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Betriebsprüfung (Kommentar von Udo Cremer)

17.10.2016  — Udo Cremer.  Quelle: Verlag Dashöfer GmbH.

Anspruch des Steuerpflichtigen auf Überlassung von Kalkulationen des Betriebsprüfers in elektronischer Form

Die Klägerin betrieb seit 1998 in B (wo sie auch wohnte) ein China-Restaurant. Im Jahr 2007 übernahm sie zusätzlich ein italienisches Restaurant in A. Die Einkünfte aus diesem Betrieb wurden gesondert festgestellt. In beiden Betrieben verwendete sie Kassensysteme der Fa. Z. Diese Systeme erlauben in jedem beliebigen Umfang die nachträgliche Veränderung der gespeicherten Daten. Die Verwendung des Kassensystems Z wurde von Seiten der Finanzverwaltung gegenüber der Klägerin bereits in einer für die Jahre 2000 bis 2005 für den Betrieb in B durchgeführten Steuerfahndungsprüfung beanstandet. Für die Streitjahre 2007 bis 2009 führte das FA eine Außenprüfung für den Betrieb in A durch. Die Klägerin konnte die von der Prüferin angeforderten Kassendaten für die Jahre 2007 und 2008 nicht übermitteln, weil die Kasse Ende 2008 ohne Sicherung der Daten ausgetauscht worden war. Die Kassendaten für das Jahr 2009 konnten nicht lesbar gemacht werden.

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Vom Geschäftsvorfall zum Buchungssatz

Die Klägerin legte weder Nachweise über die Grundprogrammierung der verwendeten Kassen noch über Programmänderungen vor. Die Prüferin nahm Hinzuschätzungen zu den von der Klägerin erklärten Erlösen vor. Deren Höhe stützte sie auf eine Aufschlagkalkulation, die von den Getränkeeinkäufen ausging und nach einem bestimmten Verhältnis auf die Speisen (die nicht eigens kalkuliert wurden) übertragen wurden. Die Einsprüche und Klagen blieben ohne Erfolg. Das FG bejahte die Schätzungsbefugnis dem Grunde nach, da die Buchführung weder formell noch materiell ordnungsmäßig sei. So sei das verwendete Kassensystem auf Manipulationen geradezu angelegt. Auch der Höhe nach sei das Schätzungsergebnis nicht zu beanstanden. Das FA sei von zutreffenden Voraussetzungen ausgegangen; die Schätzung sei in sich schlüssig und im Ergebnis wirtschaftlich möglich. Insbesondere liege der vom FA angenommene Rohgewinnaufschlagsatz noch innerhalb der Richtsatzspanne.

Die Beschwerden sind unbegründet (BFH Beschluss vom 25.7.2016, X B 213/15, X B 4/16). Grundsätzliche Bedeutung kommt einer Rechtssache nach ständiger Rechtsprechung des BFH zu, wenn die für die Beurteilung des Streitfalls maßgebliche Rechtsfrage das (abstrakte) Interesse der Allgemeinheit an der einheitlichen Entwicklung und Handhabung des Rechts berührt. Außerdem muss die Rechtsfrage klärungsbedürftig und in einem künftigen Revisionsverfahren klärungsfähig sein. Diese Voraussetzungen sind für keine der drei von der Klägerin formulierten Rechtsfragen erfüllt. Die Klägerin wirft zunächst die Rechtsfrage auf, ob das FA verpflichtet ist, vorgenommene Kalkulationen in elektronischer Form vorzulegen, damit der Steuerpflichtige sie überprüfen könne. Im Streitfall habe die Klägerin sowohl im Verwaltungs- als auch im Klageverfahren die Übermittlung der Kalkulation in elektronischer Form beantragt. Das FA habe indes nur Papierausdrucke vorgelegt.

Diese Frage bedarf allerdings keiner höchstrichterlichen Klärung mehr, so dass es an der für eine Revisionszulassung wegen grundsätzlicher Bedeutung unerlässlichen Voraussetzung der Klärungsbedürftigkeit fehlt. Bereits aus der von der Klägerin selbst zitierten Rechtsprechung ergibt sich, dass ein solcher Anspruch grundsätzlich besteht. So hat der BFH schon für "klassische" Kalkulationen in Papierform entschieden, dass sowohl die Kalkulationsgrundlagen als auch die Ergebnisse der Kalkulation sowie die Ermittlungen, die zu diesen Ergebnissen geführt haben, offengelegt werden müssen. In seiner Entscheidung zum Zeitreihenvergleich hat der erkennende Senat darüber hinaus ausgeführt, dass auch die spezifischen "Daten", auf denen der Zeitreihenvergleich basiere, offengelegt werden müssen. Die Klägerin legt in ihrer Beschwerdebegründung diese Rechtsgrundsätze zutreffend dar, äußert sich indes nicht dazu, inwieweit sie umstritten sein sollten. Dies wäre aber zur Darlegung einer grundsätzlichen Bedeutung der Rechtssache erforderlich gewesen.

