausbildungen, die breite und vertiefende Einblicke in Themen- und Sachgebiete geben, schließen sich Verfahren des situativen Lernens an.
Die Vorteile liegen auf der Hand: Situatives Lernen - on-the-job - ist hochgradig praxisrelevant und der Nutzen sofort gegeben. Es geht schnell und einfach und beim Lernen wird ein bestehendes Problem durch praktischen Vollzug gelöst. Der Fokus unternehmensinterner Fort- und Weiterbildungsmaßnahmen verschiebt sich demnach vom “Kennen” zum “Können”. Es ist nicht nur Wissen auf unterschiedlichen Gebieten gefordert, sondern die Fähigkeit, Wissen in praktischen Zusammenhängen direkt zur Anwendung zu bringen. Kompetenzen, statt Wissen lautet nunmehr das Gebot der Zeit.
Nun läßt sich trefflich darüber streiten, ob on-the-job-Trainings tatsächlich unter dem Rubrum Bildung vereint werden können. Ist Bildung doch weniger das Ansammeln von Faktenwissen und konkreten Umsetzungen von vorgegebenen Prozessen, sondern vielmehr das Entwickeln von Zusammenhängen und eigenständigem Finden von Lösungswegen anhand von erlerntem Wissen? Der hohe Nutzen von problemorientierten Lernen bleibt von dieser Frage jedoch unberührt.
Aber haben Unternehmen die Aktualität von praxisbezogener Bildung und “lebenslangem Lernen” erkannt? “Ja”, so Dirk Röhrborn (Mitglied des Präsidiums des Bitkom e.V.), nur fehle es insbesondere mittelständischen Unternehmen an einer konkreten Bildungsstrategie.
Eine bitkom-Umfrage unter rund 500 Unternehmen ergab, dass die Dringlichkeit und der Nutzen digitaler Kompetenzen erkannt wurde. Vernachlässigt wurde bisher nur, Bildungsstrategien in Unternehmensphilosophien einzupassen. Lebenslanges Lernen sollte Bestandteil jeder Unternehmenspraxis sein. Röhrborn votiert sogar dafür, dass unternehmensinterne Bildungsmaßnahmen ebenso wichtig sein sollten, wie die herkömmlichen Berufsausbildungen: “Weiterbildungen sollten den gleichen Status haben wie Berufsabschlüsse.” Eine qualifizierende Berufsausbildung, ein Studium o.ä. ist eine fast notwendige Voraussetzung, um eine Anstellung zu erhalten. Eine ebensolche Notwendigkeit ist mittlerweile auch bei Weiter- und Fortbildungsangeboten gegeben, um den Anforderungen eines Arbeitens 4.0 gerecht zu werden. Röhrborn sieht aber auch an der didaktischen Umsetzung noch Verbesserungsbedarf.
Zumeist bilde das einzige Weiterbildungsformat, das Unternehmen anböten, Präsenzseminare. Die Vorteile von digitalen Angeboten sei hingegen noch nicht ausreichend wahrgenommen worden. Gerade, weil e-Learning-Module sich einfacher, schneller und ressourcenschonender in die Arbeitspraxis einbinden ließen, dieses aber noch nicht getan wird, blieben große Potenziale noch ungenutzt. Zudem sei es immer noch üblich, dass Mitarbeiter*innen Bildungsmaßnahmen selbst einfordern müssten, da regelmäßige Weiterbildungen noch keine permanenten Bestandteile vieler Unternehmenspraxen wären. Er rät zu einem Zusammenspiel von Arbeitgeber und Arbeitnehmer. Kaum ein mittelständisches Unternehmen, so Rörhborn, sei heutzutage in der Lage, alle nötigen Veränderungen in einem Beschäftigungsgebiet zu überblicken und dementsprechend zu reagieren, um die Angestellten auf dem Laufenden zu halten. Jede/r Arbeitnehmer*in sei auch selbstverantwortlich für seine eigene Fortentwicklung. Angestellte und Geschäftsführung sollten demnach Hand in Hand die Herausforderungen, die mit einer digitalisierten Arbeitswelt einhergehen, meistern und eine Weiterbildungskultur etablieren.
