14.06.2024 — Online-Redaktion Verlag Dashöfer. Quelle: Hans-Böckler-Stiftung.
Zu diesem Ergebnis kommt eine aktuelle Online-Befragung des Internet-Portals Lohnspiegel.de, das vom Wirtschafts- und Sozialwissenschaftlichen Institut (WSI) der Hans-Böckler-Stiftung betreut wird. Für die Analyse wurden die Angaben von fast 68.000 Beschäftigten aus dem Zeitraum von Anfang Mai 2023 bis Ende Mai 2024 ausgewertet.
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Ob Beschäftigte Urlaubsgeld erhalten oder nicht, hängt von mehreren Faktoren ab. Der mit Abstand wichtigste ist, ob im Betrieb ein Tarifvertrag gilt: In tarifgebundenen Betrieben der Privatwirtschaft erhalten rund drei Viertel (74 Prozent) der Befragten Urlaubsgeld, verglichen mit 36 Prozent in Betrieben ohne Tarifvertrag (siehe auch Abbildung 1 in der pdf-Version dieser PM; Link unten). Wichtig dabei: Wo ein Tarifvertrag gilt, sind meist auch die Grundgehälter höher. „Das Urlaubsgeld ist also ein echtes Extra für die Beschäftigten – und ein gutes Argument für tarifgebundene Arbeitgeber, die auf der Suche nach Fachkräften sind“, sagt WSI-Experte Dr. Malte Lübker. Allerdings ist die Tarifbindung seit den 1990er Jahren in Deutschland deutlich zurückgegangen, so dass nach Angaben des Instituts für Arbeitsmarkt- und Berufsforschung (IAB) heute nur noch für knapp die Hälfte der Beschäftigten (49 Prozent) ein Tarifvertrag gilt. Betrachtet man nur die Privatwirtschaft, so ist die Tarifbindung mit 42 Prozent der Beschäftigten noch einmal geringer.
Die Aussichten auf Urlaubsgeld steigen auch mit der Betriebsgröße: In Großbetrieben mit über 500 Beschäftigten erhalten 59 Prozent der Befragten Urlaubsgeld, in kleineren Betrieben mit unter 100 Beschäftigten sind es hingegen nur 38 Prozent. Die bei größeren Arbeitgebern deutlich höhere Tarifbindung ist hierfür eine wichtige Erklärung. In Ostdeutschland sind die Aussichten auf Urlaubsgeld mit 34 Prozent schlechter als in Westdeutschland (48 Prozent). Auch hier ist die Tarifbindung ein entscheidender Faktor: Diese ist in Ostdeutschland mit 44 Prozent niedriger als im Westen (51 Prozent). „Gerade nach den Inflationsschüben der vergangenen beiden Jahre, die viele Menschen mit niedrigen und mittleren Einkommen besonders getroffen haben, ist es ein Problem, ohne Tarifvertrag bei Sonderzahlungen wie dem Urlaubsgeld leer auszugehen“, sagt Prof. Dr. Bettina Kohlrausch, wissenschaftliche Direktorin des WSI. Spürbar sind auch die Unterschiede zwischen Frauen (40 Prozent) und Männern (50 Prozent). Dies lässt sich im Wesentlichen auf eine für Frauen ungünstige Verteilung der Beschäftigtenzahlen nach Betriebsgrößen und Berufsgruppen zurückführen.
Wie hoch das tarifliche Urlaubsgeld ausfällt, hängt von den genauen Regelungen in den einzelnen Tarifverträgen ab – und die unterscheiden sich zum Teil erheblich: Die Spannweite reicht in diesem Jahr von 186 Euro für die Beschäftigten in der Landwirtschaft in Mecklenburg-Vorpommern bis zu 2.686 Euro in der Holz und Kunststoff verarbeitenden Industrie. Die Angaben beziehen sich jeweils auf Beschäftigte in der mittleren Vergütungsgruppe (ohne Berücksichtigung von Zulagen/Zuschlägen, bezogen auf die Endstufe der Urlaubsdauer). Das zeigt die aktuelle Auswertung des WSI-Tarifarchivs für ausgewählte Tarifbranchen. Neben der Landwirtschaft ist das Urlaubsgeld auch im Hotel- und Gaststättengewerbe relativ niedrig: In Bayern erhalten Tarifbeschäftigte 240 Euro extra, in Sachsen sind es 195 Euro.
Deutlich höher sind die Sonderzahlungen unter anderem in der Papier verarbeitenden Industrie, in der Metallindustrie, in der Druckindustrie, im Kfz-Gewerbe, im Versicherungsgewerbe, im Einzelhandel, im Bauhauptgewerbe und in der Chemischen Industrie (siehe Abbildung 2 sowie die Tabellen 1 und 2 in der pdf-Version).
