12.09.2022 — Online-Redaktion Verlag Dashöfer. Quelle: Deutscher Gewerkschaftsbund.
„Wer Fachkräfte will, muss gut ausbilden“, sagt dazu DGB-Bundesjugendsekretär Kristof Becker. „Gerade in Branchen, die für einen rauhen Umgangston und für Mängel in der Ausbildung bekannt sind, haben es die Arbeitgeber selbst in der Hand, neue Auszubildende zu finden. Wenn die Ausbildungsqualität schlecht ist und die Perspektive fehlt, spricht es sich unter den jungen Menschen eben rum“, so Becker. Ebenso sei es „kein Ausweis von Attraktivität“, wenn fast die Hälfte der Azubis im letzten Ausbildungsjahr noch immer nicht wissen, ob sie übernommen werden. „Wer seine Ausbildung erfolgreich absolviert, muss auch übernommen werden: im ausgebildeten Beruf, wohnortnah, Vollzeit und unbefristet“, betont Kristof Becker. „Selbst von den Befragten, die übernommen wurden, erhält fast ein Drittel nur eine befristete Stelle und wird meist nur für ein Jahr eingestellt.“
Der Ausbildungsmarkt habe sich „noch lange nicht vom Corona-Schock erholt“, sagte die stellvertretende DGB-Vorsitzende Elke Hannack. „Im letzten Jahr bekamen nicht einmal 70 % aller bei der Bundesagentur für Arbeit gemeldeten Jugendlichen einen Ausbildungsplatz. Nicht einmal mehr jedes fünfte Unternehmen bildet hierzulande noch aus. Auf der anderen Seite gibt es aber ein enormes Potenzial an jungen Menschen die keine Ausbildung finden. Über 220.000 Jugendliche stecken jedes Jahr in den sogenannten Übergangsmaßnahmen zwischen Schule und Ausbildung fest. Dazu kommen über 2,3 Millionen junge Menschen im Alter zwischen 20 und 34 Jahren, die keinen Berufsabschluss haben. Diesen Menschen droht ein Leben in prekärer Beschäftigung, Arbeitslosigkeit und Armut. Es ist höchste Zeit, dass die Bundesregierung aktiv wird und schnellstens die im Koalitionsvertrag angekündigte Ausbildungsgarantie einführt. „Sie muss aber umlagefinanziert werden, um die Unternehmen anzureizen, wieder mehr Ausbildungsplätze zu schaffen und die Ausbildungskosten unter allen Unternehmen fair zu verteilen.“
Die schulische Berufsorientierung schnitt in der Befragung schlecht ab: Fast drei Viertel bzw. 72,2 % der Befragten gaben an, dass ihnen an der Schule kaum bei der Berufswahl geholfen wurde. Überdies haben nicht einmal 29 % der Befragten die Berufsberatung der Agentur für Arbeit genutzt. Von ihnen gaben außerdem 40,5 % an, dass sie ihnen „weniger“ oder „gar nicht“ geholfen hat. „Die Jugendberufsagenturen müssen mit ihrer Arbeit sichtbarer werden und noch enger als bisher mit den Schulen zusammenarbeiten“, sagt dazu Kristof Becker. Zudem müsse die schulische Berufsorientierung in allen Schulformen gestärkt werden. „Niemand darf verloren gehen“, betont Becker.
So stieg der Anteil derjenigen Auszubildenden, deren Ausbilder*innen selten oder nie am Ausbildungsplatz verfügbar sind, mit 11,6 % auf den höchsten seit 2008 dokumentierten Wert. Zudem gaben 13,2 % der Auszubildenden an, Arbeitsvorgänge nur „selten“ oder „nie“ zufriedenstellend erklärt zu bekommen. Ausbildungsfremde Tätigkeiten wie Toiletten putzen, Gläser spülen und tagelange Renovierungsarbeiten im Betrieb mussten mehr als 11 % der Befragten „immer“ oder „häufig“ erledigen. Mehr als jede*r dritte Befragte (34,5 %) gab an, dass ihr/sein Betrieb keinen Ausbildungsplan vorgelegt hätte, obwohl dieser gesetzlich vorgeschrieben ist.
Zudem muss knapp ein Drittel der befragten Auszubildenden (32,8 %) regelmäßig Überstunden machen und durchschnittlich über drei Stunden je Woche mehr arbeiten. Mehr als jede*r zehnte Auszubildene (11,6 %) bekommt für die Überstunden weder eine Vergütung noch einen Freizeitausgleich. „Das alles sind klare Verstöße gegen das Berufsbildungsgesetz“, sagt Kristof Becker. „Wir brauchen endlich wirksame Kontrollen der Aufsichtsbehörden, um Verstöße aufzudecken.“
Zwar sind insgesamt über 70 % der Auszubildenden (73,3 %) mit ihrer Ausbildung zufrieden, jedoch gibt es erhebliche Unterschiede zwischen den Branchen: Insbesondere Industriemechaniker*innen, Mechatroniker*innen, Verwaltungsfachangestellte und Elektroniker*innen für Betriebstechnik sind deutlich zufriedener als der Durchschnitt. Berufe aus dem Hotel- und Gaststättengewerbe, der Zahnmedizin, dem Einzelhandel und dem Friseurhandwerk bewerten ihre Betriebe dagegen mangelhaft. Im Vergleich zu 2020 litten vor allem die Hotelfachfrauen*männer (-13,1%) und die Friseur*innen (-3,6%) unter den Auswirkungen der Pandemie. „Insgesamt bleibt abzuwarten, wie sich die Ausbildungszufriedenheit in diesem Jahr entwickeln wird. Gerade weil noch nicht absehbar ist, welche Folgen Krieg, Inflation und gestörte Lieferketten in den nächsten Monaten und Jahren haben werden, gilt es jetzt zu handeln. Die duale Berufsbildung muss gestärkt, sie muss krisenfest werden“, sagt Kristof Becker.
Bild: Anthony Shkraba (Pexels, Pexels Lizenz)
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