Erfolgreiche Unternehmen, so Patrick Blum (inside Unternehmensgruppe) hätten es geschafft, Lernen mit Businesszielen und Geschäftsmetriken zu harmonisieren. So träfen sich Unternehmensziele und Bedürfnisse von Mitarbeiter*innen und es käme zu einem Austausch von Erfahrungen und dem Teilen von Wissen. Bildung in einem Unternehmen muss gelebt werden, denn, so wiederum Dirk Röhrborn, verkaufen zukunftsträchtige Unternehmen nicht Produkte, sondern das Wissen ihrer Mitarbeiter*innen.
Um den stetig wachsenden Herausforderungen an eine Welt, in der “lebenslanges Lernen” zu einem kulturellen Imperativ geworden ist, gerecht zu werden, gibt es mittlerweile zahlreiche moderne Bildungsformate. Gerade im e-Learning-Bereich tut sich ständig etwas. Eine der interessantesten Lösungen stellen “Serious Games” dar. Spielerisch lernen und spielend lernen sind keine Begriffe mehr, die nur noch Entwicklungspsycholog*innen verwenden.
Ralph Stock von Serious Games Solutions gab Einblicke, was ein wertvolles Serious Game können und was bei der Konzeption bedacht werden muss. Große Erfolge konnte Serious Games Solutions mit User generated content bei Bildungsspielen verzeichnen. Die Möglichkeit, etwas aufzubauen, eigene Szenarien zu erstellen und eigene Ideen zu verwirklichen, banden Benutzer*innen lange an Bildungsspiele. Kommt dann die Option hinzu, sich mit anderen Spieler*innen zu messen, ist ebenfalls schon viel gewonnen, da ein Wettbewerbscharakter zu höherer Motivation führe. Ebenso sei Repetition, also nicht nur die Wiederholung von Inhalten, lernpsychologisch geboten, sondern kann ebenfalls Anreiz sein, sich langfristig mit einem Serious Game auseinanderzusetzen. Eine charmante Lösung, durch Wiederholung zu lernen, ist die Implementierung eines Belohnungssystems. Gewonnene Punkte, Taler etc. könnten dazu verwendet werden, um neue Funktionen, Szenarien usw. in einem Spiel freizuschalten. Nicht zuletzt sind Spiele zumeist hürdenfrei und unterhaltsam und haben schon so manchen Lernmuffel zu Höchstleistungen getrieben. Nicht erst seit Gerhard Hüthers und Christoph Quarchs populärem Sachbuch “Rettet das Spiel!” weiß man, dass positive Emotionen Lerneffekte signifikant verstärken können.
So ist es nicht verwunderlich, dass auch auf der LEARNTEC 2019 in Karlsruhe eine angenehme, positive, ja fast familiäre Atmosphäre herrschte. Aufgeteilt in zwei thematische Hallen, hatte die LEARNTEC 2019 zuweilen den charmanten Charakter eines Abenteuerspielplatzes. So konnte eine Vielzahl an Softwares, Anwendungen usw. direkt vor Ort ausprobiert werden. Von der Achsmessung bei einem BVG-Bus (Augmented Reality von Know How!), der Suche nach Gefahrengut in einem Passagierflugzeug (Virtual Reality von 3spin GmbH & Co. KG) bis hin zum Aufbau einer digitalen Feuerwehrstation (Serious Game von Promotion Software GmbH) konnte man sich seinem Spieltrieb und der Lust am Neugierig-Sein nachgeben. Einen großen Part nehmen jährlich die Fachvorträge ein. 11.600 Besucher*innen konnten sich darüber informieren lassen, wie wohl das Lernen der Zukunft aussähe, welche Aspekte beim Dreh eines Lernvideos zu beachten sind und warum Augmented Reality besser sei als Virtual Reality. Die hohe Besucher*innenzahl zeugt vom ungebrochenen Interesse an Themen, wie e-Learning und Digitalisierung. Und auch wir können begeistert sagen: Die LEARNTEC in Karlsruhe ist eine Reise wert!