10.02.2022 — Rolf Becker. Quelle: Verlag Dashöfer GmbH.
Seit 01.01.2022 gilt das neue Gewährleistungsrecht mit den besonderen Regelungen zur Vereinbarung bei schon bestehenden Mängeln, Verkürzung der Gewährleistung und der Erstreckung der Beweislastregelungen auf 12 Monate (bislang bis 6 Monate nach Kauf). Wenn an einer gekauften Sache innerhalb von 12 Monaten nach Kauf ein Mangel auftritt, wird vermutet, dass der Mangel bereits zum Zeitpunkt der Übergabe bestand. Zudem gelten Aktualisierungspflichten bei digitalen Produkten.
Ab 01.03.2022: Vertragsschlüsse mit Verbrauchern unterliegen neuen Kündigungsregelungen. Automatische Verlängerungen (stillschweigende Verlängerungen) können mit maximal 1 Monat Kündigungsfrist verhindert werden. Zudem erfolgen sie nicht mehr um 1 Jahr, sondern laufen nur noch mit unbestimmter Zeit und können ebenfalls immer binnen 1 Monat gekündigt werden.
Ab 01.07.2022 tritt bei solchen „Abo-Verträgen“ aller Art die Pflicht für Unternehmer hinzu, einen Kündigungsbutton vorzuhalten und bestimmte Informationen zu vermitteln.
Auch der Mai hat es in sich.
Ab 28.05.2022 müssen Telefoneinwilligungen 5 Jahre seit der letzten Nutzung dokumentiert und archiviert werden. Schon der Verstoß gegen die Dokumentationspflicht kann Bußgelder bringen.
Ab 28.05.2022 gelten auch neue Beschränkungen und Informationspflichten für sog. Kaffeefahrten (kein Vertrieb von Nahrungsergänzungsmittel, Medizinprodukten und Finanzdienstleistungen).
Ab dem 28.05.2022 gelten auch neue Informationspflichten für die Betreiber von Online-Marktplätzen insbesondere zum Ranking angezeigter Produkte, personalisierter Preise.
Neue Regelungen sieht insbesondere das Gesetz zur Stärkung des Verbraucherschutzes und Gewerberecht vor, welches am gleichen Tag in Kraft tritt. Geschäftliche Neue Regelungen sieht insbesondere das Gesetz zur Stärkung des Verbraucherschutzes und Gewerberecht vor, welches am gleichen Tag in Kraft tritt. Geschäftliche
„Macht ein Unternehmer Bewertungen zugänglich, die Verbraucher im Hinblick auf Waren oder Dienstleistungen vorgenommen haben, so gelten als wesentlich Informationen darüber, ob und wie der Unternehmer sicherstellt, dass die veröffentlichten Bewertungen von solchen Verbrauchern stammen, die die Waren oder Dienstleistungen tatsächlich genutzt oder erworben haben.“
Damit wird Artikel 3 Nummer 7 Buchstabe b der Richtlinie (EU) 2019/2161 (sog. „Omnibusrichtlinie“) umgesetzt. Im Erwägungsgrund 47 der Richtlinie heißt es dazu:
„Verbraucher stützen sich bei ihren Kaufentscheidungen zunehmend auf Bewertungen und Empfehlungen von Verbrauchern. Wenn Gewerbetreibende Verbraucherbewertungen von Produkten zugänglich machen, sollten sie deshalb Verbraucher darüber informieren, ob Prozesse oder Verfahren angewandt werden, um sicherzustellen, dass die veröffentlichten Bewertungen tatsächlich von Verbrauchern verfasst wurden, die die Produkte tatsächlich verwendet oder erworben haben. Wenn solche Prozesse oder Verfahren angewandt werden, sollten Gewerbetreibende Informationen darüber bereitstellen, wie die entsprechenden Prüfungen ablaufen, und den Verbrauchern eindeutige Informationen darüber zur Verfügung stellen, wie mit Bewertungen umgegangen wird, etwa ob alle Bewertungen — positive wie negative — veröffentlicht werden oder ob diese Bewertungen im Wege eines Vertragsverhältnisses mit einem Gewerbetreibenden gesponsert oder beeinflusst wurden...“
Damit steht nach dem Wortlaut schon einmal fest, dass das neue Recht dem Unternehmer keine zwingenden Organisationspflichten auferlegt. Macht er Kundenbewertungen nicht zugänglich, muss er auch nichts zur Sicherstellung der Echtheit organisieren. Dies ist auch in der Gesetzesbegründung im Gesetz zur Stärkung des Verbraucherschutzes und Gewerberecht vorgesehen. Damit genügt in diesen Fällen ein einfacher Hinweis, wie etwa
„Wir erhalten zu unseren Produkten Bewertungen, die jedoch aufgrund ihrer Vielzahl nicht auf Echtheit hin überprüft werden können.“
Unscharf erscheint der Begriff des „zugänglich machen“ bei den Kundenbewertungen. Wann ist dies der Fall, insbesondere, wenn Dritte mit im Spiel sind? Grundsätzlich ist es egal, ob ich etwas unmittelbar auf der Produktseite aufführe oder eine Kundenbewertung per Link „zugänglich mache“. Reicht es aus, wenn der Unternehmer etwa damit wirbt, dass 90% seiner Kunden zufrieden sind? Soll die Regelung eventuell nur gelten, wenn der Unternehmer die Kundenbewertungen selbst einsammelt und damit wirbt oder auch dann, wenn er Dritte beauftragt?
