11.04.2012 — Volker Hartmann. Quelle: Verlag Dashöfer GmbH.
Wie die Reaktionen auf die neue BFH-Rechtsprechung in unseren Seminaren und auf unsere Newsletter-Beiträge gezeigt haben, herrscht bei der Lohn- und Gehaltsabrechnung in Einzelfällen große Verunsicherung, ob und ggf. wo ein Arbeitnehmer seine regelmäßigen Arbeitsstätte hat und was der Arbeitgeber zu tun hat, um die entsprechenden Nachweise zu erringen, so z.B. bei Arbeitnehmer, die von ihrem Home-Office oder im Außendienst tätig sind.
Als regelmäßigen Arbeitsstätte ist grundsätzlich der Ort anzusehen, an dem der Arbeitnehmer den wesentlichen Teil seiner Arbeitsleistung erbringt. Dies ist um Regelfall der Betrieb. Während sich nach den einschlägigen Regelungen in den Lohnsteuerrichtlinien (vgl. R 9.4 Absatz 3 LStR 2011) die regelmäßige Arbeitsstätte allein nach quantitativen Gesichtspunkten bestimmt, ist die regelmäßigen Arbeitsstätte nach der neuen BFH-Rechtsprechung nach qualitativen Gesichtspunkten zu bestimmen. In diesem Zusammenhang ist nicht nur danach zu schauen, wie oft der Arbeitnehmer eine bestimmte Betriebstätte aufsucht, sondern auch danach, welcher konkreten Tätigkeit er dort nachgeht. So hat der Bundesfinanzhof entschieden, dass der Betrieb dann nicht als regelmäßige Arbeitsstätte anzusehen ist, wenn der Arbeitnehmer diese zwar regelmäßig jeden Tag, aber lediglich zu Kontrollzwecken aufsucht, ohne dort seiner eigentlichen beruflichen Tätigkeit nachzugehen (vgl. BFH-Urteil vom 09.06.11, VI R 58/09).
Nach dem Wortlaut der Lohnsteuerrichtlinien (R 9.4 Absatz 3 LStR) ist insbesondere
als regelmäßige Arbeitsstätte anzusehen. Sucht der an den Betriebssitz seines Arbeitgebers weniger als einmal wöchentlich auf, spricht auf den ersten Blick vieles dafür, dass der Arbeitnehmer keine regelmäßige Arbeitsstätte im Betrieb hat.
Aus dem Leserkreis erreichte uns die Anfrage, ob und an welchem Ort die regelmäßige Arbeitsstätte bei einem Arbeitnehmer anzusehen ist, der seinen Wohnsitz aus privaten Gründen vom Ort des Betriebssitzes weg in ein anderes Bundesland verlegt und seiner Tätigkeit als leitender Angestellter teilweise von seinem Home-Office aus nachgeht. Fraglich ist, ob In diesem Zusammenhang der Betriebssitz als regelmäßige Arbeitsstätte anzusehen ist, wenn der Arbeitnehmer diese nur sporadisch und nicht regelmäßig aufsucht.
Nach Maßgabe des BMF-Schreibens vom 15.12.11 kann aus Vereinfachungsgründen immer dann von einer regelmäßigen Arbeitsstätte ausgegangen werden, wenn der Arbeitnehmer entweder einer betrieblichen Einrichtung des Arbeitgebers dauerhaft zugeordnet ist oder dort aufgrund der arbeitsvertraglichen Vereinbarungen
tätig werden soll.
Wenn von dieser grundsätzlichen Betrachtungsweise abgewichen werden soll und der Arbeitgeber zum Ergebnis kommt, dass der Betrieb nicht als regelmäßige Arbeitsstätte anzusehen ist, muss er dies entsprechend nachweisen bzw. durch geeignete Unterlagen glaubhaft machen.
Unabhängig davon, wie oft der Arbeitnehmer den Betrieb seines Arbeitgebers aufsucht, ist nach Ansicht des Autors von einer regelmäßigen Arbeitsstätte auszugehen, wenn es sich um einen Arbeitnehmer mit leitender Funktion handelt, also z.B. um einen Geschäftsführer oder einen leitenden Angestellten mit Personalverantwortlichkeit. In diesem Zusammenhang ist umstritten, ob ein Arbeitnehmer mit Führungsverantwortung den wesentlichen Teil seines Aufgabengebietes außerhalb des Betriebs, nämlich im Außendienst oder in seinem Home-Office erbringen kann.
