29.10.2014 — Iris Bülow. Quelle: Verlag Dashöfer GmbH.
Der amerikanische Softwarehersteller Microsoft hat vor Kurzem die Anwesenheitspflicht für seine Mitarbeiter abgeschafft. Im Café, im Park, in der Badewanne: Die Angestellten können jetzt selbst entscheiden, von wo aus sie ihre Arbeit erledigen. Verbindliche Arbeitszeiten hat der Konzern bereits 1998 ad acta gelegt.
Elke Frank, Personalchefin von Microsoft Deutschland, führt zur Begründung der Konzernentscheidung laut Frankfurter Allgemeine Zeitung an, dass die bloße Anwesenheit noch nichts über die Qualität der Leistung von Mitarbeitern aussage. Entscheidend sei das Ergebnis. Arbeiten von zu Hause aus verschaffe den Mitarbeitern mehr Ruhe.
Den genau entgegengesetzten Kurs steuerte im vergangenen Jahr der Internetkonzern Yahoo an: Yahoo-Chefin Marissa Page gab Anfang 2013 bekannt, dass alle Mitarbeiter wieder ins Unternehmen zurückzukehren hätten. Als Yahoo-Mitarbeiter solle man nicht allein Tag für Tag seinen Job verrichten. Wichtig seien auch Austausch und Erfahrungen, die nur in den Büroräumen des Unternehmens möglich seien, ließ Mayer in einem Memo an alle Mitarbeiter verlautbaren. In vielen deutschen Medien wurde diese Haltung als ein bedauerlicher Rückschritt gewertet.
Flexibles Arbeiten und vor allem das Thema Homeoffice steht in vielen Unternehmen seit längerer Zeit zur Debatte. Immer mal wieder wird es von den Medien aufgegriffen. Es existieren zwei grundsätzlich konträre Sichtweisen:
PRO: Homeoffice gewähre Arbeitnehmern die nötigen Freiheiten, die modernes Arbeiten erst ermöglichen. Zu Hause arbeite es sich konzentrierter als unter Kollegen, häufige Unterbrechungen und ein hoher Lärmpegel seien ausgeschlossen. Gleichzeitig sei Arbeiten von zu Hause aus familienfreundlich und auch unter ökologischen Gesichtspunkten sinnvoll: Die Arbeitnehmer lassen dann das Auto stehen und produzieren weniger Abgase und Staus.
CONTRA: Nur theoretisch gut, in der Praxis aber wenig sinnvoll, kritisieren die Gegner: Gerade zu Hause seien Arbeitnehmer häufig abgelenkt, da sich hier Privates, z.B. Hausarbeit und private Telefonate, mit dem Beruflichen unschön vermische. Zudem fehle es den Mitarbeitern am Austausch mit den Kollegen. Und zu Hause durchgeführte Videokonferenzen wirkten höchst unprofessionell.
Offensichtlich haben beide Sichtweisen ihre Berechtigung. Liest man sich durch Artikel und Leserkommentare zum Thema, wird schnell deutlich, dass nicht nur gängelnde Chefs allergisch auf das Thema „Arbeiten von Zuhause“ reagieren. Auch einigen Arbeitnehmern behagt das Modell nicht.
Selbst aus der Kernzielgruppe, den Eltern mit Kindern, sind mitunter auch skeptische Kommentare zu hören. „Homeoffice ist nur etwas für Menschen ohne Kinder“, etwa lautet ein Online-Kommentar: Eltern würden durch ihre Kinder von der Arbeit abgelenkt werden. Ein anderer Kommentator beschreibt plastisch, wie während einer Telefonkonferenz im Hintergrund für alle Teilnehmer hörbar plötzlich eine Klospülung rauschte (betretenes Schweigen in der Runde!).
Heimarbeiter müssen sich auch aktiv um die Kontaktpflege zu den Kollegen im Büro und Feedback vom Chef kümmern. Von Gesprächen, die täglich ganz nebenbei auf dem Flur stattfinden, sind sie ausgeschlossen. Und auf die Dauer schaffen selbst Videokonferenzen weniger Nähe als das nicht virtuelle Zusammensitzen im Konferenzraum, inklusive leichter Rasierwassernote und Kaffeeduft.
All das sind jedoch in Relation zum Nutzen, die die zumindest zeitweilige Arbeit von Zuhause vielen Arbeitnehmern bringt, mehr oder minder Randphänomene. Viele Menschen profitieren außerordentlich vom selbst gewählten Arbeitsort. Selbstverständlich, auch das wird in vielen Kommentaren deutlich, muss ein gehöriges Maß an Selbstdisziplin mitbringen, wer im Homeoffice arbeitet. Dann aber bedeutet die so gewonnene Flexibilität für viele Menschen ein gewaltiges Plus an Lebensqualität.
Die Frage „Homeoffice - ja oder nein“ ist eine sehr persönliche. Ihre Beantwortung hängt stets von Persönlichkeit, Geschmack, Arbeitsweise von Arbeitnehmern, aber auch der Art der Arbeit ab. Sie kann für Menschen sehr inspirierend sein. Sie kann auch Arbeitnehmer überhaupt erst dazu befähigen, ihrer Tätigkeit in der angestrebten Weise nachzugehen: weil Kinder manchmal krank sind und dazu so viel Ferien haben, dass die Urlaubstage der Eltern – zumal der alleinerziehenden – zur Abdeckung nicht ausreichen. Jeder Arbeitnehmer im Homeoffice muss jedoch ein sicheres Gespür dafür haben, wann seine Anwesenheit im Büro vonnöten ist.
Wer Flexibilität zwar schätzt, jedoch weder in den eigenen vier Wänden noch im Café arbeiten möchte, an den werden in Städten zunehmend Einzel-Arbeitsplätze in eigens dafür eingerichteten Räumlichkeiten vermietet. Freiberufler, Doktoranden und überhaupt jeder, der nicht zu Hause arbeiten kann oder möchte, findet hier gegen eine Miete individuelle Lösungen.
Nicht zuletzt müssen Personalverantwortliche, die die Variante Homeoffice anbieten, ihren Mitarbeitern über den Weg trauen. Immerhin können sie sich nicht mehr jederzeit vom Arbeitsfortschritt überzeugen, indem sie mal eben über eine Schulter schauen. Wer seinen Mitarbeiterinnen und Mitarbeitern aber zubilligt, selbstbestimmt handeln und sich organisieren zu können, verschafft ihnen gerade dadurch einen großen zusätzlichen Motivationsschub.
Zu diesem Artikel erreichte uns folgender Leserkommentar:
„Die Mischung macht's. Für mich ist das Homeoffice ein ruhigerer Platz, wenn ich unter starkem Termindruck arbeiten muss - außerdem spart das auch noch mehr als eine Stunde Fahrtzeit in die Firma, die frau dann sinnvoller einsetzen kann. Voraussetzung eine stabile VPN-Leitung in die Firma mit großem Datenvolumen.“
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