18.05.2016 — Online-Redaktion Verlag Dashöfer. Quelle: Taylor Wessing Deutschland.
§ 17 Abs. 2 BEEG bestimmt, dass der Arbeitgeber den Resturlaub nach der Elternzeit im laufenden oder nächsten Urlaubsjahr zu gewähren hat. Ob der vor der Elternzeit entstandene Resturlaub mit Ablauf des 31.12. des „nächsten Urlaubsjahrs“ erlischt, wenn die Arbeitnehmerin oder der Arbeitnehmer im laufenden und im ganzen nächsten Urlaubsjahr nach der Elternzeit durchgängig arbeitsunfähig erkrankt ist, war bislang nicht höchstrichterlich geklärt.
Diese Lücke hat das BAG mit der Entscheidung vom 15.12.2015, 9 AZR 52/15 geschlossen.
Die Klägerin war bei der Beklagten vom 01.05.2008 bis 08.11.2014 beschäftigt. Nach Beendigung ihres Arbeitsverhältnisses begehrte die Klägerin eine Abgeltung ihres vertraglichen Jahresurlaubs von 30 Urlaubstagen aus dem Jahr 2011. Den von der Klägerin nicht genommenen Urlaub für die Zeit ab 2012 bis zur Beendigung des Arbeitsverhältnisses hatte die Beklagte bei Vertragsbeendigung ausgezahlt.
Die Klägerin hatte ihren Urlaub für das Jahr 2011 aus folgenden Gründen nicht nehmen können:
Mit ihrer Klage begehrte die Klägerin die Abgeltung ihres Urlaubs aus dem Jahr 2011. Sie hat die Auffassung vertreten, den Urlaub aus diesem Jahr habe sie gemäß § 17 Satz 2 MuSchG in den Jahren 2012 und 2013 beanspruchen können. Wegen der sich anschließenden Elternzeit sei sie bis zum 10.12.2012 gehindert gewesen, den Urlaub zu nehmen. Danach habe sie ihre Arbeitsunfähigkeit gehindert, bis Ende des Jahres 2013 Urlaub zu nehmen, sodass dieser in das Kalenderjahr 2014 übertragen worden sei.
Das BAG hat der Klägerin – ebenso wie die Vorinstanzen – Recht gegeben. Nach der Entscheidung des BAG hat die Klägerin nach § 7 Abs. 4 BUrlG Anspruch auf Abgeltung von 30 Urlaubstagen aus dem Jahr 2011.
Das BAG stellte zunächst fest, dass die Klägerin trotz ihrer zeitweiligen Arbeitsunfähigkeit und der Beschäftigungsverbote im Jahr 2011 einen Anspruch auf 30 Urlaubstage erworben hatte. Der Urlaubsanspruch hing allein vom rechtlichen Bestand des Arbeitsverhältnisses ab.
Weiter führte das BAG aus, dass der Urlaubsanspruch aus dem Jahr 2011 bei Beendigung des Arbeitsverhältnisses am 08.01.2014 nicht erloschen war.
Die Klägerin habe infolge der mutterschutzrechtlichen Beschäftigungsverbote nach § 3 Abs. 1 und Abs. 2 MuSchG sowie nach § 6 Abs. 1 MuSchG ihren Urlaub aus dem Jahr 2011 nicht in diesem Urlaubsjahr nehmen können, so dass dieser Urlaub nach § 17 Satz 2 MuSchG in das nächste Jahr nach Ablauf des letzten Beschäftigungsverbots übertragen worden sei, d. h. in das Jahr 2013.
Zudem seien die Voraussetzungen des § 17 Abs. 2 BEEG erfüllt. Gemäß § 17 Abs. 2 BEEG habe der Arbeitgeber den dem Arbeitnehmer zustehenden Urlaub, den dieser vor dem Beginn der Elternzeit nicht oder nicht vollständig erhalten habe, nach der Elternzeit im laufenden oder im nächsten Urlaubsjahr zu gewähren. Von § 17 Abs. 2 BEEG werde auch der Urlaub erfasst, den die Klägerin wegen der Beschäftigungsverbote nach dem MuSchG nicht habe nehmen können.
Nach dem Fristenregime des § 17 Abs. 2 BEEG könne die Klägerin ihren Urlaub aus dem Jahr 2011 im gesamten Jahr 2013 als dem nächsten Jahr nach Ende der Elternzeit beanspruchen. Dieses Jahr sei auch für den aus dem Jahr 2011 stammenden Urlaub das maßgebliche Urlaubsjahr. Der Urlaub aus dem Jahr 2011 unterliege damit demselben Fristenregime wie der Urlaub aus dem Jahr 2013. Damit sei er unter den Voraussetzungen des § 7 Abs. 3 Satz 2 BUrlG in das Jahr 2014 zu übertragen. Da die Klägerin nach dem Ende der Elternzeit am 10.12.2012 jedenfalls bis zum 31.12.2013 durchgehend arbeitsunfähig krank gewesen sei, sei der Urlaubsanspruch nicht mit Ablauf des Urlaubsjahres 2013 erloschen, sondern nach § 7 Abs. 3 Satz 2 und Satz 3 BUrlG zumindest bis zum 31.03.2014 übertragen worden. Die aus dem Jahr 2011 stammenden 30 Urlaubstage seien daher abzugelten.
Das „nächste Urlaubsjahr“ i.S.v. § 17 Abs. 2 BEEG und § 17 Satz 2 MuSchG ist nach dieser Entscheidung des BAG damit kein – im Vergleich zur Regelung in § 7 Abs. 3 Satz 3 BUrlG –verlängerter Übertragungszeitraum, sondern „Urlaubsjahr“ i.S.v. § 7 Abs. 3 Satz 1 BUrlG. Der nach diesen Regelungen aufgeschobene Urlaub ist urlaubsrechtlich daher genauso zu behandeln, wie der nach Ende der Beschäftigungsverbote bzw. nach Ende der Elternzeit neu entstehende Urlaub.
Das hat z. B. zur Folge, dass die Klägerin in dem o. g. Fall selbst bei einer Vertragsbeendigung im Jahr 2015 – vor dem 31.03.2015 – noch Urlaubsabgeltung für das Jahr 2011 hätte verlangen können, wenn sie auch im Jahr 2014 und im Jahr 2015 bis zur Vertragsbeendigung noch durchgehend arbeitsunfähig gewesen wäre. Denn in solchen Fällen gilt der Grundsatz, dass gesetzliche Urlaubsansprüche vor Ablauf eines Zeitraums von 15 Monaten nach dem Ende des Urlaubsjahres nicht erlöschen, wenn der Arbeitnehmer aus gesundheitlichen Gründen an der Arbeitsleistung gehindert war. Diesen Grundsatz hat das BAG in der hier besprochenen Entscheidung noch einmal bestätigt.
BAG, Urt. v. 15.12.2015, 9 AZR 52/15
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