Auch die Finanzverwaltung vertritt letztlich keine grundlegend andere Auffassung. So hat das FA in seiner Beschwerdeerwiderung zutreffend auf das BMF-Schreiben vom 17.12.2008 (BStBl I 2009, 6) hingewiesen. Danach hat eine Finanzbehörde Beteiligten auf Antrag Auskunft über die zu ihrer Person gespeicherten Daten zu erteilen, wenn sie ein berechtigtes Interesse darlegen und keine Gründe für eine Auskunftsverweigerung vorliegen. Die Auskunft kann nach pflichtgemäßem Ermessen der Finanzbehörde schriftlich, elektronisch, mündlich oder durch Gewährung von Akteneinsicht erteilt werden. Danach geht auch die Finanzverwaltung grundsätzlich vom Bestehen eines Auskunftsanspruchs aus, der nach pflichtgemäßem Ermessen zudem in elektronischer Form zu erfüllen sein kann. Die von der Klägerin aufgeworfene Rechtsfrage ist damit im Grundsätzlichen nicht umstritten. Soweit es in Einzelfällen Streit darüber geben mag, ob das von der Finanzverwaltung angenommene Ermessen hinsichtlich der Art und Weise der Erfüllung des Auskunftsanspruchs dahingehend auszuüben ist, dass die Daten in elektronischer Form zu übermitteln sind, ist derzeit keine grundsätzliche Bedeutung dieser von den Besonderheiten des einzelnen Falles abhängigen Fragen der Ausübung des Ermessens erkennbar.

Darüber hinaus hält die Klägerin die Frage, ob eine allein formell ordnungswidrige Buchführung zur Schätzung berechtige, für grundsätzlich bedeutsam. Insoweit fehlt es allerdings bereits an der Klärungsfähigkeit dieser Rechtsfrage in einem künftigen Revisionsverfahren im Streitfall. Denn das FG hat den Sachverhalt ausdrücklich dahingehend gewürdigt, dass die Buchführung der Klägerin nicht nur formell, sondern auch materiell nicht ordnungsmäßig gewesen sei. Auf Rechtsfragen einer lediglich formell ordnungswidrigen Buchführung kann es daher im vorliegenden Verfahren nicht ankommen.

Ferner wirft die Klägerin die Frage auf, ob eine Getränkekalkulation eine taugliche Schätzungsmethode darstelle oder ob sie wegen geringerer Genauigkeit hinter eine Speisen- und Getränkekalkulation zurücktrete. Zur näheren Erläuterung hat die Klägerin behauptet, eine sogenannte "30/70-Kalkulation" sei bei einem hohen Anteil von Außer-Haus-Verkäufen und häufiger Gewährung von Freigetränken ungeeignet. Allerdings ist darauf hinzuweisen, dass das FG festgestellt hat, im Betrieb der Klägerin seien weder für die Erzielung nennenswerter Außer-Haus-Umsätze noch für die umfangreiche Gewährung von Freigetränken Anhaltspunkte ersichtlich. Angesichts der Bindungswirkung dieser Feststellungen in einem künftigen Revisionsverfahren im Streitfall könnte die von der Klägerin aufgeworfene Rechtsfrage daher im vorliegenden Verfahren nicht geklärt werden. Bei dem Zulassungsgrund der Fortbildung des Rechts handelt es sich um einen speziellen Unterfall des Zulassungsgrundes der grundsätzlichen Bedeutung der Rechtssache. Für seine Darlegung gelten daher regelmäßig dieselben Anforderungen, die an eine auf § 115 Abs. 2 Nr. 1 FGO gestützte Beschwerdebegründung zu stellen sind. Da das Vorbringen der Klägerin insoweit über ihren Vortrag zur grundsätzlichen Bedeutung der Rechtssache nicht hinausgeht, kann eine Zulassung im Streitfall auch nicht auf das Erfordernis einer Rechtsfortbildung gestützt werden.

Der Autor:

Udo Cremer

Udo Cremer ist geprüfter Bilanzbuchhalter (IHK) und hat die Steuerberaterprüfung mit Erfolg abgelegt. Er ist als Dozent für Steuer- und Wirtschaftsrecht tätig und veröffentlicht seit mehreren Jahren praxisorientierte Fachbücher zu den Themen Buchführung, Kostenrechnung, Preiskalkulation, Kennzahlen, Jahresabschluss und Steuerrecht. Daneben wirkt er als Autor an zahlreichen Fachzeitschriften und Loseblattsammlungen im Bereich der Buchhaltung und des Steuerrechts mit.

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