In der Gesetzesbegründung zum Gesetz zur Stärkung des Verbraucherschutzes und Gewerberecht heißt es dazu:
„Der Anwendungsbereich der Vorschrift erfasst dabei nur solche Unternehmer, die selbst Verbraucherbewertungen zugänglich machen. Verweist der Unternehmer lediglich über einen Link auf Verbraucherbewertungen, die von Dritten über die von ihm angebotene Ware oder Dienstleistung veröffentlicht worden sind, besteht die Pflicht nicht.“
Hier interpretiert der deutsche Gesetzgeber die europäische Vorgabe nur, die er selbst nicht unterschreiten darf. „Selbst zugänglich machen“ deutet in der Formulierung auf das eigene Einsammeln von Kundenbewertungen hin. Unklar bleibt, wie der Fall aussieht, wenn er dies mit Hilfe von Dienstleistern macht.
Die Rechtsprechung wird zeigen müssen, welche Reichweite die Fallgruppe im Einzelnen haben kann. Unternehmer sind gut beraten, wenn sie ihre Werbung auf solche Aussagen hin durchforsten.
Denkbar sind Maßnahmen, nach denen etwa nur Käufer Bewertungen abgeben können, indem ihnen etwa nach Ablauf der Widerrufsfrist erst ein Link für eine Bewertung zugänglich gemacht wird. Bereitgestellt werden müssen nach der deutschen Gesetzesbegründung zudem auch eindeutige Informationen dazu, wie mit Bewertungen im Rahmen dieses Prüfprozesses umgegangen wird, etwa, nach welchen Kriterien Bewertungen aussortiert werden und ob alle Bewertungen - positive wie negative - veröffentlicht werden.
Gleichzeitig wird in der sog. „Blacklist“ der immer unzulässigen Werbemaßnahmen in Nr. 23b zu § 3 Abs. 3 UWG neu geregelt, dass es stets unzulässig und wettbewerbswidrig ist zu behaupten, dass Bewertungen einer Ware oder Dienstleistung von solchen Verbrauchern stammen, die diese tatsächlich erworben oder genutzt haben, wenn nicht angemessene und verhältnismäßige Schritte unternommen wurden, um dies zu prüfen.
Dies ergänzt das bisherige Verbot von gefakten Kundenbewertungen, die in Nr. 23c der Backlist geregelt werden. Wann eine solche Behauptung vorliegt, wird sich zeigen. Dies könnte schon der Fall sein, wenn Bewertungen als „Kundenbewertungen“ bezeichnet werden.
In diesem Fall treffen den Unternehmer aber bei der Behauptung zu Kundenbewertungen oder Nutzerbewertungen auch Maßnahmepflichten. Dies bedeutet, dass alte Bewertungen, die ohne solche Verifikationen gewonnen wurden, nicht länger verwendet werden dürfen. Damit müssen auch Gesamtbewertungsnoten neu gebildet werden.
Händler müssen sich aufgrund der EU-weit geltenden neuen Regelungen in 2022 vielen Neuerungen stellen. Besonders die wesentliche und wichtige Werbung mit Kundenbewertungen im weitesten Sinne muss unter die rechtliche Lupe genommen werden.
Bild: kaboompics (Pixabay, Pixabay License)
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