18.04.2024 — Samira Sieverdingbeck. Quelle: Verlag Dashöfer GmbH.
Der § 218 Strafgesetzbuch (StGB) regelt die Gesetzeslage zu Schwangerschaftsabbrüchen und erklärt sie derzeit in Deutschland grundsätzlich als rechtswidrig. Das Bundesministerium für Familie, Senioren, Frauen und Jugend erläutert unter welchen Kriterien die Beteiligten straffrei bleiben können.
Werden alle Voraussetzungen der Beratungsregelung erfüllt, der Abbruch jedoch erst zwischen der 12. und 22. Schwangerschaftswoche durchgeführt, so bleibt zwar die Schwangere straffrei, alle anderen Beteiligten können sich jedoch strafbar machen.
Die gesetzliche Krankenversicherung übernimmt die Kosten eines Schwangerschaftsabbruches nur, wenn medizinische oder kriminologische Gründe vorliegen. Frauen, die sozial bedürftig sind, können derzeit einen Antrag auf Kostenübernahme stellen.
„Die grundsätzliche Rechtswidrigkeit des Abbruchs in der Frühphase der Schwangerschaft […] ist nicht haltbar,“ erklärt Prof. Liane Wörner, Koordinatorin der Arbeitsgruppe Schwangerschaftsabbruch, gleich zu Anfang der Pressekonferenz zur Vorstellung der Ergebnisse. Damit deutet sie direkt auf die Stoßrichtung der folgenden Empfehlungen hin. Denn die Kommission kritisiert die bisherige Einordnung des Schwangerschaftsabbruchs als Straftat deutlich. Ihre Empfehlung legt eine Teilung der Schwangerschaft in drei Phasen zu Grunde. Besonders starke Veränderungen soll es in der ersten Phase geben:
Die Straffreiheit in der frühen Phase bis zur 12. Schwangerschaftswoche soll bestehen bleiben. Jedoch plädiert die Kommission darüber hinaus dafür, den Schwangerschaftsabbruch in Zeit auch als rechtmäßig einzustufen. Prof. Frauke Brosius-Gersdorf, Stellvertretende Koordinatorin der Arbeitsgemeinschaft Schwangerschaftsabbruch, erklärt dazu:
Das ist auch nicht einfach eine Formalie, sondern Sie können sich vorstellen, dass es für die betroffenen Frauen, die in der Situation sind, die überlegen, ob sie einen Schwangerschaftsabbruch verlangen, einen großen Unterschied macht, ob das, was sie tun, Unrecht ist oder Recht.
Außerdem habe die Rechtmäßigkeit des Abbruches auch Auswirkungen auf die Leistungspflichten der gesetzlichen Krankenkassen, was die Zugänglichkeit deutlich erhöht.
Diese Phase kann ungefähr zwischen der 12. und 22. Schwangerschaftswoche verortet werden. Die Empfehlungen der Kommission sind hier weniger bestimmt. Prof. Liane Wörner fasst es wie folgt zusammen: „[Der Gesetzgeber] kann unter Hinzuziehung sämtlicher Abwägungsaspekte auch den Abbruch in der mittleren Phase rechtmäßig und straflos stellen.“ Darüber hinaus solle der Gesetzgeber entscheiden, bis zu welchem Zeitpunkt er einen Abbruch erlaube, so Brosius-Gersdorf.
Für die späte Schwangerschaftsphase, die ungefähr ab der 22. Schwangerschaftswoche beginnt, empfiehlt die Kommission einen Abbruch grundsätzlich als rechtswidrig, jedoch nicht zwangsläufig als strafbar einzustufen.
Besonders beim Schwangerschaftsabbruch mit kriminologischer Indikation empfiehlt die Kommission den Zeitrahmen von 12 Wochen auszuweiten. Darüber hinaus plädiert sie für eine Stärkung der Aufklärungs- und Präventionsmaßnahmen, um ungewollte Schwangerschaften zu vermeiden und empfiehlt den kostenfreien Zugang zu Verhütungsmitteln. Bisher werden die Kosten nur bis zur Vollendung des 22. Lebensjahres übernommen.
Der Schwangerschaftsabbruch vereint in sich eine rechtliche und ethische Zwickmühle: Auf der einen Seite steht das Selbstbestimmungsrecht der Schwangeren, auf der anderen Seite das Recht des ungeborenen Kindes auf Leben. Wird das eine vollständig eingeräumt, wird das andere automatisch verletzt. Eine vollständige Wahrung beider Rechte gibt es bei einer ungewollten Schwangerschaft nicht. Trotzdem müssen Regelungen vereinbart werden.
Prof. Frauke Brosius-Gersdorf beschreibt wie sich dem Paradoxon genähert werden kann: Zwar beginne das Recht auf Leben des Embryos mit der Einnistung der Eizelle, jedoch sei die Gewichtung dieses Rechts bis zur Lebensfähigkeit ex uteru (ca. ab der 22. Schwangerschaftswoche) geringer. Bis dahin überwiege das Recht der Mutter auf Selbstbestimmung. Je weiter die Schwangerschaft jedoch fortschreite, desto eher werde es als zumutbar erachtet, das Kind auszutragen und zur Welt zu bringen. Ab der Lebensfähigkeit ex uteru habe das Lebensrecht des Kindes dadurch Vorrang vor dem Selbstbestimmungsrecht der Mutter. „Und aus dieser Gegenüberstellung des Lebensrechts des Embryos einerseits und der Rechte der Schwangeren andererseits folgt das Drei-Phasen-Modell, das wir dem Gesetzgeber empfehlen“, erklärt sie abschließend.
Mit den Empfehlungen folgt die Kommission Ländern wie Frankreich, die den Schwangerschaftsabbruch liberalisieren, sowie völker- und europarechtlichen Entwicklungen. Durch die Entkriminalisierung des Schwangerschaftsabbruches und den Ausbau von Information- und Präventionsangeboten könnten die Rechte der Frau deutlich gestärkt werden.
Die Pressekonferenz der Kommission können Sie sich hier ansehen.
Lesen Sie außerdem den vollständigen Bericht der Kommission sowie eine Zusammenfassung.
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