In Branchen oder Großunternehmen, in denen bundesweite Tarifverträge gelten, gibt es auch beim Urlaubsgeld keine Ost-West-Unterschiede mehr. Hierzu zählen etwa das Versicherungsgewerbe, das Gebäudereinigungshandwerk und die Deutsche Bahn AG. Auch in der Druckindustrie und der Chemischen Industrie gibt es ein einheitliches Urlaubsgeld. In Branchen, in denen regional differenzierte Tarifverträge abgeschlossen werden, bestehen hingegen auch bei der Höhe des Urlaubsgeldes regionale Unterschiede. So werden im Einzelhandel in Brandenburg 1.395 Euro ausgezahlt, in Nordrhein-Westfalen sind es hingegen 1.491 Euro.
Im öffentlichen Dienst gibt kein gesondertes Urlaubsgeld mehr, da es seit der Tarifreform des Jahres 2005 zusammen mit dem Weihnachtsgeld als einheitliche Jahressonderzahlung im November ausgezahlt wird. Auch im Bankgewerbe und in einigen Branchentarifverträgen der Energiewirtschaft gibt es kein tarifliches Urlaubsgeld. Eine Besonderheit gilt in der Eisen- und Stahlindustrie: Dort ist die Höhe der jährlichen Sonderzahlungen auf insgesamt 110 Prozent eines Monatsentgelts festgelegt – wobei offen gelassen wird, wie sich dies auf Urlaubs- und Weihnachtsgeld verteilt.
Von den 17 untersuchten Branchen mit tariflichem Urlaubsgeld hat sich dieses gegenüber dem Vorjahr in 8 Branchen erhöht, in drei weiteren Branchen sind zumindest in einigen Tarifgebieten Erhöhungen in Kraft getreten. Steigerungen gab es insbesondere in jenen Branchen, in denen das Urlaubsgeld als Prozentsatz der Tarifentgelte festgelegt wird. Hierzu gehören im Jahr 2024 die Druckindustrie, das Gebäudereinigungs-handwerk, das Kfz-Gewerbe, die Metallindustrie, die Papier verarbeitende Industrie und das Versicherungsgewerbe. Die Erhöhungen des Urlaubsgeldes folgten demnach den allgemeinen Tariferhöhungen und lagen überwiegend zwischen 1,5 Prozent in der Druckindustrie und 5,2 Prozent in der Metallindustrie. Deutlich mehr gibt es in diesem Jahr auch für Tarifbeschäftigte im Einzelhandel Nordrhein-Westfalen (plus 5,3 Prozent) sowie in der Bekleidungs- und der Textilindustrie, wo die Steigerung gegenüber dem Vorjahr jeweils gut 8 Prozent beträgt.
„Was vielen nicht bewusst ist: Neben Geld für die Urlaubskasse bringen Tarifverträge auch zusätzliche Urlaubstage“, sagt WSI-Forscher Malte Lübker. Nach dem Bundesurlaubsgesetz haben Arbeitnehmer*innen nur einen Anspruch auf 4 Wochen Erholungsurlaub im Jahr. Bei einer 6-Tage-Woche entspricht dies 24 Urlaubstagen, bei der weit gängigeren 5-Tage-Woche muss der Arbeitgeber 20 Tage Erholungsurlaub gewähren. In Tarifverträgen sind hingegen 6 Wochen (30 Urlaubstage) üblich (siehe Tabelle 1 und 2). Ausnahmen gibt es nur vereinzelt, wie in der Bayerischen Landwirtschaft oder in der Holz und Kunststoff verarbeitenden Industrie Sachsens (jeweils 28 Tage).
Auch gut zu wissen: Wer während des Urlaubs krank wird, sollte sich unbedingt ein ärztliches Attest besorgen und dieses nach Rückkehr beim Arbeitgeber einreichen. Die so nachgewiesenen Tage der Arbeitsunfähigkeit werden dann nicht auf den Jahresurlaub angerechnet. „Wenn es dabei Probleme gibt, hilft meist schon ein freundlicher Hinweis auf § 9 des Bundesurlaubsgesetzes“, so Lübker. „Wenn das nichts bringt, lohnt es sich unter Umständen auch, den Betriebsrat oder den Rechtsschutz der Gewerkschaft einzuschalten.“
Für die Auswertung zur Häufigkeit von Urlaubsgeld wurden die Angaben von 67.880 Beschäftigten ausgewertet, die zwischen dem 1. Mai 2023 und dem 31. Mai 2024 an einer kontinuierlichen Online-Erhebung des WSI-Portals Lohnspiegel.de teilgenommen haben. Die Umfrage ist nicht repräsentativ, erlaubt aber aufgrund der hohen Fallzahlen detaillierte Einblicke in die Arbeitswelt. Nicht berücksichtigt wurden Beschäftigte des öffentlichen Dienstes, bei denen das Urlaubs- und Weihnachtsgeld seit der Tarifreform des Jahres 2005 in einer einzigen Jahressonderzahlung zusammengefasst wird. Lohnspiegel.de ist ein nicht-kommerzielles Angebot der Hans-Böckler-Stiftung.
Bild: Daria Shevtsova (Pexels, Pexels Lizenz)