07.03.2024 — Samira Sieverdingbeck. Quelle: Verlag Dashöfer GmbH.
Mit der Initiative zur Verankerung des Rechts auf Abtreibung in der Verfassung, reagierte der französische Staatspräsident Emmanuel Macron auf eine folgenschwere Entscheidung der Vereinigten Staaten: Im Fall „Roe vs. Wade“ räumte der Oberste Gerichtshof 1973 Frauen das Recht auf Schwangerschaftsabbrüche ein. 2022 wurde das Urteil aufgehoben – nun entscheiden die Bundesstaaten wieder individuell über die Regelungen zu Schwangerschaftsabbrüchen.
Um solche Gesetzesänderungen zu erschweren und die Rechte der Frauen zu schützen, plante Frankreich als erstes Land weltweit die „Freiheit zur Abtreibung“ in die Verfassung aufzunehmen. Mit Erfolg! Die notwendige Drei-Fünftel-Mehrheit übertrafen die 780 Mitglieder der Nationalversammlung und des Senats, die für das Novum stimmten, deutlich. Nur 72 Stimmen richteten sich gegen die Initiative.
„Heute ist Frankreich Vorreiter“, lobte der Premierminister Gabriel Attal in seiner Rede zu Beginn der Sitzung. Artikel 34 der Verfassung wird nun um das Recht zur „interruption volontaire de grossesse“ (IVG), also zur freiwilligen Unterbrechung der Schwangerschaft, erweitert – ein Sieg für die Frauen Frankreichs, aber auch ein wichtiges Signal für die weltweite Anerkennung und den Schutz von reproduktiven Rechten.
Die Generalsekretärin von Amnesty International, Agnès Callamard, betonte in einem Statement: „Das Beispiel der USA zeigt, wie verheerend, gefährlich und rückschrittig es ist, die Abtreibung als Recht zu schwächen. In Europa gibt es immer noch Länder wie Polen oder Andorra, in denen der Zugang zu Abtreibung extrem eingeschränkt ist und in denen diejenigen, die für dieses Recht kämpfen, strafrechtlich verfolgt werden. Die heutige Abstimmung in Frankreich muss den Weg für einen stärkeren Schutz des Zugangs zu Abtreibung in anderen Teilen der Welt ebnen.“
Mit 66 Prozent fand die Initiative auch in der breiten Bevölkerung Zustimmung. Am Tag der Abstimmung versammelten sich zahlreiche Menschen in der Nähe des Eiffelturms und verfolgten die Sitzung per Großbildschirm. Die Freude über das positive Ergebnis war groß. Doch auch Kritik an der geplanten Verfassungsänderung blieb nicht aus. Die katholische Kirche sprach sich im Vorhinein entschieden gegen das Recht zur Abtreibung als Teil der Verfassung aus. Mehrere hundert Menschen demonstrierten am Montag in der Nähe des Abstimmungsortes in Versailles gegen die Initiative.
Obwohl die Aufnahme des Abtreibungsrechts in die Verfassung zweifellos ein wichtiger Schritt ist, wiesen auch Befürworterinnen und Befürworter darauf hin, dass dies allein nicht ausreicht, um den Zugang zu Abtreibungen tatsächlich zu verbessern. Nur wenige Gynäkologen und Hebammen in Frankreich führen Abtreibungen tatsächlich durch. Die dadurch entstehenden Wartezeiten führen mitunter dazu, dass einige Frauen die gesetzliche Frist von 14 Wochen überschreiten. Trotz des Vorstoßes der französischen Regierung, gibt es also weiterhin Handlungsbedarf.
Präsident Macron kündigte an, dass die Entscheidung zur Verfassungsänderung am 8. März 2024 in einer „cérémonie de scellement“ besiegelt und gefeiert werden soll.
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