Während die Finanzverwaltung bei Bau- und Montagearbeitern im Regelfall von einer Auswärtstätigkeit (Einsatzwechseltätigkeit) ausgeht und die Auffassung vertritt, diese Arbeitnehmer hätten keine regelmäßige Arbeitsstätte im Betrieb, haben Arbeitnehmer mit Leitungsfunktion, z.B. Bauingenieure, ihre regelmäßige Arbeitsstätte stets im Betrieb. Hinzu kommt, dass diese Arbeitnehmergruppen - im Gegensatz zu „einfachen“ Bau- und Montagearbeitern - oft auch über einen voll ausgestatteten Büro- oder Arbeitsraum im Betrieb verfügen.
Bei der Dienstwagenbesteuerung ist im Rahmen der pauschalen 1 %-Regelung bekanntermaßen ein pauschaler geldwerter Vorteil für Fahrten zwischen Wohnung und Arbeitsstätte nach der 0,03 %-Regelung anzusetzen. Dieser Ansatz kann jedoch entfallen, wenn der Arbeitnehmer keine regelmäßige Arbeitsstätte hat. Die Anzahl der tatsächlichen Fahrten spielt hierbei keine Rolle. Das bedeutet, dass der geldwerte Vorteil für Fahrten zwischen Wohnung und Arbeitsstätte bei Arbeitnehmern, die ihre regelmäßige Arbeitsstätte nur unregelmäßig aufsuchen, stets in gleicher Höhe anzusetzen ist wie bei Arbeitnehmern, die ihre regelmäßigen Arbeitsstätte an jedem Arbeitstag aufsuchen.
Bei derartigen Fallgestaltungen empfiehlt es sich, ein Fahrtenbuch zu führen. In diesem Fall erfolgt der Ansatz eines geldwerten Vorteils nicht pauschal nach der 0,03 %- Regelung, sondern einzelfallbezogen und immer nur dann, wenn tatsächlich Fahrten zwischen Wohnung und Arbeitsstätte anfallen. Ersatzweise kann der geldwerte Vorteil für Fahrten zwischen Wohnung und Arbeitsstätte nach Maßgabe des BFH-Urteils vom 22.09.10, VI R 57/09 auch nach der modifizierten Formel „Listenpreis x 0,002 % x Anzahl der Entfernungs-km x tatsächliche Anzahl der Fahrten“ angesetzt werden.
Der Arbeitgeber sollte bei der Bestimmung der regelmäßigen Arbeitsstätte sehr sorgfältig vorgehen. Dabei sollte stets eine einzelfallbezogene und keine pauschale Prüfung durchgeführt werden. Hierbei sind stets die jeweiligen vertraglichen Vereinbarungen und die tatsächlichen Begebenheiten zugrunde gelegt werden.
Im Zweifelsfall sollte der Arbeitgeber einen versierten Steuerberater hinzuziehen oder sich im Rahmen einer Anrufungsauskunft absichern. Wenn unklar ist, ob eine regelmäßige Arbeitsstätte anzunehmen ist, besteht die Möglichkeit, beim zuständigen Betriebstättenfinanzamt eine Anrufungsauskunft einzuholen. Durch diese Maßnahme kann der Arbeitgeber das Haftungsrisiko minimieren. Die Anrufungsauskunft entfaltet Bindungswirkung und ist so lange gültig, bis sich die Rechtslage ändert bzw. bis das Finanzamt die erteilte Anrufungsauskunft widerruft. Bitte beachten Sie, dass die Anrufungsauskunft nur dann Bindungswirkung entfaltet, wenn der tatsächliche Sachverhalt in der Praxis nicht von dem in der Anrufungsauskunft geschilderten Sachverhalt abweicht.
Volker Hartmann ist Diplom-Finanzwirt, Lohnsteueraußenprüfer und Betriebsprüfer im aktiven Dienst der Hamburger Finanzverwaltung. Volker Hartmann hat langjährige Prüfungserfahrungen, insbesondere bei Kapitalgesellschaften aller Branchen und Größen. Er ist seit vielen Jahren Referent und Autor beim Verlag Dashöfer und seine Seminare zeichnen sich durch eine besondere Praxisnähe aus.
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